Rheinland-Pfalz
Nach Beschluss der Umweltminister zum Schnellabschuss von Wölfen: Land wird Entschluss nicht direkt umsetzen
Wölfe im Wisentgehege Springe
Tierhalter und Landwirte beklagen enorme Schäden durch den Wolf. Mit einem schnelleren Abschuss von problematischen Tieren wollen die Umweltminister von Bund und Ländern dem nun Rechnung tragen. Doch nicht alle machen mit - und nicht alle sind mit der Verständigung zufrieden.
Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa. Julian Stratenschulte/picture al

Die Ankündigung des Mainzer Umweltministeriums, den Beschluss der Umweltministerkonferenz zum schnelleren Abschluss von problematischen Wölfen nicht unmittelbar zu realisieren, dürfte zu neuerlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Mainzer Ampelkoalition führen. Wie das Haus von Ministerin Katrin Eder sein Vorgehen begründet - und wie es nun mit dem Leitwolf des Leuscheider Rudels weitergeht.

Lesezeit 4 Minuten

Das rheinland-pfälzische Umweltministerium wird den Beschluss der Umweltministerkonferenz (UMK) zum schnelleren Abschluss von problematischen Wölfen nicht unmittelbar umsetzen. Und das, obwohl die UMK von Bund und Ländern den Entschluss in der vergangenen Woche einstimmig gefasst hatte. Das Haus von Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) begründet die Entscheidung mit dem geringen Wolfs- und Rissaufkommen in Rheinland-Pfalz. Der Schnellabschuss solle vor allem für Gebiete mit hohem Rissaufkommen gelten. Dies sei besonders in Norddeutschland der Fall. Die Ankündigung dürfte zu weiteren Auseinandersetzungen innerhalb der Mainzer Ampelkoalition führen.

In Rheinland-Pfalz gebe es aktuell lediglich zwei Wolfsrudel und einen einzelnen Wolf, erklärt das Ministerium auf Anfrage unserer Zeitung. Ein Sprecher sagt: „Ein hohes Rissaufkommen bei Weidetieren ist nicht festzustellen. Daher stellt sich die Frage der Umsetzung der möglichen Regelung auch nicht.“ Der Sprecher verweist außerdem darauf, dass in diesem Jahr „sogar ein deutlicher Rückgang der Risse in Rheinland-Pfalz“ zu verzeichnen sei.

Die UMK hatte sich in der vergangenen Woche auf Folgendes geeinigt: Problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, sollen in Deutschland künftig deutlich schneller als bislang getötet werden können. In Gebieten mit einem erhöhten Rissaufkommen soll bereits nach dem ersten Überwinden eines zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren eine Abschussgenehmigung möglich sein. Sie soll für einen Zeitraum von 21 Tagen nach dem Riss gelten, wie es in einer Mitteilung hieß. Die Entnahme soll dabei im Umkreis von bis zu 1000 Metern um die betroffene Weide möglich sein. Die Länder bestimmen, in welchen Gebieten diese Regelung gilt.

Eine wesentliche Änderung: Anders als bisher muss für einen Abschuss keine DNA-Analyse abgewartet werden. Hintergrund ist die gestiegene Zahl von Wolfsübergriffen im vergangenen Jahr auf mehr als 1000 Fälle.

Betroffene Länder wollen Länderverordnungen schnell anpassen

Besonders betroffene Länder wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen wollen mit einheitlichen Länderverordnungen den schnelleren Wolfsabschuss schon zum Start der Weidesaison 2024 möglich machen. In Rheinland-Pfalz gibt es keine Landesverordnung. Maßgeblich ist der Wolfsmanagementplan beziehungsweise der Praxisleitfaden zum Umgang mit den Raubtieren. Das Ministerium erklärt, die neuen Beschlüsse sollten in den Praxisleitfaden eingearbeitet werden. Bei der Vorstellung des überarbeiteten Managementplans im Herbst hatte Eder schnelleren Abschüssen abermals eine klare Absage erteilt.

Der Weg zu einem konfliktarmen Miteinander zwischen Wolf und Mensch wird nicht durch einen Beschluss herbeigeführt. Es ist ein langer Weg gewesen, bis der Wolf wieder ein normaler Teil unserer Biodiversität geworden ist.

Umweltministerin Katrin Eder (Grüne)

In Rheinland-Pfalz will man also weiter auf den präventiven Herdenschutz setzen. Die Umweltministerin sagt, durch den präventiven Herdenschutz sei die Anzahl der Übergriffe um rund 90 Prozent verringert worden. Katrin Eder erklärt zudem auf Anfrage: „Der Weg zu einem konfliktarmen Miteinander zwischen Wolf und Mensch wird nicht durch einen Beschluss herbeigeführt. Es ist ein langer Weg gewesen, bis der Wolf wieder ein normaler Teil unserer Biodiversität geworden ist.“ Insofern sei die UMK-Verständigung ein Schritt, der „zur Versöhnung mit den WeidetierhalterInnen führen kann“.

Für den Wolfsrüden „GW1896m“ und das laufende Prüfverfahren sieht das Umweltressort durch den Beschluss der Fachminister ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Das Ministerium hatte, nachdem der Leitwolf des Leuscheider Rudels einen sicheren Schutzzaun überwunden und mehrere Nutztiere gerissen hatte, ein Prüfverfahren eingeleitet (wir berichteten).

Landesregierung beim Thema Wolf länger uneins

Die Haltung der Umweltministerin dürfte zu neuen Debatten innerhalb der Mainzer Ampel führen. Die Landesregierung ist beim Thema Wolf schon länger uneins, die FDP drängt schon seit geraumer Zeit auf ein schärferes Vorgehen. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Weber, der nebenberuflich Landwirt ist, spricht daher auch von einer begrüßenswerten und „richtigen Entscheidung“ der Umweltminister. Brandenburg und Sachsen hätten bereits angekündigt, den UMK-Beschluss schnell per Verordnung umzusetzen. Weber sagt: „Das muss auch in Rheinland-Pfalz passieren.“ Da die Entscheidung einstimmig gefallen sei, gehe er davon aus, „dass das Umweltministerium von Frau Eder zügig in die Umsetzung einsteigt“. Doch genau das wird nicht passieren.

Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nico Steinbach, nennt den UMK-Entschluss einen Schritt „in die richtige Richtung“: Steinbach verweist auf das Positionspapier der Fraktion, in dem man eine unbürokratische und rechtssichere Regelung zur Wolfsentnahme gefordert habe. Spannend: Auch für Steinbach ergibt sich beim Prüfverfahren zum Abschuss von „GW1896m“ „erstmal keine grundlegend neue Lage“.

Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau: „Völlig unzureichend“

Der Wolfsbeauftragte des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, Matthias Müller, nennt die Verständigung „völlig unzureichend“. Die Weigerung der Minister, zum Herdenschutz auch das aktive Wolfsmanagement einzubinden, „ist verantwortungslos und realitätsfern“, so Müller. Der Wolfsbeauftragte sagt weiter: Eine Koexistenz der „gefährlichen Raubtiere“ mit Menschen, Nutz- und Haustieren in unserer Kulturlandschaft werde nur im Zusammenspiel von Herdenschutzmaßnahmen aller Weidetiere, Populationsregulierung der Wölfe, schneller und konsequenter Entnahme übergriffiger Wölfe „- wenn überhaupt -“ funktionieren.

Von der Umweltministerin erwarte man „endlich ein Umschwenken“. Für einen möglichen Abschuss von „GW1896m“ müsse die Freigabe zur Entnahme „umgehend erfolgen“.

Top-News aus der Region