Leverkusen/Frankfurt. Ausziehen, um ins Fußballstadion zu kommen? Nach dem Spiel von Eintracht Frankfurt bei Bayer Leverkusen üben Frankfurter Fans und ein grüner Bundestagsabgeordneter heftige Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen. Frauen hätten sich bis auf die Unterhose entblößen müssen. Leverkusens Kommunikationsvorstand Meinolf Sprink erklärt, ihm seien solche Fälle nicht bekannt. Der Fund von Pyrotechnik vor dem Stadion nach dem Spiel habe aber bestätigt, dass verschärfte Kontrollen richtig waren.
Spring spricht von „sehr stichhaltigen Hinweisen“, dass Frankfurter Fans im größeren Stil den Einsatz von Pyrotechnik im Stadion geplant hätten. Auslöser war dafür nach seinen Angaben der besorgte Anruf eines Vaters aus Frankfurt. Der Mann habe in E-Mails seinen Sohnes gelesen, dass weibliche Frankfurter Fans in größerem Stil Feuerwerksutensilien ins Stadion schmuggeln wollten.
Das Ergebnis: Als die ersten Frankfurter Fans mit Bussen um kurz vor 18 Uhr eintrafen, informierte die Frankfurter Fanbetreuung sie, dass Frauen damit rechnen müssen, sich teilweise auszuziehen. Diese Information habe man Leverkusener Seite bekommen und die Frauen vor dem Betreten des Kontrollbereichs vor die Wahl stellen wollen, sich das anzutun. Dort stand dann auch ein Zelt, durch das weibliche Fans gehen mussten.
Während der Frankfurter Fanbetreuung zahlreiche Berichte von weiblichen Fans vorliegen, dass sie dort ihren BH und ihren Slip freimachen mussten, weist Leverkusens Sprecher Sprink das zurück: „Man muss sehr vorsichtig sein mit dem, was im Internet abgeht. Mir ist das nicht bekannt, und der Leiter des Ordnungsdienstes sagt, das habe es nicht gegeben.“ Sprink selbst saß vor dem Spiel mit anderen Vorstandsmitgliedern und dem Eintracht-Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen beim Essen.
Für ihn steht aber fest: „Der Umstand, dass im Stadion nichts passiert ist und unbeteiligte Fans nicht der großen Gefahr durch Pyrotechnik ausgesetzt wurden, zeigt doch, dass einiges im Zusammenspiel von verschiedenen Kräften richtig gemacht wurde.“ Auch der Fund der Pyrotechnik nach dem Spiel – zu Art und Zahl konnte er keine Angaben machen – bestätige auch, dass der Verdacht bei den mehrfach entsprechend aufgefallenen Frankfurter Fans gerechtfertigt gewesen sei. Zudem sei der Hinweis des Vaters mit den szenekundigen Beamten der Frankfurter Polizei besprochen worden, die den Hinweis auch ernst genommen hätten.
Einen Eingriff in Bürgerrechte kann er nicht sehen: „Wenn Sie in ein Flugzeug steigen, müssen Sie sich auch kontrollieren lassen.“
Der Frankfurter Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour kritisierte in einer Pressemitteilung die „unwürdigen Körperdurchsuchungen“ und forderte eine Entschuldigung aus Leverkusen. Er greift auch Darstellungen von Eintracht-Seiten im Internet auf, wonach sogar Kinder die Prozedur über sich ergehen lassen mussten. Nouripour erhebt auch Vorwürfe gegen die Polizei. Die Kontrollen im Zelt wurden aber offenbar von Leverkusener Ordnerinnen durchgeführt. Sprink zur Kritik des Abgeordneten: „War er dort? Wenn nicht, kann ich nur sagen: Gut gebrüllt, Löwe!“
Die Frankfurter Fanbetreuung will den Fall nach Angaben des Eintracht-Fanbeauftragten Marc Francis nicht auf sich beruhen lassen. Der Fall werde aufgearbeitet und mit dem Vorstand besprochen, auf welche Weise reagiert wird. Dass reagiert werde, sei aber klar. Francis kritisiert: „Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit und des Nutzens. Wir sprechen von einem Fußballspiel.“ Geeignet sei die Maßnahme in jedem Fall nicht gewesen, schließlich seien nur die Frauen in dieser besonderen Weise kontrolliert worden. Außer dem Abtasten hatten männliche Fans lediglich zum Teil ihre Schuhe ausziehen müssen.
Francis liegt auch der Bericht einer 50-jährigen Frau vor, die die Untersuchung verweigerte und der dann der Stadionzutritt untersagt wurde. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau haben zwei Fans Strafanzeige gegen Ordnerinnen erstattet, weil die ihnen in die Unterwäsche gegiffen hätten.
Ein Teil der Frankfurter Fans ließ es erst gar nicht darauf ankommen: Etwa ein Drittel der gut 2000 angereisten Frankfurter blieb nach Angaben der Fanbetreuung aus Protest vor dem Stadion, bis nach Verhandlungen, in die sich nach Frankfurter Angaben auch die Leverkusener Fanbetreuung eingeschaltet hat, nach etwa 30 Minuten der Zeltabbau begann und die Fans mit den üblichen Kontrollen ins Stadion kamen.
Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis hatte in einem Urteil 2007 (pdf) eine mit Entkleiden verbundene Durchsuchungsaktion von Fans von Dynamo Dresden bei einem Spiel in Saarbrücken für rechtswidrig erklärt. Eine 16-Jährige hatte geklagt. Das Gericht hatte solche Durchsuchungen – dort hatten weibliche Fans auch ihren Intimbereich freilegen müssen – zwar für grundsätzlich zulässig erklärt. Im konkreten Fall sei aber die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben gewesen. Es sei klar gewesen, dass überwiegend „harmlose“ Besucherinnen durchsucht werden, so das Gericht. Es habe ein Konzept gefehlt, um die die unnötige Untersuchung Unverdächtiger auf ein Minimum zu reduzieren.
Lars Wienand