Das Thema Tod ist für Bestattermeister Jan Caspar und sein Team allgegenwärtig - Wir waren einen Tag mit ihm unterwegs
Gestatten, Bestatter: Wenn der Job zu einer Ehrensache wird
Sina Ternis

Es herrscht eine angenehm-ruhige Atmosphäre in dem kleinen Aufenthaltsraum, in dessen Zentrum ein großer Tisch steht. In der Tischmitte: eine große Packung Plätzchen. Ein Geschenk des Krematoriums. „Die sind echt lecker, die müssen Sie probieren“, sagt einer der Mitarbeiter – und greift beherzt in die Box. Dann geht es weiter im Programm.

Sina Ternis

Tücher werden aus den Schränken geholt, Kerzenständer ins Auto verladen, die einzelnen Handgriffe sitzen, der Chef gibt dem Team, das zu der zweiten Beerdigung fährt, letzte Anweisungen, erinnert an den Regenschirm, dann geht es los für die Mitarbeiter. Dass Jan Caspar und sein Team vom Bestattungsinstitut Caspar mehrere Beerdigungen an einem Tag haben, das kommt immer wieder vor, gerade an Freitagen. „Wir hatten auch schon vier“, erzählt Caspar. Das erfordere dann vielleicht ein wenig mehr Organisation, aber innerhalb des Teams wisse jeder, was zu tun sei. Schließlich ist der Tag der Beerdigung am Ende der Tag, an dem die Dinge umgesetzt werden, die zuvor intensiv mit den Angehörigen besprochen wurden.

Denn ein Bestatter, das macht der 37-Jährige deutlich, ist mehr als nur derjenige, der dafür sorgt, dass der Tag der Beisetzung zu einem würdevollen Abschied für den Verstorbenen wird – auch wenn ihm das ganz besonders wichtig ist. „Diesem Menschen soll noch einmal die letzte Ehre erwiesen werden, er soll im Mittelpunkt stehen“, so sieht es der Bestattermeister. Und irgendwie ist das auch einer der Hauptgründe, warum Caspar schon im Alter von 14 Jahren wusste, dass er diesen eher ungewöhnlichen Beruf ergreifen und sich damit auch auf ganz intensive Weise mit den Themen Sterben und Tod konfrontieren und auseinandersetzen möchte.

Einen letzten Dienst erweisen

Er kann die Menschen auf ihrem allerletzten Weg begleiten, möchte ihnen auch im Tod noch Würde geben. Dass das nicht immer einfach ist, auch weil er viele Menschen, die er vor sich auf dem Tisch liegen hat, um sie noch ein letztes Mal hübsch zu machen, kennt, daraus macht der 37-Jährige keinen Hehl. So habe er beispielsweise schon einige seiner Freunde beerdigen müssen. Wobei müssen, sagt Caspar, nicht das richtige Wort sei. Dürfen, das beschreibe es deutlich besser. „Da standen 170 Leute auf der Beerdigung, und ich war der Einzige, der ihn bis zuletzt begleiten und ihm einen letzten Dienst erweisen durfte.“

„Ich hätte gern noch ein Stubbi mit dir getrunken.“

Auch seinen Opa habe er bis ins Krematorium begleitet. Als sich dann die Türen zum Ofen geschlossen hätten, sei das für ihn auch eine Art Abschluss gewesen. „Für mich ist es eine Ehre, das alles machen zu dürfen.“ Und so suche er auch immer wieder den Dialog mit den Verstorbenen, sagt beispielsweise: „Ich hätte gern noch ein Stubbi mit dir getrunken.“

Die Arbeit rund um den Verstorbenen nimmt einen Teil der Arbeit von Caspar und seinem Team in Anspruch, doch mindestens genauso wichtig ist der Austausch mit den Hinterbliebenen. Hier schlüpfen die Mitarbeiter ganz in die Rolle der Dienstleister, allerdings nicht, in dem sie den klassischen Dienst nach Vorschrift machen. „Wir möchten die Angehörigen, die oft von ihrer Trauer überwältigt und zugleich von der Situation überfordert sind, auffangen.“ In dem Moment gehe es rein um den professionellen Arbeitsblick, darum, Möglichkeiten aufzuzeigen, zu signalisieren: Wir sind für euch da und nehmen euch viele Dinge ab.

