Einige Male schon sind mehr als ein Dutzend von ihnen zusammengekommen, um über die Konsequenzen zu reden, um nach Lösungen und Wegen zu suchen und auch die Politik auf die Problematik aufmerksam zu machen. Denn was es in der Humanmedizin schon seit langer Zeit gibt, soll nun auch in der Zahnmedizin Anwendung finden. Klossok macht das an einem Beispiel deutlich: „Ich habe eine Bekannte, die Hautärztin ist. Die hatte im Februar schon keinen Termin mehr für ein Hautkrebsscreening. 200 davon bekommt sie im Jahr bezahlt, alles, was darüber hinausgeht, macht sie praktisch umsonst.“
Auch wenn sich das Ganze nicht eins zu eins auf die Zahnarztpraxen transportieren lasse, mache das Beispiel das Grundproblem deutlich. Denn Budgetierung bedeute, dass die Leistungen, die die Krankenkasse für bestimmte Behandlungen bezahlt, künftig gedeckelt werden. Bereits seit den 1990er-Jahren, unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, ist die Budgetierung gesetzlich verankert. Wegen Corona wurde sie zuletzt ausgesetzt und wird nun, ergänzt um weitere finanzielle Einschränkungen, wiedereingeführt. „Es gibt bis zu einem gewissen Punkt Geld von den Krankenkassen, danach gibt es keins mehr“, so der Zahnarzt.
Kosten im Rahmen halten
Der Hintergedanke dabei: Es soll sichergestellt werden, dass sich die Kosten für die zahnärztliche Versorgung im Rahmen halten, um auf diese Weise eine Stabilität beim Krankenkassenbeitrag zu gewährleisten. Als Grundlage dient der Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Gekoppelt ist das Ganze an die Grundlohnsumme. Dabei handelt es sich um alle beitragspflichtigen Löhne und Gehälter, die an die Krankenkasse gezahlt werden. Steigt die Grundlohnsumme, dann steigt auch das Budget – allerdings deutlich weniger schnell als die Inflationsrate. Zudem unterliegt sie Schwankungen, was auch zu Schwankungen im Budget führt.
Zudem wurde 2022 das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen, um das finanzielle Defizit im Gesundheitsfonds auszugleichen. In diesem Zusammenhang wurde der Honorarzuwachs bei Zahnärzten 2023 um 0,75 und 2024 um 1,5 Prozent eingekürzt. Zudem wurde festgelegt, dass auch die bislang nicht ins Budget gefallenen PAR-Leistungen (Parodontitis und andere Parodontalerkrankungen) mit ins Budget 2023 fallen, obwohl diese eigentlich zwei Jahre unbudgetiert bleiben sollten.
Eingekürzt werden aber nur die Praxen, die über dem ermittelten Fachgruppendurchschnitt liegen. Das freut natürlich besonders die, die viele Privatpatienten behandeln, denn die liegen definitiv unter dem Durchschnitt und werden nicht geschoren.“
Wie die Verteilung des Budgets aussieht, das ist von Bundesland zu Bundesland individuell und durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) geregelt. In Rheinland-Pfalz, so erklärt es der Emmelshausener Dentalchirurg Jens Bayer, orientiert man sich an den Zahlen von vor zwei Jahren, abzüglich eines Sicherheitsabschlags von zehn Prozent. Ob und inwieweit dieser und vielleicht mehr oder weniger ausgezahlt wird, erfahren die Zahnärzte erst im Folgejahr, wenn klar ist, wie viel Geld im Topf ist.
„Eingekürzt werden aber nur die Praxen, die über dem ermittelten Fachgruppendurchschnitt liegen“, sagt Bayer. „Das freut natürlich besonders die, die viele Privatpatienten behandeln, denn die liegen definitiv unter dem Durchschnitt und werden nicht geschoren.“
Zahl der Praxen im Kreis wird sich reduzieren
Das alles führe eben auch dazu, dass sich immer weniger Mediziner, und dabei spielt es laut Klossok keine Rolle, ob Human- oder Zahnmediziner, für ein Praktizieren auf dem Land, wo diese eigentlich händeringend gesucht würden, entscheiden. Denn auf dem Land gebe es weniger Privatpatienten und damit eben auch weniger Möglichkeiten, die Löcher, die durch das Einführen der Budgetierung entstehen, zu stopfen.
Aktuell, so ist es zumindest Klossoks Empfinden, gibt es noch ausreichend Praxen im Rhein-Hunsrück-Kreis. Doch immer wieder komme es zu Schließungen, weil Zahnärzte in den Ruhestand gehen. Dann müssen sich Patienten auf die verbleibenden Praxen aufteilen, was wiederum zu Aufnahmestopps führe – : weil das Personal am Limit ist und weil das Budget keine Deckelung der Mehrkosten ermöglicht. „Kommen dann neue Patienten dazu, findet das im Abrechnungsjahr keine Berücksichtigung“, erklärt Klossok – und wählt zur Veranschaulichung die Worte eines seiner Kollegen: „Das ist als würde man einen Maler beauftragen, das Wartezimmer zu streichen, alle Materialien mitzubringen und ihm am Ende zu sagen: Aber ich zahle nicht für deine Leistungen.“ Denn tatsächlich bekomme der Zahnarzt die Leistungen, die über die durch das Budget gedeckelten hinausgingen, nicht finanziert.
