Im Herbst 2027 soll planmäßig der erste von 35 neuen Kampfjets des Typs F-35 A Lightning II auf dem Fliegerhorst des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel landen. Für den Bundwehrstandort in der Eifel beginnt mit dem hochmodernen Waffensystem eine neue Ära. So viel steht fest. Wird es für Tausende Anwohner des Fliegerhorstes vor allem eine Ära schier unerträglicher Lärmbelastungen? Entsprechende Befürchtungen gibt es im Umfeld durchaus. Ein Blick in andere europäische Länder verstärkt die Sorgen eher, als dass sie diese entkräftet. Sogar von Umsiedlungen oder vom Abriss bestimmter Häuser in direkter Nachbarschaft eines F35-A-Stützpunktes ist dort zu hören.
Was Generalleutnant Ingo Gerhartz, seit Mai 2018 Inspekteur der Luftwaffe, im Januar 2023 rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörern im Auderather Bürgerhaus sagte, wissen Tausende Cochem-Zeller, die rund um Fliegerhorst Büchel wohnen, nur allzu gut: „Ein Kampfflugzeug, was leise ist, im Flüsterton, wird es nicht geben.“ Gerhartz ging beim Neujahrsempfang der Cochem-Zeller CDU auf eine Frage aus dem Publikum ein – eine, die in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen ist: Auf welche Lärmbelastung müssen sich die Einwohner umliegender Dörfer einstellen, wenn die F-35 A den Regelflugbetrieb in der Eifel aufnimmt?
Zu viel Krach: In Norwegen wurden Häuser abgerissen
Eine F-35 sei im Anflug lauter als vier Tornados. So habe er es gehört, sagte der Fragensteller. Diese These zweifelte der Luftwaffenchef an. Was er als Nächstes erläuterte, offenbarte aber auch: Dass die F-35 A Lightning II aus der US-amerikanischen Waffenschmiede Lockheed Martin als vergleichsweise laut gilt, ist bekannt. Die F-35 könne ohne Nachbrenner starten und auch ohne Schubumkehr landen. Außerdem laufe das Flugtraining bei der F-35 zu einem höheren Anteil als beim Tornado im Simulator ab, nicht tatsächlich im Kampfjetcockpit über den Eifelhöhen.
Soll heißen: Es gibt die Hoffnung, dass zumindest die Gesamtlärmbelastung für die Menschen im Fliegerhorstumfeld nicht steigt. Nur: Was haben die Bürgerinnen und Bürger von dieser Aussicht, wenn die F-35 A im konkreten Fall eines Flugmanövers tatsächlich so viel lauter durch die Lüfte donnert, als das vorher beim Tornado der Fall war? Das Schweizer Radio und Fernsehen schaute in einer Reportage vom 20. Oktober 2021 auf die Halbinsel Ǿrland, wo die norwegische Luftwaffe ihre F35-Flotte stationiert hat. In der Einflugschneise wurden demnach wegen der Lärmbelastung 150 Häuser vom Militär aufgekauft und abgerissen. Die Bewohner von 100 bis 200 Bauernhöfen wurden entweder umgesiedelt oder ihre vier Wände wurden schallschutztechnisch massiv aufgerüstet, sofern die Eigentümer bleiben wollten.
Auch in der Schweiz ist der F-35-Lärm ein Thema
Auch in den Niederlanden oder in den USA erhoben Anwohner von Militärflughäfen vermehrt Lärmklagen, nachdem dort F35-Jets eingeführt worden waren, berichtet das Schweizer Fernsehen. Doch wieso überhaupt das Schweizer Fernsehen? Weil die Schweiz zwischen 2027 und 2030 ebenfalls mehr als 30 Kampfjets vom Typ F35-A im Land stationieren will. Das löst rund um die Militärflugplätze Payerne, Meiringen und Emmen große Sorgen und Unruhe in der Bevölkerung aus.
