26 Augenpaare blicken aus interessierter Runde erwartungsvoll auf die Bilder, die Andreas Haberzettel, Herdenmanager für die Weidetiere auf halboffenen Weideflächen des Nabu in Rheinland-Pfalz, über den Beamer an die Leinwand wirft. Es geht um den Kuhfladen. Ja, richtig gelesen. Im Kuhdung tut sich was. Und zwar eine Menge. Vor allem bei Rindern, die in der naturnahen Haltung der halboffenen Weidelandschaft gehalten werden.
Vier Flächen halboffener Weidelandschaft zwischen 15 und 135 Hektar Größe unterhält der Nabu in RLP, auf denen Großvieh für die Erhaltung wertvoller Lebensräume sorgt, die sich häufig aufgrund einer zuvor anderweitigen Nutzung der Gelände gebildet haben. Die größte und in der Region bekannteste Fläche ist die Schmidtenhöhe als ehemaliges Übungsgelände der Bundeswehr, deren Tierbesatz durch die gemeinnützige Nabu Agrar Umwelt GmbH vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) betreut wird.
Weidetiere sorgen für Gleichgewicht im Weidegebiet
In den durch die Schwerfahrzeuge seinerzeit verdichteten Böden hat sich eine Anzahl an Mulden, Spurrinnen und Vertiefungen durch schwere Fahrzeuge gebildet, die zu kleinen Refugien für Amphibien geworden sind. Rings herum existiert die Weidelandschaft als Lebensraum mit hoher Vielfalt an Amphibien-, Vogel- und Insektenarten. Auf den pflanzenreichen Magerwiesen finden Weidetiere eine große Anzahl an Gräsern. Gerechnet wird hier in Großvieheinheiten von 0,5 Hektar pro Tier. In diesem Verhältnis sollen die Tiere für ein gesundes Gleichgewicht im Rahmen der Naturschutzfunktion zwischen Landschaft und Fauna sorgen. Heck-Rinder, Wasserbüffel und Konik-Ponys, teils auch Schafe, sorgen für die Erhaltung der Rohbödenund halten das Buschwerk außerhalb des angrenzenden Waldes klein.
„Die Flächen der halboffenen Weidelandschaften sind nicht gedüngt“, berichtet Bernhard Kloft, der das Beweidungsprojekt in Holler mitbetreut. „Sie wurden landwirtschaftlich nie genutzt und wären schwierig zu bewirtschaften. Für die Weidetiere bieten sie Unterschlupf, Wasser und Nahrung das ganze Jahr über.“ In Ausnahmefällen müsse allerdings im Winter mit auf dem Gelände erzeugten Heu oder Stroh hinzugefüttert werden, ergänzt Petra Lübbert, Tierpflegerin im Beweidungsprojekt Schmidtenhöhe und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Agrar-Umwelt Gesellschaft. In besonders trockenen Sommern müsse auch Wasser herbeigeschafft werden.

Bernhard Kloft, Mitreferent des Vortrages „Insel des Lebens / Leben im Misthaufen“ im Hollerer Naturschutzzentrum, erklärt: Nicht zu viel Biomasse in den natürlichen Kreislauf zu bringen – darum gehe es. „Die Tiere gestalten durch die Beweidung das Biotop und sie drängen den Holzbewuchs zurück“, sagt der hauptberufliche Förster.
Mit ihrem Tritt, ihrem Scharren und Wälzen sorgen sie für die Entstehung und Erhaltung offener Böden und der Tümpel, die in den Suhlen entstehen. Damit gewährleisten sie den Erhalt der Artenvielfalt auf den Weiden, die sich sonst aus verbuschtem Gelände zurückziehen würde. – Und: Die Tiere liefern den Dung, auf dem sich eine Vielfalt an Insekten tummelt und vermehrt. Die Hinterlassenschaften des Großviehs sind also selbst kleine Biotope.
„Die Tiere gestalten durch die Beweidung das Biotop“
Revierförster und Biotopbetreuer Bernhard Kloft
Hier schließe ein wichtiger Aspekt an, so Kloft: Wenn Rinder auf den Weiden nicht chemisch entwurmt werden, wie bei der Intensiv-Weidehaltung, dann profitiere die Insektenwelt, und obendrein verringerten sich die Einträge von Chemikalien in den Boden. Hier habe behördlich erst einmal Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, denn auch die frei laufenden Tiere obliegen gemäß gesetzlicher Grundlagen regelmäßiger veterinärmedizinischer Kontrolle. Nur noch vereinzelt entwurme man Tiere in den Beweidungsprojekten – wenn sie gesundheitlich schwach seien. Nach etwa drei Jahren, so habe man festgestellt, entwickelten die Tiere dann auch ihre eigenen Resistenzen gegen die Würmer. Zudem hätten sie sich körperlich zunehmend gut entwickelt, ergänzt Kloft zufrieden.

Das Leben im Kuhfladen
In den verschiedenen Stadien, in denen der frische Kothaufen der Rinder zu einer vertrockneten Platte wird und schließlich gänzlich verfällt, bauen dort Dungkäfer fleißig Röhren für ihre Eiablage unter dem Fladen. Auch Fliegen legen ihre Eier gerne in den Fladen ab. Tausendfüßer, Asseln, Milben, Springschwänze und Regenwürmer freuen sich ebenfalls auf ein Plätzchen auf der Hinterlassenschaft, wobei jede der Arten sich eines Nährstoffes annimmt, auf das sie spezialisiert ist. Sie verdaut ihn und wandelt den Mist in Erde um. Doch damit nicht genug. An der Betriebsamkeit im Haufen erfreuen sich weiterhin Vögel wie Stare und Schwalben und andere Insektenjäger, wie Reptilien, Igel oder Fledermäuse – so lange, bis der Dung schließlich weitgehend rückstandslos verdaut ist.