Schockanrufe und Betrügereien
Aufmerksame Seniorin schlägt Schockanrufern Schnippchen
Ganz schnell geht es, dass man in Panik gerät und falsch handelt, wenn ein Schockanruf kommt.
Birgit Piehler

Jeder kann Betrugsopfer werden, besonders im Fokus stehen ältere Personen. Wie sich durch Aufmerksamkeit Unheil abwenden lässt und wie eine Initiative der Kreisverwaltung in Zusammenarbeit mit Polizei und Ehrenämtlern unterstützt, ist hier zu lesen.

Hilde Kaiser aus Staudt lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Schon zum zweiten Mal in zwei Jahren bekam die 82-Jährige einen sogenannten Schockanruf und hat nach kurzem Zögern energisch reagiert, womit sie die betrügerische Absicht der Anrufer nach deren kurzem Versuch, nachdrücklicher zu werden, vereitelt hat. Dabei ist Hilde Kaiser ein durchaus zugewandter Mensch. Die ehemalige Gastwirtin geht gerne mit Menschen um, wen sie zu einem Tässchen Kaffee überreden kann, wenn er schon da ist, den lädt sie gerne ein.

Was sie nicht mit sich machen lässt: Sich übers Ohr hauen lassen! „Wir sprechen Platt hier in Wirges“, so erklärt die noch rüstige Seniorin vorab. Vor einigen Tagen hatte eine Frau bei ihr angerufen und am Telefon aufgeregt gesagt: „Mama, ich hatte einen Unfall, Du musst mir helfen“, sie sei bei der Polizei, hieß es. Es ging um eine Kaution, die zu zahlen sei.

Die Polizei kann ja auch nicht überall sein.“
Ehrenamtlicher Sicherheitsberater Kurt Bücher über die Motivation für seinen Einsatz.

Als Hilde Kaiser bat, mit dem Polizeibeamten sprechen zu dürfen, übernahm tatsächlich ein Mann das Gespräch. Ihren Namen und Adressdaten schien der Anrufer zu kennen, so die Seniorin, doch habe sie schnell gemerkt, dass etwas nicht stimme und als sie resolut nach dem Namen der Tochter fragte und warum diese plötzlich Hochdeutsch mit ihr „schwätze“, legte der Anrufer sofort auf, und Hilde Kaiser informierte die Polizei, die ihr berichtete, dass dieser Tage schon etwa 40 Meldungen dieser Art bei ihr eingegangen seien.

Wie die Pressestelle der Polizei in Koblenz bestätigte, gebe es nach wie vor viele solcher Anrufe, doch sei es schwierig, darüber konkrete Zahlen zu benennen. In diesem Jahr sei es noch zu früh für eine Statistik und zudem würden viele Versuche nicht gemeldet, da eine zunehmende Zahl von Angerufenen inzwischen besser vorbereitet sei und nicht auf Forderungen eingehe – was eine positive Entwicklung sei. Und schließlich gelten solche Anrufe, die nachweislich aus ausländischen Callcentern kämen, als Auslandsdelikte und tauchten in dieser Statistik nicht auf.

Kurt Bücher hält für seine Präventions-Vorträge eine übersichtliche und grafisch unterhaltsam unterlegte Powerpoint-Präsentation bereit.
Birgit Piehler

Auf die Stimme des Anrufers oder auf den Dialekt zu achten, sei auf jeden Fall hilfreich, sagt Kurt Bücher, 75 Jahre. Er ist einer der Ehrenamtler, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Mitbürger vor solch möglichen Angriffen zu bewahren. Er habe verfolgt, so Bücher, dass jede Woche auch in Limburg solche Fälle gemeldet würden. „Immer wieder übergeben Senioren große Mengen Geld oder Wertsachen an Betrüger.“ So sei er einer Anzeige der Kreisverwaltung gefolgt, in der nach ehrenamtlichen Mitarbeitern gesucht wurde, die in Zusammenarbeit mit Kreisverwaltung und Polizei in Vorträgen übermitteln, wie man sich schützen kann.

