Mit der 1. Aktionswoche gegen Rassismus griff die Berufsbildende Schule (BBS) in Montabaur all das auf, was die Menschen derzeit ganz besonders bewegt und bot den Schülern eine Reihe von Möglichkeiten, sich zu äußern, zu fragen und zu erfahren. Mit Erfolg, denn die Resonanz der Schüler war durchweg positiv.
Unsicherheiten sind zu Beginn eines jeden Seminares zu spüren gewesen. Vieles, wo hier und da ein paar Informationen fehlen. Anderes, wo das eigene Empfinden nicht einzuordnen ist und einen Spagat macht zwischen Erlebtem und dem, was Freunde sagen. Für eine ganze Palette an Seminaren, Workshops, Planspielen und Diskussionen hatte die Montabaurer Schule eine Reihe von Referenten und Moderatoren vom Demokratiezentrum Rheinland-Pfalz, dem Pädagogischen Landesinstitut, der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Diakonischen Werk und dem Institut für Medien und Pädagogik im Land sowie Einzeldozenten eingeladen, die sich mit Schülern verschiedenster Bereiche an der BBS zur Zusammenarbeit getroffen hatten.
Gesprächsbedarf signalisiert
Im Rahmen der geplanten Aktionswoche hatten die Lehrer der großen, von 2150 Schülern besuchten Schule mit ihren Klassen die Möglichkeit, sich für die Seminare anzumelden, sodass ein bunter Mix an Schülern aus verschiedenen Klassen und Schulzweigen, wie dem Gymnasium, dem Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), der Berufsfachschule und der höheren Berufsfachschule vertreten waren.
Die im Umgang mit jungen Menschen erfahrene Referenten brachten viel Ruhe unter die teils aufgeregten oder unsicheren jungen Menschen und kamen so ins Gespräch. Hier zeigten sich Informations- und Gesprächsbedarf ebenso wie tiefgründig durchdachte Gedanken zu Beobachtungen, mit denen sich eine Reihe von Schülern zum Thema tragen. Auch für die Lehrer gab es ein Angebot von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“, welches Handlungsinstrumente in Fällen rechtsextremer Vorfälle vorstellte.
Das Eis war von den Seminarbetreuern meist schnell gebrochen, denn sie richteten sich nach den Bedürfnissen und Fragen der jungen Leute aus und konnten schließlich Informationslücken schließen, neue Blickwinkel aufzeigen und die Schüler motivieren, authentisch zu sein. Spürbar gewannen viele der Schüler Erkenntnisse für sich und Kompetenzen, sich untereinander fair auseinanderzusetzen, zu Wort kommen zu lassen.
Das Thema Rassismus umfasste auch die ganze Bandbreite an Begriffen, die sich um den des Rassismus herum bewegen: Planspiele zu Zivilcourage, Populismus und Fake News, eine Lesung über das Wegschauen, Workshops und Diskussionsrunden zu Rechtsextremismus, zur politischen Situation in Deutschland und Hate Speech sowie verschiedene Filmprojekte, darunter „Je suis Karl“ – „Ich bin Karl“, der in bewegender Weise zeigt, wie sich Verzweiflung zu Hass hochschrauben kann.

„Vor dem Film dachte ich, alle Nazis hätten Glatze und Bomberjacke an“ sagt eine Schülerin. „Ich wusste gar nicht, dass man die jetzt gar nicht mehr so leicht erkennt.“ Ich wusste nicht, dass Rechtsextreme so stark vernetzt sind“, ergänzen andere Schüler. „Das macht einem schon Angst, wenn man sieht, wie die Lage am Ende eskaliert ist.” Und: „Ich glaube schon, dass das auch heute noch passieren kann, dass Rechtsextreme soviel Macht bekommen, wenn man nicht aufpasst.”
Ausreichend Raum ließen die Seminarbegleiter den Schülern für ihre Meinungen – jedoch zur Äußerung nach gut eingehaltenen Regeln. Noch etwas offener, so sagt der Respekt Coach vom Jugendmigrationsdienst der regionalen Diakonie Westerwald, waren die Schüler jedoch, als die Lehrer den Raum verlassen hatten. Denn wo sonst ein Lehrer Unterrichtsstoff durchbringen müsse, herrsche hier eine entspannte Atmosphäre auf Augenhöhe zum Reden und Fragen. Der Coach äußerte sich nach der Diskussion über Rechtspopulismus erfreut über das offene Mitwirken der Teilnehmer. Mit Fragestellungen hatte der Referent die Diskussion anmoderiert und die Schüler ihre Standpunkte darstellen lassen. Hier zeigte sich, dass die Schüler zuerst viele Fragen hatten und im Rahmen des Seminars feststellten, dass mit einem persönlichen Fundus an Informationen auch die Diskussionsbereitschaft steige.