Erinnerungsstück für die Familie

Die Feier nimmt bei den Planungen eine zentrale Rolle ein: Soll es eine Erd- oder eine Feuerbestattung geben? Sind persönliche Gegenstände auf der Beerdigung erwünscht und wie soll die Dekoration aussehen? Soll ein Gottesdienst stattfinden? Welche Musik ist gewünscht?

Sina Ternis

Die Notizen dazu machen sich Caspar und seiner Mitarbeiter auf einem Tablet, ist mittlerweile komplett digital aufgestellt – sodass jeder von überall auf die Daten zugreifen kann. Das mache Absprachen einfacher. Bilder müssten nicht mehr von der Kamera auf den Laptop übertragen werden, sondern würden direkt in die Cloud geladen. Denn bevor die Trauergemeinde kommt, machen die Bestatter Fotos von den Dekorationen, die sie zuvor angebracht und aufgestellt haben. Im Anschluss an die Beerdigung stellen sie ein kleines Büchlein als Erinnerung für die Familie zusammen.

Während der Feier halten sich Caspar und sein Team im Hintergrund. „Wir sind da, wenn wir gebraucht werden, aber am besten sieht man uns nicht.“ So auch während der Beerdigung an diesem Tag. Während des Gottesdienstes halten sich der 37-Jährige und seine Mitarbeiter dezent im Hintergrund auf, nachdem sie die Angehörigen begrüßt haben. Wenn irgendwo ein Gesangbuch fehlt, ist er aber sofort zur Stelle, reicht es wortlos weiter.

Sobald die Trauergemeinde die Kirche verlassen hat, sammeln die beiden Kerzenständer und Blumendekoration ein. Die Ständer kommen in einen kleinen Raum innerhalb der Kirche, werden später abgeholt, die Blumendekorationen werden im Auto ausgelegt. Weil es sich um eine Urnen-, also Feuerbestattung handelt, ist der Platz dieses Mal sehr gering – deswegen hat sich der Bestatter für die Variante entschieden, Kränze und persönliche Gegenstände im Auto herzurichten. Auch auf dem Friedhof hält er sich im Hintergrund auf, seine Mitarbeiterin sorgt dafür, dass das richtige Lied zur richtigen Zeit läuft. Dabei sind neue, digitale und per Bluetooth verbundene Lautsprecher im Einsatz.

Sina Ternis

Sobald die Trauergäste den Friedhof verlassen, werden die Utensilien wie Weihwasserstände und Boxen wieder ins Auto verladen. Dieses Mal ist es überschaubar viel, in fünf Minuten ist alles bereit, und es geht zurück in die Firma, wo alles noch einmal verräumt wird.

Auch die beiden Mitarbeiter, die auf der zweiten Beerdigung waren, kommen kurze Zeit später an. Die Atmosphäre ist auch jetzt angenehm-ruhig, es wird auch gelacht. Denn das haben alle, nicht nur Caspar, sondern auch seine Mitarbeiter, ganz schnell gelernt: „Man muss einen gesunden Abstand wahren, darf die Dinge nicht mit nach Hause nehmen.“

Zu den Dienstleistungen eines Bestatters gehören neben der Planung der Beerdigung mit Terminabsprache, Kartendruck, Traueranzeige, Blumenbestellung, Absprache mit der Gemeinde und dem Herrichten des Verstorbenen auch zahlreiche Formalitäten wie beispielsweise Abmeldungen bei Versicherungen, Rentenkasse, Krankenkasse oder Beantragung der Witwenrente. „Auf Wunsch nehmen wir alles ab, aber es gibt natürlich auch Angehörige, die dankbar sind, in der schweren Zeit selbst etwas zu tun zu haben“, weiß der Bestatter. Jeder sei da anders, und jeder gehe auch anders mit dem Thema Tod um. Deswegen wissen er und seine Mitarbeiter nie, was auf sie zukommt, wenn sie, meist von den Angehörigen, einen Anruf erhalten. Sie wissen aber, dass sie so etwas wie der Anker für die trauernden Menschen sind. „Wir lassen auch mal weinen, das gehört dazu.“

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