Im Januar 2019 hat die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) Lärmmessungen an den Flugplätzen Payerne und Meiringen vorgenommen – beim Start, bei der Landung und beim Rollen der F-35-Kampfjets. So ist es unter anderem der Antwort des Schweizer Bundesrats auf eine Anfrage (Interpellation) des Grünen Parlamentsabgeordneten Christophe Clivaz zu entnehmen. Nach einem Bericht des Schweizer Fernsehens ist die F-35 den Messungen zufolge beim Start drei Dezibel lauter als die F/A-18, beim Rollen am Boden sogar fünf Dezibel. Bei der Landung verursacht sie bis zu einem Dezibel mehr Krach.
Schon geringe Messwerterhöhung bedeutet viel
Das klingt zwar nicht nach viel, ist aber beachtlich. Denn in der Regel entspricht eine Erhöhung des Schallpegels um drei Dezibel einer Verdopplung des Schalldrucks (also der Stärke von Schallwellen). Und die Dezibelskala drückt kein lineares, sondern ein logarithmisches Verhältnis aus, wie sich zum Beispiel auf der Internetseite des Beschallungstechnikspezialisten Monacor (monacor.de) nachlesen lässt. Das bedeutet unter anderem, dass eine Steigerung von 80 auf 81 Dezibel viel größer ist als eine Steigerung von sieben auf acht Dezibel. Und ein düsengetriebenes Flugzeug ist per se extrem laut.
Das verhält sich in den Niederlanden, in Norwegen oder der Schweiz keineswegs anders als in der Eifel. Angesichts dieser Ausgangslage verwundert es nicht, dass sich ein Gebäudebesitzer aus dem Bücheler Umfeld besorgt an unsere Zeitung gewandt hat: Wie ernst nimmt das Taktische Luftwaffengeschwader 33 die Sorgen des Umlandes vor einer unzumutbar hohen Lärmbelastung infolge der F-35-Stationierung? Müssen Lärmschutzzonen angepasst werden? Werden einzelne Häuser in der Einflugschneise gar unbewohnbar? Wird die Bundeswehr für potenziell nötige Verbesserungen der Lärmschutztechnik an Gebäuden aufkommen? In seiner erwähnten Anfrage vom 17. März 2022 führt der Schweizer Grünen-Abgeordnete Christophe Clivaz an, Norwegen besitze 21 F-35-Kampfflugzeuge und habe „Hunderte Millionen Franken“ für mehr Lärmschutz an Gebäuden „oder für deren Kauf durch die Armee aufgewendet“.
„Belastbare Erfahrungswerte im Bereich Lärmentwicklung in den verschiedenen Phasen und bezogen auf den Standort liegen aktuell noch nicht vor.“
Aus einer schriftlichen Mitteilung des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33
Steht so etwas auch in der Eifel an? Auf Anfrage hebt das Taktische Luftwaffengeschwader 33 schriftlich hervor: „Das Thema Geräuschentwicklung muss differenziert betrachtet werden, denn dieses Feld lässt sich in verschiedene Phasen (Rollphase, Startphase, Flugphase und Landephase) aufteilen.“ Zudem hänge die Lärmausbreitung von unterschiedlichen Standortfaktoren ab, zum Beispiel von der Bodenbeschaffenheit, natürlichen oder menschengemachten Hindernissen oder Wettereinflüssen.
Dem stehen mögliche Lärmminderungsmaßnahmen gegenüber, die am Fliegerhorst Büchel zumindest für die Roll-, Start- und Landephasen entwickelt werden, teil das Geschwader weiter mit. Das könnten zum Beispiel eine Beschränkung der Triebwerksleistung beim Rollen sein und/oder nach dem Start die Wahl eines Flugwegs, der bewohnte Gebiete so gut wie möglich meidet. Auch die Wahl der Flugzeugstellplätze für den Betrieb am Boden spiele eine Rolle. Weiter heißt es: „Belastbare Erfahrungswerte im Bereich Lärmentwicklung in den verschiedenen Phasen und bezogen auf den Standort liegen aktuell noch nicht vor.“ Das wolle man ändern, sobald die erste F-35 A in Büchel eingetroffen sei. Auch Luftwaffenchef Gerhartz versprach im Januar 2023 in Auderath: „Es wird Lärmmessungen geben.“
Vermehrter Simulatoreinsatz soll Anzahl der Flüge senken
Im Übrigen verweist das Geschwader auch darauf, dass man sich bei der F-35 verstärkt auf simulatorgestützte Missionen stützen werde. Die Anzahl der Flüge sinke also. Im Nachbarland Schweiz geht die Armee einem Fernsehbericht zufolge davon aus, dass die Anzahl der Flugbewegungen am Flugplatz Payerne mit der F-35 um circa die Hälfte reduziert wird – gegenüber dem Betrieb mit der F/A-18. Statt 11.000 Flüge im Jahr werde es maximal noch 5500 Flüge geben.
