Smartphone-Szenen machen Geschichte lebendig - Wie pfiffiges System in Pohlkann Start für Vernetzung mit anderen Sehenswürdigkeiten sein kann
Dank neuester Technik: Digitales Projekt weckt Lust aufs Limeskastell
Bilder wie diese von „Limes Live“ oder „Lokal & Lecker“ werden wohl noch etwas auf sich warten lassen. Doch im Limeskastell ist die römische Geschichte derzeit auch auf dem Smartphone ebenso unterhaltsam wie informativ erlebbar.
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„Salvete!“, ruft der Zenturio Besuchern des Pohler Limeskastells auf dem Smartphone entgegen. Den vorlauten Sprössling weist er mit einem „Silencium kleiner Saupanz!“ in die Schranken. Römische Geschichte gibt es an dem historischen Ort jetzt noch unterhaltsamer, nach individuellen Nutzungsinteressen und obendrein kontaktlos zu entdecken.

Bilder wie diese von „Limes Live“ oder „Lokal & Lecker“ werden wohl noch etwas auf sich warten lassen. Doch im Limeskastell ist die römische Geschichte derzeit auch auf dem Smartphone ebenso unterhaltsam wie informativ erlebbar.
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Die neu entwickelte Technik „Pickablue“ mit Bild-, Video- und Audiosequenzen macht's möglich. Sie könnte nicht nur im Limeskastell für ebenso informative wie kurzweilige Entdeckungsreisen an geschichtsträchtigen Orten im Rhein-Lahn-Kreis sorgen.

Neun moderne Stelen machen im Limeskastell seit Ostern Geschichte ganz individuell erlebbar. Smartphone-Besitzer müssen nichts herunterladen, sondern halten einfach ihr Gerät über den darauf angebrachten QR-Code und schon sprechen leibhaftige römische Soldaten mit den Nutzern, erzählen in kleinen Videos aus Leiden und Freuden ihres Alltags. Da wird deutlich, wie es einst im Contubernium zuging, kleine Feuer lodern auf dem Display auf und es wird an den sechstägigen Fußmarsch von Mainz nach Köln erinnert.

„Ich kann etwas auf dem Smartphone sehen und erleben, wie das bei den normalen Führungen nicht möglich ist“, erklärte Pohls Beigeordneter und Kastell-Verantwortlicher Prof. Thomas Steffen, als er Landrat Frank Puchtler und Tanja Steeg von der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (WFG) die Möglichkeiten des „Comes electronicus“ erläuterte. Die Umsetzung des elektronischen Begleiters an dem authentischen Kastell-Nachbau förderte unter anderen die WFG mit 3900 Euro.

Smartphone-Szenen machen die Geschichte des Kastells lebendig

Die modernen Stelen sind nicht als Ersatz für die persönliche Führung gedacht, aber: sie können das Leben am Limes weitaus hintergründiger und umfassender mit Texten, Ton, kleinen Filmszenen und Kartenanimationen zum Leben erwecken. Wo der Cicerone etwa nur erklären kann, wie das Eingangstor zum Kastell befestigt ist, ermöglicht die Animation auf dem Handy die verständliche Darstellung der Zapfentechnik.

„Das System bietet einen Mehrwert zu dem, was man bisher nur sieht“, so Steffen. Da lässt sich dann etwa hören und verfolgen, wie es in der dicht besetzten Soldatenstube hoch und qualmend herging und warum das Essen, was es dort gab, aus der „besten Taverne am ganzen Limes“ bekannt war. Leckeres wird dort immer noch kredenzt, allerdings stoppt derzeit Corona das lukullische Vergnügen weitgehend. Nicht so bei den digitalen Führungen.

Gaben in Pohl den Startschuss für eine neue digitale Entdeckungstour desLimeskastells und römischer Geschichte in der Region, die auch andere Orte des Kreises erlebbar machen könnte (von rechts): Frank Puchtler, Holger Lindner, Thomas Steffen und Tanja Steeg.
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Über die neun „Pickpoints“ lassen sich in fast 90 Beiträgen jede Menge historische Informationen anschaulich und unterhaltsam abrufen. Für wissenschaftlich fundierte Texte sorgte Historikerin Dr. Barbara Ellermeier. Gleichzeitig tragen die einzelnen Beiträge dem Zeitgeist Rechnung.

Zum einen halten sich Besucher dort am liebsten auf, wo es sie am ehesten interessiert, zum anderen entsprechen die Beiträge zwischen 90 Sekunden und maximal gut zwei Minuten Länge den Lese-, Hör- und Sehgewohnheiten heutiger Zeit. Überdies mache die Technik das historische Bauwerk auch für jüngere Leute interessanter, für die das Smartphone ohnehin ständiger Begleiter ist, wie Steffen erklärte.

Das pfiffige System in Pohl könnte zugleich Start für die Vernetzung mit anderen Sehenswürdigkeiten sein

Dass der Startschuss in die Corona-Pandemie mit seinen Kontaktbeschränkungen falle, ist dabei eher ein positiver Nebenaspekt, wie auch Landrat Puchtler feststellte: „Hier geht es ja nicht nur um eine Überbrückung, um Kontakte zu vermeiden, wenn Führungen nicht möglich sind, sondern um eine gute Ergänzung dazu auch für die Zeit nach der Pandemie“.

Das neue Angebot fürs Smartphone könne die Resonanz der Sehenswürdigkeit verstärken und die Bedeutung des historischen Ortes einmal mehr weltweit verstärken und „in die Köpfe bringen“. Auch für Jugendliche und Schulen biete sich so mit einem Besuch im Kastell zusätzlicher Anschauungsunterricht, dankte er den Verantwortlichen des Projektes.

Dem schloss sich Tanja Steeg an: „Sie machen das Welterbe einmal mehr erlebbar und sichtbar.“ Und die Wirtschaftsförderin dachte noch weiter. „Wir haben hier so viele Pfunde, mit denen wir wuchern können.“ Da seien der Freiherr vom Stein in Nassau, Kaiser und Könige in Bad Ems, die Blaufärber in Nastätten, der Schinderhannes in Miehlen oder die Loreley, die auf ähnliche Weise zu Wort kommen könnten, nannte sie Beispiele. Das moderne System fürs Smartphone und eine entsprechende Vernetzung biete viele Möglichkeiten.

Auf die wies Holger Lindner von der Nastättener Agentur Lindner & Steffen hin, als er die Bandbreite von Pickablue vorstellte, die von unterhalten und informieren über lehren, lernen, erklären, sammeln bis hin zu spielen reicht. Outdoor-Schooling, Gästeführer-Tools, ein Quiz mit Gewinnspiel oder ein Sammelheft nannte der Marketing-Profi einzelne Module.

Dabei orientiert sich das Vor-Ort-System, mit dem in Pohl und an anderen Orten im Rhein-Lahn-Kreis die reale Welt mit der digitalen verknüpft werden kann, an den Erfolgsfaktoren weltweiter digitaler Kanäle wie YouTube oder TikTok: ein selektives Leseverhalten, das „Scannen“ von Inhalten und ein schnelles, selbstbestimmtes und gezieltes Auswählen von Informationen.

Das macht auch die Attraktivität der neun neuen Stelen im Limeskastell aus. Getreu dem Motto „tl;dr“ (too long; didn't read) bieten sie auf den Punkt gebrachte Infos, schnell erfassbare Inhalte und spannende, gut aufbereitete Karten. Genutzt wird die QR-Code-basierte Technik übrigens bereits von der Unesco für alle Städte in Deutschland.

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