Beim Festival Electronic Wine am Deutschen Eck hat Winzerin Anna-Maria Dehen aus Müden den ersten Weinjahrgang präsentiert, den sie komplett in Eigenregie zu verantworten hatte. Völlig überraschend war ihr Papa Elmar, der das Weingut bis dahin führte, am 21. April vergangenen Jahres verstorben. Die 31 Jahre alte Anna-Maria übernahm die Arbeit in Wingert und Keller – und das, obwohl sie selbst an einer chronischen Erkrankung leidet. Wie geht das? Was war für einen erfolgreichen Übergang besonders wichtig? Unsere Zeitung hat mit ihr darüber gesprochen.
Dass es mit Weingut Dehen weitergehen sollte, stand für Anna-Maria, ihre Mama Stephanie und die gesamte Familie von Anfang an außer Frage. „Das erste halbe Jahr nach Papas Tod mussten wir erst einmal reinkommen und uns sortieren. Gott sei Dank haben alle mitgezogen“, sagt die junge Winzerin. Mit „alle“ meint sie Familie, Freunde und Verwandte. Mit „alle“ meint sie jedoch auch die Winzer Josef Weckbecker aus Moselkern und Günter Leitzgen aus Bremm. Nach Elmar Dehens Tod trugen sie mit dazu bei, dass die erforderlichen Abläufe im Müdener Weingut nicht ins Stocken gerieten.
„Allein hätte ich das nicht schaffen können“, unterstreicht Anna-Maria Dehen. Und das liegt vor allem an ihrer chronischen Krankheit, von der sie im Jahr 2019 erfahren hatte: Multiple Sklerose. Sie setzt der physischen Belastbarkeit, aber auch der Konzentrationsfähigkeit Grenzen. Drei Stunden am Tag – dieses Pensum hoher Belastung sollte nicht überschritten werden, um Krankheitsschüben vorzubeugen.
Doch Anna-Maria stellt sich dem Ganzen, aus Überzeugung. Mut, die Liebe zum Winzerberuf und der Glaube an die eigene Stärke und die des Umfelds gehören dazu. Und sonst? Unsere Zeitung stellte Anna-Maria Dehen dazu drei Fragen.
1. Weine wie „Spontan. Steil. Geil“, Riesling No. 1 oder Riesling No. 5 haben sich über die Jahre hinweg zu Zugpferden des Weinguts entwickelt. Wie gelingt es Ihnen, das, was diese Weine geschmacklich auszeichnet, immer wieder zu erhalten?
„Der Papa hatte jetzt kein Rezept oder so etwas aufgeschrieben. Aber wir haben oft zusammengearbeitet. Viele seiner Handgriffe habe ich einfach übernommen, sie sind in Fleisch und Blut übergegangen. Säure und Zuckergehalt kann ich natürlich beeinflussen. Doch jeder Wein hat seinen eigenen Charakter. Bei ,Spontan. Steil. Geil‘ zum Beispiel habe ich einfach angefangen, den Wein spontan gären zu lassen, bis er so schmeckte, wie ich ihn haben wollte, ohne Reinzuchthefen hinzuzugeben. So wurde der Wein: spontan, aus der Steillage – und einfach geil.“
2. Welche drei Faktoren waren nach dem plötzlichen Tod Ihres Papas besonders wichtig, um die Zukunft des Weinguts Dehen zu sichern?
„Das ganze Umfeld musste sagen, wir helfen euch und stehen euch zur Seite. Ganz wichtig war, dass mein Papa alles top in Schuss hatte: Das Weingut und die Weinberge standen top da, die ersten Weine des neuen Jahrgangs hatte er sogar schon abgefüllt, als er starb. Und wir haben dann nach einer Weile unsere Kunden angeschrieben, von denen wir die Adressen hatten, und ihnen mitgeteilt, dass es weitergeht. Nur einen Weinberg, den mein Papa noch bepflanzen wollte, den haben wir nicht mehr bepflanzt und die Reben wieder abbestellt.“
3. Was wollen Sie auf Ihrem Familienweingut als Nächstes angehen, damit das, was Ihr Papa maßgeblich aufgebaut hat, sich weiter positiv entwickelt?
„Ich habe schon einen neuen Wein kreiert, etwas ganz Spezielles – einen süßen mit ganz eigenem Charakter. Er trägt den Titel Symphonie, und die etwas verspielte Schrift auf dem Etikett soll das widerspiegeln, was ihn ausmacht. Und den Weinberg, den wir liegen lassen mussten, den will ich auch noch bepflanzen, natürlich mit Papas Lieblingssorte: Riesling. Das soll auch so eine Art Erinnerungsweinberg werden. Aber erst einmal wollen wir mit Ruhe in den Betrieb gehen. Es bringt nichts, den dritten Schritt vor dem ersten zu machen. Papas Tod war einfach erst einmal ein Schock. Und es gibt Tage, da ist es einfacher als an anderen Tagen.“