Verein fürchtet durch neue Straßen große Nachteile für die Natur
B255 bei Langenhahn: Naturschutzinitiative ist für Mautpflicht statt Umgehungen
Das Vogelschutzgebiet Westerwald bei Langenhahn/Bellingen wäre von einer möglichen Planung für eine Umgehung betroffen.
Harry Neumann, Naturschutzinitiative. Harry Neumann, Naturschutzinitia

Langenhahn/Rothenbach. Auf Ebene der VG Westerburg könnte alsbald eine Interessengemeinschaft gegründet werden, die den Bau von Umgehungsstraßen für die Gemeinden Rothenbach und Langenhahn an der B255 vorantreiben soll (wir berichteten). Dazu hat der Verein Naturschutzinitiative (NI) jetzt Stellung genommen:

Aktualisiert am 21. Februar 2024 16:07 Uhr

Das Vogelschutzgebiet Westerwald bei Langenhahn/Bellingen wäre von einer möglichen Planung für eine Umgehung betroffen.
Harry Neumann, Naturschutzinitiative. Harry Neumann, Naturschutzinitia

„Die NI hat Verständnis für das Anliegen der Anrainer, es sollte aber nach anderen und vor allem naturverträglichen Lösungen gesucht werden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Bereits Ende der 1980er-Jahre seien Überlegungen zu diesen Straßen angestellt worden. „Aufgrund der der NI vorliegenden Untersuchungsergebnisse [...] wurden diese Planungen jedoch nicht realisiert, da die Umgehungen den wohl größten Eingriff entlang der gesamten B255 dargestellt hätten.“

Der Bau wäre laut NI mit großen Geländeeinschnitten und mit einem hohen Flächenbedarf in einer naturschutzfachlich bedeutsamen Umgebung verbunden. So würden die geplanten Umgehungen sehr viel für den Naturschutz bedeutsames Grünland durchschneiden. Dieses sei aufgrund seiner intakten Vegetation gesetzlich geschützt. Viele Landwirte unterstützten den Erhalt dieser Flächen.

Hinzu kommt, dass das Gebiet Teil des Wanderkorridors für Arten des Waldes und Halboffenlandes des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz (LfU) ist. Insbesondere für die europäische Wildkatze als Leitart stellt die Zerschneidung ihrer Wanderkorridore und Lebensräume eine große Bedrohung dar.

Wildkatzenexpertin Gabriele Neumann

Zudem würde die Planung zur Zerschneidung eines europäisch geschützten FFH- und Vogelschutzgebietes führen, schreibt die NI. Die Querung der Bachmulde in Richtung Obersayn tangiere ein ehemaliges Bekassinen-Brutgebiet, das heute ein Nahrungsgebiet und eine Flugroute des bislang einzigen Weißstorch-Brutpaares im Westerwald sei. Weiterhin seien bedeutende Vogel- und Amphibienlebensräume betroffen.

„Hinzu kommt, dass das Gebiet Teil des Wanderkorridors für Arten des Waldes und Halboffenlandes des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz (LfU) ist. Insbesondere für die europäische Wildkatze als Leitart stellt die Zerschneidung ihrer Wanderkorridore und Lebensräume eine große Bedrohung dar“, betont Wildkatzenexpertin Gabriele Neumann.

Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums sei aufgrund dieser wohl nicht überwindbaren Probleme auch eine Ostvariante geprüft worden, die ebenfalls große Beeinträchtigungen mit sich gebracht hätte. Es sei richtig gewesen, diese Planungen nicht weiter zu verfolgen. Hieran habe sich nichts geändert. Auf diese Weise eine Art „Westerwaldautobahn light“ zu bauen, lehnt die NI ab.

„Der Schaden einer Umgehungsstraße ist deshalb deutlich mehr als nur die überbaute Fläche.“

Diplom-Biologe Immo Vollmer

Diplom-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI, weist auf die generell sehr hohen Umweltschäden von Ortsumgehungen hin. In der Natur dieser Straßenführungen liege es, dass sie Landschaftsausschnitte aus einem zuvor weitgehend unzerschnittenen Raum zu der Siedlung hin abtrennten. Durch die zusätzliche Barrierewirkung einer Straße seien bestimmte Flächen für anspruchsvolle Tierarten nicht mehr nutzbar.

Im Anschluss an die Realisierung von Ortsumgehungen würden zudem häufig Ortsrandentwicklungen in Form von Siedlungs- und Gewerbeflächen erfolgen, die aufgrund der dann entwerteten („vorbelasteten“) Natur leichter durchzuführen seien. „Der Schaden einer Umgehungsstraße ist deshalb deutlich mehr als nur die überbaute Fläche“, so Vollmer. Mit Blick auf den stark zunehmenden Lkw-Verkehr regt die NI an, dass die B255 in einem ersten Schritt mautpflichtig werden sollte. Sollte dies nicht zu der gewünschten Entlastung führen, könne in einem zweiten Schritt über eine Sperrung für den Schwerlastverkehr nachgedacht werden.

Weitere Lösungen sind laut Diplom-Biologe Konstantin Müller (stellvertretender NI-Vorsitzender) in einem überregionalen Konzept zu suchen. Die ständige weitere Zerstörung von Lebensräumen für Mensch und Tier müsse endlich aufhören. „Wir regen daher dringend an, diese Planung erst gar nicht zu beginnen“, so Müller.