Das Taktische Luftwaffengeschwader 33 erwartet sich „durch den parallelen Flugbetrieb von Tornado und F-35 A“ noch „weitere Erkenntnisse im Bereich der Lärmemission“. Der Gefahr, durch Lärm womöglich geschädigt zu werden, ist auch das Personal des Geschwaders ausgesetzt, das an den Kampfjets und in deren direkter Nähe arbeitet. Deshalb achte man bei der derzeit laufenden Modernisierung des Fliegerhorstes streng darauf, dass nationale und internationale Vorgaben zum Arbeitsschutz verwirklicht werden. Das Geschwader versichert: „Insgesamt betrachten wir – gegenwärtig wie zukünftig – sämtliche Verfahren (fliegerisch wie nicht fliegerisch), um eine hohe Lärmemission so weit wie möglich zu vermeiden.“
Auch der Tornado-Kampfjet ist noch nie geräuschlos über die Eifelhöhen bei Büchel gedonnert. Doch die neue F-35, die bald auf dem Fliegerhorst stationiert werden soll, gilt als besonders laut. So sehen das Mitwirkende in der Fluglärmkommission.F-35-Lärm in Eifel: Umfeld hofft auf Transparenz der Bundeswehr
Geschwader verspricht Informationen und Aufklärung
Voraussichtlich mehr als eine Milliarde Euro wird in den Fliegerhorst Büchel investiert, um der F-35 A im wahrsten Sinne des Wortes den Boden zu bereiten. Für die Landes- und Bündnisverteidigung sind die Fähigkeiten des hochmodernen Kampfjets aus Sicht des Geschwaders essenziell. Für die Akzeptanz der neuen „Wunderwaffe“ in der Bevölkerung rund um den Fliegerhorst dürfte etwas anderes essenziell sein, das – zumindest im ersten Moment – günstiger zu haben ist als ein Kampfjet oder ein F-35-Campus: eine restlose und rechtzeitige Aufklärung darüber, wie viel mehr Lärm der Betrieb des neuen Kampfjets mit sich bringt und wie die Menschen vor den Folgen geschützt werden sollen.
Genau die stellt das Geschwader zumindest in Aussicht. Es teilt mit: „Wir sehen der Einführung der F-35 A positiv entgegen und setzen auf den bereits in der Vergangenheit etablierten, vertrauensvollen und sehr konstruktiven Austausch mit den regionalen Mandatsträgern, zum Beispiel in Form der Fluglärmkommission.“ Dieser Austausch sollte im Idealfall deutlich früher beginnen als mit der ersten, für Ende 2027 geplanten Landung einer F-35 A in Büchel. Sonst wird aus dem leisen Rumoren im Fliegerhorstumfeld beim Thema Fluglärm vermutlich schnell ein größeres Getöse.
Triebwerksunterschiede und Nachbrenner
Zwischen den Kampflugzeugen PA-200 Tornado und F-35 A Lightning II gibt es grundlegende Unterschiede in der Bauart. Wie das Taktische Luftwaffengeschwader 33 auf Anfrage erläutert, betreffen diese zum Beispiel auch das Antriebskonzept. Ein Tornado hat zwei Triebwerke, eine F-35 nur eines. Was Leistung und Bauart angeht, sind diese Triebwerke ebenfalls verschieden. „Diese Unterschiede“, so das Geschwader, „haben Auswirkungen auf die Lärmemissionen.“ Ein Nachbrenner steigert den Schub eines Triebwerks. Er verbrennt das heiße Gas, das aus der Turbine ausströmt, in einem Rohr ein weiteres Mal – mit zusätzlichem Kraftstoff. Das ist sehr laut, wie auf der Webseite flugrevue.de nachzulesen ist.