Rund zehn Monate später steht Oktay Cömertler exakt dort, wo rund 350 Feuerwehrleute stundenlang gegen die Flammen kämpften, während eine Rauchsäule hoch über dem Gelände stand.
Cömertler ist einer der beiden Geschäftsführer des Andernacher Unternehmens Van den Berg, das vom Eigentümer des ehemaligen Rasselstein-Geländes ASAS mit der Brandschadensanierung sowie dem Rückbau der Halle beauftragt wurde. Bereits im vergangenen Jahr fingen seine Mitarbeiter damit an, die teilweise mit Schadstoffen belasteten Trümmer rund um den Brandherd abzuräumen.
Obwohl seit dem Ausbruch des Feuers fast ein Jahr vergangen ist, liegt immer noch ein schwacher Rußgeruch in der eisigen Winterluft. Dachträgerkonstruktionen ragen grotesk verdreht gen Himmel, Mauerfragmente stehen im Raum, in den Schächten sammelt sich das Regenwasser. Cömertler blickt dennoch zufrieden auf das, was die Flammen von der Industriehalle übrig ließen: „Zu Beginn konnte man hier gar nicht durchgehen“, beschreibt er.
Das Dach der Halle war bei dem Brand stellenweise eingebrochen. Ob und wo sich im Zuge der Rückbauarbeiten weitere Deckenteile lösen, vermochte zunächst niemand abzuschätzen. Mit einem sogenannten Longfrontbagger, der über eine Reichweite von bis zu 21 Metern verfügt, begann man zunächst damit, das Dach zu entlasten, um den eigenen Mitarbeitern ein sicheres Betreten der Halle zu ermöglichen.
Das Ganze geschah in enger Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde, die neben der sachgerechten Entsorgung der Schadstoffe auch die Verkehrssicherheit auf der benachbarten Landstraße im Blick hat. Mit Spezialwerkzeugen schnitten die Fachleute im Anschluss die Hallenträger klein. 10 bis 15 Van-den-Berg-Mitarbeiter waren in den darauffolgenden Wochen täglich damit beschäftigt, den Brandschutt aus der 6500 Quadratmeter großen Halle zu befördern.
Inzwischen ist das Gebäude wieder begehbar, der maschinelle Rückbau hat bereits begonnen. Einen Bagger, der mit der Abrissbirne gegen die Mauern haut, sucht man dabei vergebens. Das Klischee ist veraltet, schmunzelt Cömertler: „Mal einfach so einen Abbruch machen – das geht nicht mehr.“ Arbeiten wie diese erforderten gut ausgebildetes und erfahrenes Fachpersonal sowie einen modernen Maschinenpark.
Neben dem Longfrontbagger ist an diesem Vormittag auch ein Kettenbagger auf der Baustelle im Einsatz. Im Vergleich zu den Dimensionen der Ruine wirken die tonnenschweren Maschinen fast zierlich. Doch der Eindruck täuscht: Allein die Anbaugeräte, die am Greifarm der Bagger montiert werden können, sind höher als der Fahrer in der Kabine. Wie bei einem sorgsam einstudierten Ballett gleiten die Bagger auf engem Raum zwischen den Schutthaufen aneinander vorbei. Van-den-Berg-Geschäftsführer Cömertler vergleicht die Abbrucharbeiten mit einem Orchester: „Die verschiedenen Instrumente müssen aufeinander abgestimmt sein und ineinander greifen.“
Baustellen komplett per App geführt
Um die Abläufe zu optimieren, setzt Van den Berg auf Digitalisierung: Die Baustellen des Unternehmens werden komplett per App geführt. Über ihre Diensthandys verfassen die Mitarbeiter beispielsweise Tagesberichte und dokumentieren die einzelnen Arbeitsschritte: „Das erleichtert die Kommunikation enorm“, betont Cömertler.
Mehrere meterhohe Schutthaufen inmitten der Ruine zeugen davon, wie koordiniert die Baggerfahrer vorgehen müssen. Sie brechen die Überreste der Halle nicht einfach ab, sondern schichten Dachpappefetzen, Fragmente von Bimsplatten und andere Baumaterialien sortenrein aufeinander, damit diese im Anschluss ihrer jeweiligen Verwertung zugeführt werden können.
„Der Abbruch wird erst getrennt und dann entweder entsorgt oder wieder aufbereitet. Wir wollen das Maximum an Rohstoffen zurückbekommen“, erklärt Van-den-Berg-Projektleiter Dieter Summa. Somit drückt man die bei dem Abbruch anfallenden Entsorgungskosten und handelt dabei auch noch nachhaltig.
Der Nachhaltigkeitsgedanke war es auch, der Oktay Cömertler erst zum Abbruchunternehmer machte. 2016 gründeten er und sein Geschäftspartner Francis Tonleu, den er als Arbeitskollegen bei einem Düsseldorfer Unternehmen kennengelernt hatte, Van den Berg. Ihr Ziel ist es, aus Bauschutt Rohstoffe zu gewinnen. „Wir kommen ums Recycling nicht herum, weil Rohstoffe endlich sind“, beschreibt Cömertler.
Da sich der Koblenzer nach mehreren Jahren in Düsseldorf nach seiner Heimatregion sehnt, greifen die Geschäftspartner zu, als in Andernach das Gelände eines Recyclinghofs zum Verkauf steht. Die Gründung eines eigenen Unternehmenszweigs für Abbruch im Jahr 2018 ermöglicht es ihnen, Rückbau und Recycling aus einer Hand anzubieten.
Wiederaufbau auf Bodenplatte möglich
Seitdem sind die 27 Mitarbeiter von Van den Berg in einem Umkreis von bis zu 150 Kilometern rund um Andernach im Einsatz. „Die Auftragsbücher sind voll“, erzählt Cömertler. Man suche zusätzliche Mitarbeiter, die das Team verstärken. Neben dem Abbruch von Industriegebäuden widmet man sich auch kleineren Projekten. Gerade für den Abriss von Einfamilienhäusern habe man in Zeiten, in denen Grundstücke teilweise mehr wert sind als die darauf stehenden Häuser, viele Anfragen. Auch Erdarbeiten und Ausschachtungen befinden sich im Portfolio des Unternehmens.
Bis ins Erdreich wird man auf dem ehemaligen Rasselstein-Gelände indes nicht vordringen: Van den Berg hat die Aufgabe, die vom Großbrand zerstörte Halle sowie die Nebengebäude selektiv zurückzubauen. Das heißt, der Abriss erfolgt so, dass im Anschluss auf dem Gelände mit möglichst geringem Aufwand eine neue Gewerbehalle errichtet werden kann. Die Bodenplatte bleibt, Löcher werden mit recyceltem Material verfüllt. Noch funktionstüchtige Hallenträger werden einen Meter über dem Boden gekappt, damit sie später in eine neue Tragkonstruktion integriert werden können.
Mit der Aussicht, einfach nur etwas abzureißen, könne er keinen seiner Mitarbeiter motivieren, ist Cömertler überzeugt. Inmitten der apokalyptisch anmutenden Überreste der ausgebrannten Halle denkt der Van-den-Berg-Geschäftsführer viel lieber daran, was hier entstehen kann, wenn der Rückbau innerhalb von zwölf Wochen abgeschlossen ist: „Es macht Spaß, Platz für etwas Neues zu schaffen.“