Die Vorausplanung auf Grundlage vergangener Zahlen sei auch deswegen schwierig, weil sie Härtefälle nur bedingt beziehungsweise mit Verzögerung berücksichtige. Fällt beispielsweise in einer Praxis ein Arzt wegen Krankheit aus, können weniger Patienten behandelt werden. Das schlägt sich dann zwei Jahre später im Budget nieder. „Das macht vieles auch nicht planbar und kann schnell zu einem bösen Erwachen führen.“
Früher habe ich nie verstanden, wenn meine älteren Kollegen gejammert haben, wollte ihnen zeigen, dass es auch anders geht. Mittlerweile merke ich, dass meine Illusion zerplatzt. Das schlägt sich auch auf die Motivation nieder.“
Auch Jens Bayer kann das bestätigen. Der hat erst kürzlich eine Mitteilung der KZV erhalten, dass er bereits nach dem ersten Quartal 39 Prozent seines Budgets aufgebraucht hat. Das Sommerloch, in dem weniger Behandlungen anfallen, abgezogen, „wäre das Budget dann Ende September komplett aufgebraucht“, rechnet der Dentalchirurg vor. Er hatte eigentlich geplant, noch eine Empfangskraft zur Koordinierung der Termine einzustellen, das Thema hat er aber erst einmal verworfen.
Das bedeutet höhere Belastung für Mitarbeiter und längere Wartezeiten für die Patienten. Und für Bayer heißt das: Seine Rücklagen werden nach und nach aufgebraucht. „Früher habe ich nie verstanden, wenn meine älteren Kollegen gejammert haben, wollte ihnen zeigen, dass es auch anders geht. Mittlerweile merke ich, dass meine Illusion zerplatzt. Das schlägt sich auch auf die Motivation nieder.“
Blick in die Zukunft ist düster
Sollte sich ein Zahnarzt entscheiden, eine Praxis zu eröffnen, erhält er das ermittelte durchschnittliche Jahresbudget in Rheinland-Pfalz. „Dabei sollte man immer auch bedenken, dass zur Neueröffnung laut KZBV-Jahrbuch im Jahr 2021 Kosten von mehr als 557.000 entstehen, wofür in der Regel Schulden aufgenommen werden müssen“, sagt Klossok. Das erhöht die finanzielle Belastung noch weiter durch monatliche Raten, und laufende Kosten. „Dass das kein Leben in Luxus mehr ist, kann man sich vorstellen. Und dass sich viele gegen diesen Weg entscheiden, sicherlich auch“, sagt der Bopparder Zahnarzt.
Der Blick in die Zukunft ist düster: Mehr als 30 Prozent der Zahnärzte sind über 60 Jahre alt, gerade auf dem Land werden viele Praxen ohne Nachfolger geschlossen.
Kritisch zu sehen sei zudem, so Klossok, dass Assistenzärzte lediglich mit einem Budget von 25 Prozent bedacht werden. Die Assistenzzeit beträgt in Deutschland zwei Jahre und stellt einen Übergang von der Universität zum voll ausgebildeten Arzt dar. Das heißt aus Klossoks Sicht, dass diese einerseits noch Führung benötigen, andererseits aber auch, gerade nach einiger Zeit, wichtige Arbeit abnehmen können. „Wenn sie allerdings nur mit 25 Prozent angerechnet werden, wird es unattraktiv, einen Assistenzarzt einzustellen“, so Klossok.
Leidtragende sind die Patienten
Das alles führe in der Summe dazu, dass die Zahnarztpraxen, um am Ende wirtschaftlich arbeiten zu können, ihre Patienten zur Kasse bitten müssten, dass für Behandlungen, die bislang zur Kassenleistung gehörten, bezahlen müssten. „Ich glaube, das ist vielen gar nicht bewusst und habe das Gefühl, dass das Thema noch nicht wirklich in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist“, sagt Klossok.
Um das zu ändern, findet am 18. Juni ein bundesweiter Protesttag statt. In Rheinland-Pfalz ist eine zentrale Kundgebung in Koblenz auf dem Münzplatz geplant. Die Ärzte aus dem Kreis werden überwiegend in ihren Gemeinden bleiben, ihre Praxen an diesem Tag aber geschlossen lassen und stattdessen das Gespräch mit Patienten suchen. „Ich werde mich beispielsweise auf den Marktplatz stellen“, so Klossok. Er glaubt zwar nicht, dass so die Politik zum Einlenken gebracht wird, ihm ist es aber ein Anliegen, zu informieren und zu sensibilisieren – und darüber aufzuklären, dass weder er noch der Großteil seiner Kollegen Porsche fährt.