Ein Elektrolyseur, der nie ans Laufen kam, und grüner Wasserstoff, der seinen Weg in die Eifel bloß per Trailer, also Lastwagen, findet – es waren keine Jubelbotschaften, mit denen das Wasserstoff-Reallabor der Energiewende „SmartQuart“ zuletzt in die Schlagzeilen geriet. Und doch kommt Roland Hermes, Vice President Asset Management & Innovation beim Essener Energieunternehmen EON, mit Blick auf das noch bis zum Jahresende laufende Modellprojekt zu einem klaren Zwischenergebnis: „Aus Ingenieurssicht ist es gut gelaufen. Wir haben sehr, sehr wertvolle Erkenntnisse erlangt, die wir auch in die Anwendung bringen.“ Ist also jeder Cent in dem viel Steuergeld gepushten Projekt sinnvoll verwendet? Auf diese Frage gab es keine abschließend klare Antwort am Montagabend in der Kaisersescher VG-Verwaltung. Auf eine andere Frage schon, und die fiel aus Sicht der Eifelstadt nicht erfreulich aus.
Gesamtprojektleiter: Nach 2025 kein Weiterbetrieb im Kaisersescher Wasserstoffquartier
Funk, Fernsehen und eine Menge gespannter Zuhörer – so viel medialer Auftrieb wie am Montag war selten bei einer Sitzung des Verbandsgemeindrates Kaisersesch. Doch es war der Sache angemessen. Schließlich wollte die Eifel-VG ihr grünes Wasserstoffwunder erleben, als sie im Jahr 2019 die Förderzusage für die Teilnahme am dreiteiligen Modellprojekt SmartQuart erhielt. Aus der Eifel sollten praxiserprobte Lösungen dafür kommen, wie grüner Wasserstoff einen gehörigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten kann. Und damit nicht genug, diese Lösungen sollten auch noch auf andere Orte in der Republik übertragbar sein.
Mit jährlich rund 100 Tonnen grünem Wasserstoff, produziert in einem sogenannten PEM-Elektrolyseur, sollte die etwas mehr als 3000 Einwohner zählende Eifelstadt zu einem Innovationsmotor der Republik werden, möglich auch noch nach Ende der fünf- respektive sechsjährigen Projektlaufzeit. Daraus wird nichts. „Es wird nach 2025 keinen Weiterbetrieb im Quartier hier in Kaisersesch geben“, machte Jürgen Hammelmann, Gesamtprojektleiter SmartQuart bei der Gesellschaft Westnetz, am Montagabend deutlich.

„Zum jetzigen Zeitpunkt kriegen wir keine Wirtschaftlichkeit hin. Daran würde auch der Elektrolyseur nichts ändern.“
Roland Hermes, Vice President Asset Management & Innovation beim Essener Energieunternehmen EON
Den Grund dafür benannte Roland Hermes: „Zum jetzigen Zeitpunkt kriegen wir keine Wirtschaftlichkeit hin. Daran würde auch der Elektrolyseur nichts ändern.“ Also jenes Gerät, das Wasser mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in seine Bestandteile - Wasserstoff und Sauerstoff - hätte zerlegen sollen. Angeschafft hatte EON die 1-Megawatt-Anlage auf eigene Rechnung bei einem europäischen Hersteller, nachdem dessen Referenzen geprüft worden seinen. Hermes erläuterte: „Wir haben uns bewusst für die technologisch kompliziertere Elektrolyse entschieden, weil sie Sonne und Wind folgen kann.“ Das heißt, sie kann sich besser auf die schwankenden Lieferzeiten dieser Energieträger einstellen.
Doch es kam zu nicht vorhersehbaren technischen Problemen. Erst im Sommer vergangenen Jahres zeichnete sich Hermes zufolge endgültig ab, dass ein funktionierender Elektrolyseur frühestens 2026 kommen würde. „Es war kein Lieferant lieferfähig“, unterstrich Hermes. Dafür machte Hermes unterschiedliche Gründe aus. Nicht jeder Hersteller, der einen 100-kW-Elektrolyseur ans Laufen bringen könne, bekomme das auch bei einer 1-MW-Anlage hin. Und von der Größenordnung 1 MW als eine Art Standard sei die Entwicklung in der Industrie eher auf 5 MW gegangen.

