Musikalische Lesung zum 100. Todestag Franz Kafkas in Höhr-Grenzhausen
Der Mensch macht sich gern zum Affen, wenn es um die Wahrheit geht
Kafka Abend
Charles Herrig und Thomas Schweikert standen den Abend in der sommerlich schwülen Hitze mit Bravour durch. Foto: Birgit Piehler
Birgit Piehler

Dass die Erkenntnisse bekannter Autoren oft auch nach ihrem Tod nicht an Aktualität verloren haben, das bewies der musikalische Leseabend zu einem Kafka-Text, anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka – vorgetragen von dem promovierten Theaterpädagogen und Oberstudienrat Thomas Schweikert in Begleitung von Musiker und Komponist Charles Herrig am Saxofon.

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„Ich wär' so gern wie Du-hu-hu“: Wer von den Zuschauern sich von der bekannten, immer wieder Spaß und Bewegung auslösenden Melodie aus Disneys „Dschungelbuch“ betören lässt, erfährt im Laufe des Abends eine gewisse Ernüchterung. Gleich zu Beginn der Lesung werden die etwa 150 Besuchern der von der Kulturplattform „Denkbares“ veranstalteten Lesung Zeugen einer Verwandlung des Menschen zum Affen.

Text ist pädagogische Satire

Vom „Affentum“ ist alsbald die Rede, und so langsam schwant den Zuschauern, die sich trotz der drückenden Hitze in den Veranstaltungssaal des frisch eröffneten Jugend- und Kulturzentrums „Zweite Heimat“ in Höhr-Grenzhausen, dass es alsbald auch geistig ein wenig drückender wird. Doch die Art – das langsame Tempo, die im Ton unterschwellig mitgehende Bissigkeit –, mit der Thomas Schweikert den Text aus Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ vorträgt, gibt dem Publikum die Möglichkeit, die Verwandlung mitzuvollziehen und den Weg mitzugehen, auf dem die Geschichte der Menschwerdung eines Affen und der Betrachtungsweise, welche tierischen Aspekte sich im Menschen verbergen, in den folgenden knapp 90 Minuten balancieren. „Ich darf meine Hose ausziehen, wo es mir gefällt“, so eine Anspielung auf Manieren von Menschen. Kafkas kurze Erzählung von 1917 ist eine pädagogische Satire, die das Animalische in den Menschen spiegelt, bei der Kafka nicht nur die Funktion von Bildung infrage stellt. Kafka lässt nicht viel Gutes am Menschen.

Das kleine Ensemble der musikalischen Lesung: Charles Herrig und Thomas Schweikert.
Birgit Piehler

Ist der Affe am Ende nicht freier als der Mensch mit seinem Gebaren, sich selbst zu optimieren? Wo also ist der Unterschied? Das bleibt am Ende offen und hinterlässt beim wiederholten Einspielen des Dschungelbuchsongs bei den Zuhörern außer Begeisterung auch eine Prise Nachdenklichkeit. Erzähler Schweikert bewies trotz seines Handicaps Durchhaltevermögen, als er mit geschminktem Gesicht die Vorstellung durchhielt.

Kurzzeitig akustische Probleme

Denn zuvor hatte der Transport des Rollstuhls auf die Bühne einen kleinen Defekt verursacht, wodurch die Akustik kurz eingeschränkt war, bis die Reparaturbemühungen des Zweite-Heimat-Teams fruchteten, weshalb Martin Ramb von „Denkbares“ sich nicht in jeder Hinsicht zufrieden äußerte. Doch sei die Vorstellung, das fand auch er, durchaus gelungen.

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