Präventionsmaßnahme in Höhr-Grenzhausen arbeitet gegen die Demenz
Märchen machen auch Senioren Freude: Projekt gegen das Vergessen und Demenz in Höhr-Grenzhausen
Märchen
Mimik und Gestik erzeugen Bilder. Schauspieler und Sprecher Phillip Sponbiel demonstriert die vielfältigen Möglichkeiten, in kleine Rollen zu schlüpfen.
Piehler Birgit. Birgit Piehler

Gebannt lauschen die Senioren im Höhr-Grenzhäuser AWO-Wohnheim der Darbietung des Mannes, der in seinem goldglänzenden, magisch anmutenden Mantel den Bewohnern des Hauses ausdrucksvoll das Märchen von Schneewittchen erzählt. Phillip Sponbiel ist Schauspieler und leidenschaftlicher Märchenerzähler, und er möchte die Freude am Märchenerzählen in Seminaren an Betreuer und Pflegepersonal weitergeben.

Phillip Sponbiel gibt Feedback, wenn die Seminarteilnehmer mit ihren neu erworbenen Kenntnissen selbst Märchen vorlesen.

Birgit Piehler

Dem zugrunde liegt die Leidenschaft des Schauspielers für Märchen, aber auch die von der AOK Rheinland-Pfalz und Saarland geförderte Präventionsmaßnahme „Es war einmal ... – Märchen und Demenz“ vom Kompetenzzentrum Märchenland für Prävention und Gesundheitsförderung. „Es ist die Liebe zu den Märchen“, berichtet Sponbiel, „es steckt ein großer Reichtum an Symbolsprache und philosophischem Hintergrund in ihnen.“ Erst recht, wenn man sich als Schauspieler früher oder später mit Psychologie beschäftige. So kam eines zum anderen. Über einen Kollegen hat der 44-jährige Kölner, der in Berlin lebt und gerne im Rheinland arbeitet, Kontakt zum Projekt bekommen.

Märchen
Mimik und Gestik erzeugen Bilder. Schauspieler und Sprecher Phillip Sponbiel demonstriert die vielfältigen Möglichkeiten, in kleine Rollen zu schlüpfen.
Piehler Birgit. Birgit Piehler

Für die Senioren bedeutet die Beschäftigung mit den Märchen, einen Zugang zu ihrem Langzeitgedächtnis zu finden und längst vergrabene, doch nachhaltige und intensive Erinnerungen wiederzufinden. Die eigene Fantasie, die kaum mehr benutzt werde, erfahre eine Reaktivierung, so Sponbiel. Das sei an der Freude, Offenheit, Konzentrationsfähigkeit, ja so gar am körperlichen Aufrichten zu merken, wenn die Senioren in der Märchenstunde waren. Schöne Erlebnisse verbessern nachweislich die Vitalwerte.

Das Projekt beinhaltet mehr als nur vier Nachmittage Märchenstunde

Außer den vier Märchennachmittagen beinhaltet das Projekt weitere Bausteine, als da wären acht weitere Märchen auf DVDs, eine Reihe an Materialien, mit denen sich die Bewohner unter Einsatz aller Sinne mit dem Thema Märchen beschäftigen können, sowie das Angebot einer Schulung für Pflege- und Betreuungskräfte, sich zu Märchenvorlesern fortbilden zu lassen.

Dafür kam Phillip Sponbiel, der speziell für das Märchenerzählen bei Demenzerkrankten ausgebildet ist, nun erneut in das Höhr-Grenzhäuser Seniorenheim und arbeitete an zwei Seminartagen intensiv mit den Interessierten. Nach dieser Schulung sind die Teilnehmer zertifizierte Märchenvorleser und können die Märchenstunden in Eigenregie weiterführen. Umrahmt wird das Projekt von einer Reihe vorbereitender Informationen und einer Evaluation.

Lächeln Sie, wenn Sie schlechte Laune haben.

Schauspieler Phillip Sponbiel übermittelt Strategien für den Alltag

Die neun Teilnehmerinnen in Höhr-Grenzhausen sind von dem, was ihnen Sponbiel eröffnet, sehr eingenommen. Jede darf sich ausprobieren, ohne dass Druck herrscht, alles ist freiwillig, und, so Sponbiel: „Machen Sie es für sich selbst! Haben Sie keine Angst vor dem Scheitern“, es werde lustig und gebe viel zu entdecken, ermutigt er. „Lächeln Sie, wenn Sie schlechte Laune haben, das setzt Hormone frei.“ Gesprochen wurde über Gesichtsausdruck, Sprachrhythmus, Sprechtempo, Selbstkontrolle, Akzentuierung und vieles mehr.

Den an der Theaterakademie Köln ausgebildeten Schauspieler und Sprecher im Seminar zu erleben, ist für die Laien bereits eine Bereicherung und motiviert zum Nachmachen. „Es geht darum, den Inhalt zu leben.“ Sponbiel erklärt den Teilnehmern, dass man weder allein mit Stilmitteln oder üppigen Bewegungen noch mit überzogener Stimme arbeite. Es komme vielmehr darauf an, sich das Vorgelesene vorzustellen, die Gefühle der Hauptfiguren des Märchens zu den eigenen zu machen und sie den Zuhörern mit der Stimme zu übermitteln, erklärt er. „Die Stimme folgt dem Gefühl“.

Märchen
Mimik und Gestik erzeugen Bilder. Schauspieler und Sprecher Phillip Sponbiel demonstriert die vielfältigen Möglichkeiten, in kleine Rollen zu schlüpfen.
Piehler Birgit. Birgit Piehler

Zwei Drittel des Vortragens gingen über die Körpersprache. Dabei helfe der übergezogene Märchenmantel, die richtige Körperhaltung einzunehmen und Aufmerksamkeit zu bekommen. Es genügten oft wenige und langsame Bewegungen, um viel Ausdruck zu vermitteln. Ziel sei es, die Menschen auf der emotionalen Ebene zu berühren. Und das war an den Märchennachmittagen im Höhr-Grenzhäuser Seniorenheim zu spüren.

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