Schluss für Barl-Krankenhaus
Treiser Arzt zu Zells Klinik-Aus: Kassen zu mächtig
Der in Treis lebende Mediziner macht mehrere Faktoren für den schleichenden Niedergang des Zeller Klinkums verantwortlich. Vor allem den großen Einfluss der Krankenkassen hält er für verkehrt.
David Ditzer

Nächste Woche wird das Krankenhaus auf dem Zeller Barl auch offiziell Geschichte sein. Auch der in Treis lebende Arzt Bernd Lagemann sieht Defizite in der Notfallversorgung kommen. Schwere Defizite.

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Vom Kalender her und nach offizieller Lesart wird der Krankenhausbetrieb im Klinikum Mittelmosel auf dem Zeller Barl Anfang nächster Woche zu Ende gehen. Faktisch läuft dort schon länger kein stationärer Normalbetrieb mehr. Der promovierte Mediziner Bernd Lagemann, der in Treis-Karden wohnt und über jahrzehntelange Erfahrung als Haus- und Notarzt verfügt, hält das neu entstehende Ambulante Versorgungszentrum in Zell für ungeeignet, um eine ausreichende Notfallversorgung für die Menschen insbesondere im Zeller Land zu gewährleisten. Und er hat klare Vorstellungen davon, welche Faktoren maßgeblich verantwortlich sind für die Misere in Zell.

Seit 48 Jahren ist Bernd Lagemann als Arzt im Geschäft. Schaut der heute 78-Jährige auf das, was sich in den vergangenen zehn Jahren am Klinikum Mittemosel im Zeller Höhenstadtteil Barl so abgespielt hat, dann kommt er zu dem Schluss: „Von oben ist vor zehn Jahren schon beschlossen worden: Das Krankenhaus Zell wird zugemacht.“ Dabei hätte man es aus seiner Sicht „problemlos retten können, wenn vor allem die Politik gewollt hätte“.

„Die Krankenkassen haben ein viel zu großes Mitspracherecht.“
Der in Treis wohnende Mediziner Bernd Lagemann zum Krankenhaus-Aus in Zell

Ein Grundproblem des ganzen Systems aus seiner Sicht: „Die Krankenkassen haben ein viel zu großes Mitspracherecht.“ Und an deren aufgeblähtem Verwaltungsapparat bleibe viel zu viel Geld hängen. Die Gehälter der Kassenfunktionäre müssten für Lagemann viel stärker begrenzt, der bürokratische Apparat müsste insgesamt verschlankt werden. „Das sind alles Gelder, die für medizinische Leistungen verloren gehen.“ Zu niedrige Fallpauschalen, die sich nicht den medizinischen Realitäten eines konkreten Falls anpassen, verschärfen die Lage der Kliniken.

Lagemann selbst, vom Prinzip her im Ruhestand, war im vergangenen Jahr wieder in den Dienst als Kassenarzt und Notarzt zurückgekehrt – „wegen des großen Mangels an Kollegen in den letzten Jahren“. Dieser Mangel spielt ebenfalls mit rein, wenn es um den Niedergang der medizinischen Versorgung insbesondere auf dem Land geht, der seit Jahren zu beobachten ist.

Lagemann: Eine Schlaganfallspezialeinheit in der Nähe wäre das Mindeste

Dass das Cochemer Marienkrankenhaus und das Ambulante Versorgungszentrum in Zell zusammen in der Lage sind, eine ausreichende Notfallversorgung für die Menschen im gesamten Kreis Cochem-Zell zu gewährleisten, glaubt Lagemann nicht. „Hier müsste zumindest eine Stroke Unit hin, die für das Gros der Bevölkerung tatsächlich von Nutzen wäre.“ Denn gerade bei der Versorgung von Schlaganfällen komme es auf jede Minute an. Bei Schlaganfällen habe man 1,5 Stunden, um jemanden angemessen zu versorgen und ein Blutgerinnsel (Thrombus) aufzulösen.

Werde jemand später versorgt, könne es zu Lähmungen und anderen schweren Schädigungen kommen. Eine Schlaganfallspezialeinheit könne jedoch nur betrieben werden, wenn auch eine Neurochirurgie mit Operationsmöglichkeit da sei. Bei Herzinfarktpatienten hat man Lagemann zufolge zwei bis 2,5 Stunden Zeit, ein Gerinnsel aufzulösen, „ohne dass Schaden entsteht“. Eine wahrscheinliche Folge des Abbaus der medizinischen Leistungen in Zell wird aus Lagemanns Sicht sein: „Wir produzieren Behinderte, die wir nicht hätten produzieren müssen.“ Und die dem Gesundheitssystem wiederum Kosten verursachen.

Am 30. Juni endet der Krankenhausbetrieb auf dem Zeller Barl auch offiziell. Ein Ambulantes Versorgungszentrum tritt an dessen Stelle.
David Ditzer

Mit 80 Stundenkilometern in eine Haarnadelkurve?

Ein zusätzlicher Hubschrauber für Zell oder ein zusätzlicher Rettungswagen für Zell, um die Notfallversorgung aufrechtzuerhalten? „Das ist Augenwischerei“, sagt Lagemann. Das Problem seien schließlich nicht die Kilometer der zurückzulegenden Entfernungen, sondern das Problem sei die Topografie. „Davon, dass ich mit Blaulicht fahre, bekomme ich die Straßen auch nicht gerade. Und ich kann nun mal nicht mit 80 durch eine Haarnadelkurve fahren.“

Ein zusätzlicher Rettungswagen bringe weder mehr Nähe noch einen zusätzlichen Notarzt. Es braucht eben Personal, um den Rettungswagen zu besetzen. Wobei sich da auch eine andere Frage stellt: Personal für einen zusätzlichen Rettungswagen gibt es nicht, aber für zwei Krankenhäuser ist genug da?

Klageweg bringt aus Lagemanns Sicht nichts

Die Ausstattung der Region mit Rettungshubschraubern ist Lagemann zufolge zum einen ausreichend. Zum anderen könne der Hubschrauber nachts, bei starkem Wind, starkem Regen oder dichtem Nebel nicht fliegen. Die noch laufende Klage seines Notarztkollegen Jürgen Adler gegen das Land Rheinland-Pfalz findet Lagemann zwar ehrenwert, aber sie ist für ihn nicht das richtige Instrument.

Denn selbst wenn am Ende der wohl Jahre dauernden juristischen Auseinandersetzung herauskäme, dass das Krankenhaus Zell nicht hätte geschlossen werden dürfen: Der stationäre Betrieb auf dem Barl wäre längst Geschichte. Lagemann ist der Überzeugung: „Man hätte das Krankenhaus retten können, wenn die VG es übernommen und Gebührenbescheide an die Kassen verschickt hätte.“

Bürgerinitiative ruft für Montag zu letzter Mahnwache auf

Derweil ruft die Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des Zeller Klinikums starkmacht, für Montag, 30. Juni, 19 Uhr, zu einer letzten Mahnwache vor dem Krankenhaus auf. Und sie bittet um Spenden zur Finanzierung der Adler-Klage.

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