Das Wasserstoff-Modellprojekt „SmartQuart“ in Kaisersesch war am 18. Oktober 2022 mit dem obligatorischen Spatenstich, hohen Erwartungen und nicht minder hohen Fördersummen gestartet. Allein rund 8 Millionen Euro sollten in der Eifelstadt investiert werden, um damit eine klimaneutrale Energieversorgung für ein ganzes Industriequartier auf die Beine zu stellen. Doch das Herzstück der ganzen Anlage im Umfeld der Kaisersescher Verbandsgemeindeverwaltung ist nie in Betrieb gegangen: ein Elektrolyseur, der eigentlich von Dezember des Jahres 2023 an rund 400 Kilogramm grünen Wasserstoff pro Tag hätte produzieren sollen. Stattdessen liefern Sattelzüge den benötigten Energieträger in die Eifel.
Das Reallabor der Energiewende, das ab Oktober des Jahres 2022 in Kaisersesch gebaut wurde, war von Anfang an ein groß angelegter Versuchsaufbau: Kann es gelingen, ein ganzes Gewerbequartier auf Basis von grünem Wasserstoff mit ausreichend Energie zu versorgen? Für in der Realität erprobte Antworten auf diese Frage hatten sich unter andern der Engerieversorger EON, der Heizungsbauer Viessmann und die Verbandsgemeinde (VG) Kaisersesch zusammengeschlossen.
Keine lokale Erzeugung möglich
Ein Elektrolyseur des französischen Unternehmens Elogen sollte das Herzstück in diesem Versuchsaufbau sein. Mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energieträgern, gewonnen im Kreis Cochem-Zell, sollte die Anlage Wasser in seine Bestandteile zerlegen, nämlich in Wasserstoff und Sauerstoff. Seit wann produziert der Elektrolyseur denn nun grünen Wasser? Wie viel davon ist schon produziert worden? Und wofür wurde verwendet? Unter anderem mit diesen Fragen hat sich unsere Zeitung an die VG Kaisersesch gewandt, die diese an die Konsortialpartner des Projekts weitergab.
Der Energieversorger EON teilt unter anderem mit: „Auf die lokale Wasserstofferzeugung im Quartier wird verzichtet, da die Erzeugungsanlage nicht rechtzeitig fertiggestellt und in Betrieb genommen werden kann. Daher wird in der aktuellen Projektphase des Regelbetriebs grüner Wasserstoff per Trailer angeliefert.“
Regelbetrieb seit Februar
Der Regelbetrieb mit dem per Lastwagen nach Kaisersesch gekarrten Wasserstoff läuft demnach seit dem 3. Februar dieses Jahres. EON erläutert: „Die Infrastruktur umfasst eine rund 1,4 Kilometer lange Pipeline mit einem Betriebsdruck von bis zu 70 bar und liefert Wasserstoff für eine sektorübergreifende Nutzung.“ Das funktioniere wie folgt: „Grüner Wasserstoff wird per Trailer angeliefert und in die Pipeline vor Ort eingespeist. Von dort aus wird das Gas an die Kunden verteilt, die den Wasserstoff im Sinne der Sektorenkopplung weiterverwenden.“
Zwei Kunden sind es EON zufolge, die den grünen Wasserstoff nutzen: Viessmann wandelt ihn mit umgerüsteten Gas-Brennwertgeräten und Brennstoffzellen in Wärmeenergie und Strom um. „Die Wärme wird über ein Nahwärmenetz direkt für die Wärmeversorgung der Verbandsgemeinde Kaisersesch genutzt“, teilt EON weiter mit. „Der erzeugte Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.“
EON: Keine weiten Fahrwege
Der zweite Kunde ist Hydrogenious LOHC aus Erlangen. Dieser „speichert den angelieferten grünen Wasserstoff in Form von LOHC“, führt EON aus. „Die Abkürzung steht für Liquid Organic Hydrogen Carrier und beschreibt die Bindung des Wasserstoffs an eine schwer entflammbare organische Trägerflüssigkeit. In diesem Zustand kann der Wasserstoff sicher gespeichert und weiter transportiert werden.“
Aber ist es nicht widersinnig, grünen Wasserstoff per Lkw nach Kaisersesch zu bringen, wenn ein teurer Elektrolyseur nur wenige Meter vom Verarbeitungsort entfernt steht? Der aktuell genutzte Wasserstoff stamme aus einem modernen Elektrolyseur in Rheinland-Pfalz und werde regional erzeugt, lässt EON wissen. „Weite Fahrwege werden durch einen regionalen Anbieter vermieden.“
Heizung fürs VG-Gebäude läuft
Und sonst? Ein Hersteller von Blockheizkraftwerken in Kaisersesch hätte ebenfalls mit Wasserstoff aus dem Elektrolyseur in VG-Verwaltungsnähe versorgt werden sollen. Dessen Anbindung an die Infrastruktur sei realisiert worden. „Eine Versorgung mit Wasserstoff findet derzeit jedoch nicht statt“, teilt EON mit. Eine Wasserstofftankstelle, die zwar selbst nicht Bestandteil von SmartQuart ist, davon jedoch hätte profitieren sollen, lässt aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls auf sich warten.
Aber klappt es denn, das Verwaltungsgebäude auf Wasserstoffbasis zu beheizen? „Die neue Wasserstoffheizung im Verwaltungsgebäude wurde vom 16. bis 20. Dezember 2024 im Probebetrieb getestet“, schreibt Viessmann auf Anfrage per Mail. „Während dieser Zeit wurde die Anlage in verschiedenen Szenarien erprobt, um ihre Funktionalität in Kombination mit der vorhandenen Wärmepumpe sicherzustellen.“ Nach dem Abschluss aller Vertragsformalitäten zwischen EON, Viessmann und der VG Kaisersesch „nahm die Wasserstoffheizung am 3. Februar 2025 ihren regulären Betrieb auf“.
Kostenverteilung? Ein Verweis auf Vertraulichkeit
Mit deren Leistung sei man „sehr zufrieden“. Und weiter teilt Viessmann mit: „Sollte die Wasserstoffversorgung nicht ausreichend gewährleistet werden können, übernimmt eine zusätzliche Wärmepumpe nahtlos die Wärmeversorgung, so ist eine Ausfallsicherung geschaffen.“ Insgesamt konnten demnach seit Februar dieses Jahres circa 50.000 Kilowattstunden Wärme bereitgestellt werden.
Auch die Wärmeproduktion über die Wasserstoffheizung startete später als ursprünglich geplant. Das dreiteilige Gesamtprojekt SmartQuart, an dem außer Kaisersesch auch die Städte Bedburg und Essen teilnehmen, umfasst Gesamtinvestitionen von 60 Millionen Euro. 60 Prozent davon sollen aus Kommunen und Wirtschaft kommen, 40 Prozent vom Bundeswirtschaftsministerium. Der Elektrolyseur für Kaisersesch wurde ohne Fördermittel beschafft, und zwar auf Rechnung von EON, teilt das Unternehmen mit. Ansonsten könne man die Kostenverteilung nicht weiter aufdröseln – „aufgrund der Vertraulichkeitsvereinbarungen der Konsortialpartner“.
Dass Letztgenannte öffentlich zum Projektstand Stellung beziehen, das hatten verschiedene Fraktionen in einer Sitzung des VG-Rats Kaisersesch gefordert. Der VG zufolge soll es zu einer solchen Veranstaltung im Mai kommen.