Der ehemalige Forstrevierleiter aus Herschbach ist Überzeugungstäter und hat trotz seines beruflichen Ruhestandes noch nicht vor, „Däumchen zu drehen“, sondern möchte in beratender Funktion praxisnah unterstützen, wenn es um Artenschutz in der VG geht.
Offiziell von Verbandsgemeinde beauftragt
Der Hauptausschuss der Verbandsgemeinde Selters hatte im April beschlossen, eine neue Personalstelle für einen ehrenamtlichen Umweltbeauftragten zu etablieren. „Aufgrund seiner profunden Kenntnis der heimischen Fauna und Flora und seines Fachwissens, ist Joachim Kuchinke als Umweltbeauftragter prädestiniert. Der globale Klimawandel und dessen Folgen sind eine der größten und elementarsten Herausforderungen unserer Zeit. Die Auswirkungen sind mittlerweile auch in der VG Selters spür- und messbar“, sagte Bürgermeister Oliver Götsch und zeigte sich erfreut, mit Kuchinke einen kompetenten Fachmann gewonnen zu haben.
Der erfahrene Forstmann, der seit 1982 beruflich und ehrenamtlich im Einsatz für die Natur unterwegs ist, besetzt auch die leitende Position der Naturschutzgruppe im Kur- und Verkehrsverein Herschbach, dessen Vorsitzender er ist. Außerdem wirkt er in verschiedeneren Monitorringprogrammen mit, unter anderem zur Wasservogelzählung und Vogelkartierungen, und ist Sachverständiger im geografischen Raum Westerwald tätig.
Biodiversität ist ein Thema
„Biodiversität wird immer wichtiger“, so Kuchinke. „Es gibt viele Gründe, die Vielfalt der Erde zu schützen, denn die Vielfalt der Natur ist die Grundlage für alles Leben und für die globale wirtschaftliche Entwicklung.“ Der Umweltbeauftragte führt bekannte Fakten zu den bedrohlichen Entwicklungen der biologischen Vielfalt an, wie sie sich derzeit nicht nur bei uns, sondern weltweit, beispielsweise bei den unzählig sterbenden Bienenvölkern, abzeichne. „Bienen bestäuben bei uns über 90 Obst- und Gemüsesorten. Ein Aussterben der Bienen bringt die Lebensmittelversorgung der Menschen in Gefahr.“
Es gebe so viel zu tun, dass seine Hauptaufgabe zunächst in der Information liege, die er vor Ort, aber überwiegend über das Gemeindeblättchen der VG den Bürgern kundtun möchte.Ein großer Teil der Arbeit führe ihn zuallererst als Berater in die VG- und Stadt- und Ortsgemeindeverwaltungen. Hier seien Baubehörde, Wasser- und Abwasserwerke wichtige Ansprechpartner für mögliche Maßnahmen im Umgang mit Wasser und umweltverträglicher Infrastruktur. Die Entwicklung einer Biodiversitätsstrategie für die Gemeinde, aber auch der Dialog mit den Naturschutzvereinen, die dann an die Bevölkerung übermitteln könnten, stehe im Fokus – und schließlich solle die Arbeit dann doch nicht gänzlich zum Fulltime-Job werden, so der Ruheständler.
Besser Mähen als Mulchen
Ein Augenmerk richte er auf den vermehrten Einsatz der Mahd von Graswegen, Böschungen und Wegrändern, anstelle des üblicherweise eingesetzten Mulchens, um Nährstoffeinträge zu reduzieren. Beim Mulchen würden die Streifen und Flächen mit Nährstoffen zu stark angereichert, und die Flächen überdüngt, auf denen heimische Kräuter, die magere Böden bevorzugten, dann keine Grundlage fänden.
Typische Kräuter an Wegrändern: wilde Möhre und Co. - Lässt man sie stehen, freuen sich Wildbienen, kleine Käfer und Fliegen über den späten Blüher im Jahr.
Es werde keine leichte Aufgabe, sagt der 67-Jährige vorausblickend. Gerne wolle er eine höhere Sensibilität der Menschen für Arten- und Naturschutz erreichen. Dazu zählen auch städtische- und Siedlungsgebiete wie die Stadt Selters, in denen beispielsweise Teiche und kleine Gewässer im Sommer Kühle abstrahlen können, führt Kuchinke aus. Für einen Gartenteich benötige es keine Fische und es müssten gar nicht viele teure oder aufwendige Pflanzen gekauft werden, vieles entwickele sich von selbst. So sammele sich einiges an Molchen, Fröschen, Wasserläufern und Spinnen im Randbereich an, wie auch Käfer und Libellen, die ihre Eier dort ablegen.
Die Natur in die Gärten einladen
Um dem Artenrückgang in der Agrarlandschaft aufgrund intensivierter Landwirtschaft zu begegnen, könnten auch die Bewohner der VG mithelfen, mit naturnahen Gärten Ausgleich zu schaffen. Jeder könne seinen Garten in vielfältiger Weise so gestalten, dass es dem Ökosystem und den Arten zugutekommen könne, so Kuchinke. Unter der Vielzahl möglicher Maßnahmen böte die Auswahl standortgerechter, heimischer Laubbäume und Hecken – Obstbäume statt Thuja – eine Option, wenn Pflanzungen geplant sind, denn die Insekten könnten mit Neophyten bei ihrer Nahrungssuche nichts anfangen. Rasenflächen nicht oder nur teils zu mähen böte Insekten zudem Nahrung und Schutz. Außerdem könne im Herbst guten Gewissens mehr Laubstreu zum Schutz des Bodens liegen gelassen werden.
Joachim Kuchinke steht mit viel Leidenschaft hinter seiner umfangreichen Aufgabe. Ausschreibungen, schöne Naturgärten zu prämieren und letztlich Anreize für Gartenbesitzer schaffen, wären möglicherweise eine Alternative gegenüber gesetzlichen Vorgaben, überlegt der Experte laut. Sein Motto lautet „Biodiversität kennen, pflegen, erhalten“. Seine Begründung: „Wir wollen ja den nachfolgenden Generationen auch Natur anbieten können.“
Praxistaugliche Ideen für den Garten
Viele Ideen haben Joachim Kuchinke und seine Frau Käthe bereits im eigenen Garten umgesetzt – etwa einen Teich, an dessen der ein oder andere Frosch quakend die Aufmerksamkeit eines Weibchens fordert oder Libellen Haken schlagen. Auch hat das Ehepaar beispielsweise Rundhölzer, die einige Beete begrenzen, mit Löchern versehen, die Bienen zur Eiablage einladen sollen. Ungefüllte Rosensorten als rankende Zäune, Vogelnistkästen für verschiedene Vogelarten hängen an unterschiedlichsten Orten im Garten. Und für Insektenhotels scheint es keine Grenzen an Kreativität zu geben, wenn einiges beachtet wird und fertigungsbedingte Kanten und Strukturen, die die Insekten verletzen könnten, vermieden werden.