Auch Referent Marcel – „Socke“ – vom Demokratiezentrum, bestätigt, er und sein Kollege Philipp hätten mit der Klasse, mit der sie im Planspielprojekt „Populismus“ zusammenarbeiteten, einen guten Tag erlebt. Neben einem Rollenspiel, das für viel Vergnügen unter den Schülern gesorgt hatte, konnten die Schüler auch erfahren, unter welchen Prinzipien Meinungen verbreitet werden können. Emotionalisierung, „das Sündenbockprinzip“, „eine homogene Gruppe herbeizureden“ oder „die rückwärtige Argumentation („früher“)“ sind einige davon. Die Schüler ließen erkennen, dass sie sich durchaus mit aktuellen Geschehnissen wie Hanau oder Aschaffenburg auseinandersetzen, sich aber auch mit ihren Fragen schon mal alleingelassen fühlen.
„Ich kann nur sagen, dass wir dort eine sehr engagierte Klasse hatten. Die Schüler haben sich mutig in die Rollenspiele gestürzt und füllten die Rollen kreativ aus“, sagt der Referent. „Sowohl in den Spielsequenzen als auch in den theoretischeren Teilen wurde stets gut argumentiert und angeregt diskutiert. Populismus ist ein komplexes Thema, aber wir konnten gut sehen, wie in der Gruppe ein grundlegendes Verständnis dafür aufgekommen ist.“ Als „sehr aufregend“ beschriebt Schülerin Eliesa den Tag und fühlt sich „gut aufgeklärt zum Thema.“
„Nur Betroffene können wirklich nachvollziehen, wie sich Rassismus im Alltag anfühlt und was das mit einem Menschen macht.“
Mitschülerin Aliyah Hasler zur Projektwoche
Organisatorisch waren vor allem die Lehrerinnen Estella Schick und Christina Drebes für die Aktionswoche verantwortlich, sie freuten sich über das positive Feedback aus der Schulgemeinschaft, „Es hat einfach gezeigt, wie wichtig die Themen Rassismus und Rechtsextremismus in unserem Alltag sind – und wie wenig sie am Ende zur Sprache kommen. Außerdem hat diese intensive Woche unseren schulischen Alltag bereichert, weil wir mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt gekommen sind und sowohl unterschiedliche Schülergruppen als auch Kollegen sich miteinander ausgetauscht haben. So etwas möchten wir gerne öfter machen. Deswegen freuen wir uns, hoffentlich bald eine Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage’ zu werden“, resümiert Drebes.
Schülerin Aliyah Hasler: „Ich finde die Woche gegen Rassismus an der BBS Montabaur gut, weil es wichtig ist, marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben und über unseren privilegierten Tellerrand zu schauen. Nur Betroffene können wirklich nachvollziehen, wie sich Rassismus im Alltag anfühlt und was das mit einem Menschen macht, aber die Aufgabe eines jeden Einzelnen sollte es sein, sich damit auseinanderzusetzen, um von Rassismus betroffenen Menschen ein sicheres Gefühl in unserer Gegenwart geben zu können.“

„Was Ihr nicht seht“ – Schule als Toleranzraum
„Was schwarze Menschen tagtäglich an Alltagsrassismus erleben, ist vielen weißen Menschen nicht bewusst. Ist man selbst nicht betroffen, nimmt man Dinge oft nicht wahr.“ Mit dem Projekt „Was Ihr nicht seht“ bietet der Ravensburger Medienproduzent Dominik Lucha eine Plattform für schwarze Menschen und People of Color und sie bestärken, ihre Erfahrungen zu teilen und sichtbar zu machen. Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, sollen dafür sensibilisiert und zum Nachdenken angeregt werden. „Meine Hoffnung ist, dass weiße Menschen verstehen, wie omnipräsent Rassismus nach wie vor ist und wir uns alle gemeinsam aktiv für eine anti-rassistische Zukunft einsetzen“, sagt der Initiator. Das Projekt startete als Instagram-Kanal, dem heute 100.000 Menschen folgen, und bietet darüber hinaus Ausstellungen, Projekte und Medieninstallationen auch offline. red