Treffen zum Welt-Down-Syndrom-Tag im Simmerner Rathaus - Vor allem Wohnraum ist knapp für Menschen mit Beeinträchtigungen
Treffen in Simmern zum Welt-Down-Syndrom Tag: Bunte Socken und konstruktive Diskussionen
Zum Welt-Down-Syndrom-Tag hatte Ute Michel-Wickert (6. von links), Behindertenbeauftragte der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen, Menschen mit Down-Syndrom und deren Familien zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Am Ende gab es bunte Socken für alle und viele neue Erkenntnisse. Foto: Sina Ternis
Sina Ternis

In Anlehnung an das dritte Chromosom 21, das Menschen mit Down-Syndrom haben, wird jährlich am 21. März der Welt-Down-Syndrom-Tag gefeiert. Und der geht mittlerweile mit einem lieb gewonnen Ritual einher: Um auf die Vielfalt der Menschen hinzuweisen, werden an diesem Tag zwei verschiedene, im Idealfall bunte Socken getragen.

Ein Blick auf die Füße der Teilnehmer, die sich im großen Sitzungssaal des Simmerner Rathauses eingefunden haben, zeigt schnell: Auch hier herrschen Vielfalt und Farbenfreude. Blau, grün, rot, mit Herzen und Autos, mit Punkten und Blumen kommen die Socken der genauso bunten Runde daher. Es sind Menschen mit Down-Syndrom, Mütter und Betreuerinnen, die der Einladung von Ute Michel-Wickert, der Behindertenbeauftragen in der Verbandsgemeinde (VG) Simmern-Rheinböllen gefolgt sind.

Erfahren, wo Probleme liegen

Michel-Wickert möchte die Gelegenheit nutzen, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, zu erfahren, wo die Probleme liegen, was die Wünsche sind. Aber auch, in welchen Bereichen es schon gut läuft. Hierzu hat sie drei Smileys auf den Boden gelegt: einen, der lacht, einen, der neutral schaut, und einen, dessen Mundwinkel nach unten gerichtet sind.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es los: Die Teilnehmer der Runde, zu der sich auch VG-Bürgermeister Michael Boos – ebenfalls in bunten Socken – und Stadtbürgermeister Andreas Nikolay gesellt haben, dürfen selbst aktiv werden, ihre Wohn- und Arbeitssituation sowie ihre Freizeit einordnen und sich einen der drei Smileys aussuchen. Schnell wird klar: Es herrscht eine große Zufriedenheit mit der Situation. Zumindest, wenn man die Wahl der Anwesenden betrachtet; Das lachende Smiley ist an diesem Nachmittag besonders beliebt, es gibt nur wenige Ausreißer in den neutralen und noch weniger in den ganz schlechten Bereich. Die meisten, sie alle arbeiten bei den Rhein-Mosel-Werkstätten in Kastellaun, fühlen sich sehr wohl mit ihrer Arbeit und sind auch mit ihrer Freizeit zufrieden. Filme schauen, ins Kino gehen, Musik machen und hören, Sport und, was als besonders wichtig angesehen wird, sich mit Freunden treffen. Die Aktivitäten sind so vielfältig wie die Menschen im Raum.

Auch beim Punkt Wohnen stehen fast alle im Bereich des Lachsmileys. Viele wohnen noch bei ihren Eltern, nur ein kleiner Teil von ihnen hat einen Platz im Wohnheim. Sie fühlen sich alle wohl mit ihrer Situation, haben einen eigenen Rückzugsort und zugleich die Geborgenheit der Familie.

Wunsch nach Unabhängigkeit

Und doch wird im Gespräch schnell klar: Viele von ihnen würden sich wünschen, auch im Wohnheim oder in einer Wohngemeinschaft unterkommen zu können. Sie sind zwischen 20 und Mitte 40, erwachsene Menschen, die sich, wie jeder andere auch in ihrem Alter, ein Stück Unabhängigkeit wünschen würden, die gerne näher an ihrer Arbeit, vor allem aber auch mit ihren Freunden wohnen würden.

„Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir es hier mit erwachsenen Menschen zu tun haben, da ist der Wunsch nach selbstständigem Wohnen nur nachvollziehbar“, sagt eine Mutter. Hinzu komme, dass man sich auch als Eltern Gedanken darüber mache, was passiere, wenn man mal nicht mehr da sei. Doch im Austausch wird auch schnell klar: Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen, und das betrifft nicht nur solche mit Down-Syndrom, sind rar. Im Rhein-Hunsrück-Kreis, aber, so weiß Ute Michel-Wickert, die im benachbarten Kreis Mainz-Bingen arbeitet, auch an anderen Orten. Die Wartelisten sind teilweise sehr lang, so die Erfahrungswerte der Anwesenden. Und ein Platz werde eben nur dann frei, wenn jemand auszieht oder wenn jemand verstirbt. Deswegen rät Sarah Wies, Mitarbeiterin in den Rhein-Mosel-Werkstätten, auch dazu, sich frühzeitig um das Thema Wohnen zu kümmern, den Antrag mit der entsprechenden Vorlaufzeit und mit Weitblick zu stellen.

Eine Mutter, deren Sohn in einer Wohngemeinschaft in Bad Kreuznach lebt, erzählt von ihren Erfahrungen. Die Eltern hatten sich schon vor vielen Jahren zusammengetan, um das Projekt selbst in die Wege zu leiten. Zu Beginn sei die externe Betreuung noch deutlich engmaschiger gewesen, im Laufe der Jahre habe sich die WG gut eingespielt und es komme nur noch am Nachmittag, nach Dienstende, jemand, um nach dem Rechten zu sehen.

Bedarf nach Betreuung relevant

Das hängt aber davon ab, auch das wird einem Blick in die Runde schnell deutlich, wie intensiv der Betreuungsbedarf jedes Einzelnen ist. Einige bräuchten eine engmaschige Betreuung, andere seien in der Lage, gut im Alltag zurechtzukommen. Die Mutter rät den Anwesenden: „Tut euch zusammen und versucht es gemeinsam, denn auf diese Weise kann deutlich mehr erreicht werden.“

Vor dem Hintergrund, da sind sich am Ende von zwei kurzweiligen Stunden mit ganz viel Herzlichkeit, mit einer Menge Umarmungen, mit bunten Socken, alle einig, sind solche Treffen wie das von Ute Michel-Wickert initiierte wichtig. Denn in der Gemeinschaft, durch Vernetzung, kann viel mehr erreicht werden. Zudem, auch das machten die Teilnehmer deutlich, ist der Aspekt der Geselligkeit, die Teilhabe, ein ganz wichtiger. „Für mich war es ja auch die erste Veranstaltung dieser Art und ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Umso dankbarer bin ich für das Feedback und für den tollen Austausch“, bilanziert die Behindertenbeauftragte. Die Ergebnisse, die sie auf vielen Zetteln notiert hat, möchte sie nun dem Sozialausschuss der Verbandsgemeinde vorstellen – in der Hoffnung, etwas anstoßen zu können.

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