Partner: Tests unter realen Bedingungen liefern wichtige Erkenntnisse
Damit die Partner die unterschiedlichen Komponenten im Kaisersescher Wasserstoffquartier trotzdem noch unter realen Bedingungen testen konnten, kam der grüne Wasserstoff aus anderen Elektrolyseuren in Österreich und Deutschland, zuletzt aus Ludwigshafen. Die erzielten Testerfolge sind in den Augen der Beteiligten enorm (wobei die vollständige Auswertung und Konsolidierung der Ergebnisse noch läuft):
- In einer eigens gebauten, 1,5 Kilometer langen und mit Hochdruck (70 bar) betriebenen Pipeline konnten 418 Kilogramm grüner Wasserstoff gespeichert werden - und über das Leitungssystem können sie auch weiterverteilt werden.
- Das Erlanger Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Hydrogenious LOHC Technologies konnte mehr als 1000 Kilogramm grünen Wasserstoff an eine organische Trägerflüssigkeit binden und so gefahrlos transportierbar machen. „Wir haben hier wirklich viel erreicht“, sagte Daniel Hölker, technischer Projektleiter SmartQuart bei Westnetz. Viele Erkenntnisse aus Kaisersesch seien schon ins DVGW-Regelwerk eingeflossen, das die Grundlage für alle Aktivitäten in der Gas- und Wasserwirtschaft ist.
- Und Alexander Dauensteiner, Projekt Owner, beim Heizungsbauer Viessmann hob hervor: „Kaisersesch ist für uns das wichtigste Projekt von allen.“ In der Eifelstadt könne man unter realen Bedingungen „erproben, wie die Umstellung von Erdgas auf 100 Prozent Wasserstoff funktioniert.“ Das Projekt sei eine „tragende Säule für die Umstellbarkeit auf grünen Wasserstoff“.
- Dirk Müller, Professor am Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik, an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, verdeutlichte, dass die Uni dank des dreiteiligen SmartQuart-Projekts viele Praxiskenntnisse gewinne, was die hoch automatisierte Steuerung und Regelung vieler dezentraler Energieerzeugungseinheiten betreffe. Auf die komme es im Energiesystem der Zukunft an.
„Was haben die da eigentlich mit den Fördergeldern gemacht?“
Helmut Braunschädel für die SPD-Fraktion im Kaisersescher VG-Rat
Albert Jung, Bürgermeister der VG Kaisersesch konstatierte, die VG habe mit ihren rund 500.000 Euro Fördergeld „1,5 Stellen über fünf Jahre finanziert“. Darüber hinaus habe sie die Wasserstofftechnologie und das Projekt öffentlich in den Diskurs gebracht - unter anderem mit 78 Vor-Ort-Terminen, mehr als 60 Fachvorträgen und fünf Bürgerdialogforen.
Gegen Ende der von der SPD-Fraktion des VG-Rats beantragten Informationsveranstaltung zu SmartQuart stellte der Sozialdemokrat Helmut Braunschädel im Namen der Bürger eine Frage in den Raum, die letztlich nur in Teilen klar beantwortet wurde: „Was haben die da eigentlich mit den Fördergeldern gemacht?“
Wie wenig bleibt für Kaisersesch hängen?
Es war die komplizierte Technologie, verbunden mit den besonderen Anforderungen des Kaisersescher Wasserstoffquartiers, die dazu geführt hat, dass der ausgewählte europäische Hersteller den 1-Megawatt-Elektrolyseur für die Eifel nicht ans Laufen bringen konnte. Diese Antworten holten sich sowohl Günter Urwer von der FpuWG Dr. Pertzborn als auch Peter Bleser (CDU) ab, als sie in deutlichen Worten kritisierten, dass kein funktionierender Elektrolyseur nach Kaisersesch kam. Bleser wollte zudem wissen, ob man regional etwas zur Verbesserung der Speichermöglichkeiten und zur Steigerung der Netzstabilität beitragen könne. In Sachen Speicherung von überschüssigem Wind- und Solarstrom werde Wasserstoff wohl eher in industriellen Größenordnungen eine Rolle spielen. Batteriespeicher hätten sich einfach unglaublich entwickelt, entgegnete RWTH-Professor Müller. Er sagte: „Dass wir einen Wettlauf verschiedener Speichertechnologie haben, ist positiv.“