Dabei stelle er die Vielfalt an möglichen Betrugsversuchen dar und wie man sich am besten verhalte, um nicht „über den Tisch gezogen“ zu werden. Dafür wurde er „drei anstrengende Tage lang“ wie Bücher berichtet, von der Polizei intensiv geschult und macht sich seitdem auf den Weg, in Ortsgemeinden, aber auch bei selbst organisierten Bürger- oder Vereinsrunden darüber zu berichten, teils werde es begeistert angenommen.

Erst einmal tief Luft holen

Bücher, als pensionierter Lehrer ganz in seinem Element, hat eine anschauliche Powerpoint-Präsentation zusammengestellt, die seinen Vortrag begleitet und bittet um Mitarbeit. Wenn Betroffene sich trauen, zu erzählen, so sorgt das im Publikum für Erschrecken und zeige, dass es Realität ist. Wichtig ist dem Ehrenamtler, zu zeigen, dass es menschlich ist, wenn man auf Schockanrufe falsch reagiere. Durch den Schreck werden Urinstinkte freigesetzt, man gerät schnell in Panik und man handelt unter Umständen gegen den Verstand. „Kann mir nicht passieren“, da solle man sich nicht so sicher sein, sagt er nachdrücklich.

Und natürlich habe er allerhand Tipps und Ideen, wie man sich präventiv dagegen schütze. „Seien Sie misstrauisch“, sagt Bücher. „Erst einmal Luft holen und unbedingt mit jemandem aus dem eigenen Umfeld sprechen, nicht alleine handeln. Dazu könne man neben das Telefon eine „Bremse“ legen – ein farbiges Papier oder eine Tafel mit wichtigen Telefonnummern von Familie, Freunden und Polizei, um dort sogleich Rat zu suchen. Wichtige Mitteilungen mache die Polizei persönlich. Nie über Staatsanwälte, nicht telefonisch und auch nicht in Zivil.

„Kann mir nicht passieren.“
Vor diesem Irrtum warnt Kurt Bücher.

Die Polizei, so verrät der Nentershausener, habe auch berichtet, dass sie oft nach Einbrüchen erfahren, wie viel Geld die Menschen daheim aufbewahren, anstatt auf der Bank. Da sei die Hürde, die wertvolle Habe oder einen Teil davon an der Haustür zu übergeben, deutlich geringer. Doch auch wenn man aufgefordert werde, Geld bei der Bank abzuheben, so sind heute auch die Bankangestellten geschult, darauf acht zu geben, wenn eine Person plötzlich eine große Menge Bares abheben möchte.

„Die Polizei kann ja auch nicht überall sein“, sagt Bücher. „Ich will die Leute zum Nachdenken anregen.“ Viele Tipps und Beispiele für die Sicherheit der Senioren hält Kurt Bücher bereit, das reicht von Bettelbesuchen mit Ausspähen, über falsche Geldsammler für karitative Zwecke, das Verhalten am Geldautomaten, wie man Taschendiebstählen vorbeugt, Heirats- und Bekanntschaftsschwindel, wie die Angerufenen im Gespräch ausgefragt werden und vieles mehr. Das Neuste seien nun Postkarten, auf denen steht, man habe etwas gewonnen. Wie man auch dabei ausgenommen, statt begünstigt wird, das möchte Bücher den Menschen in seinen Seminaren nahebringen und fährt dafür gerne „über die Dörfer“ wie er sagt.

Prävention bevorzugt!

Das Projekt ist initiiert von der Kreisverwaltung des Westerwaldkreises. Der Kreis bietet über die Seniorenleitestelle auch individuelle Sicherheitsberatung für Senioren an. An die Stelle kann man sich telefonisch unter 02602/124482 wenden, oder per E-Mail: Seniorenleitstelle@westerwaldkreis.de. Wer Fragen an Kurt Bücher hat oder ihn für einen kostenfreien Präventionsvortrag einladen möchte, kann das unter kurt.buecher@gmail.com tun.

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