Die Forschungsergebnisse, die im Kaisersescher Wasserstoffquartier gewonnen wurden, sind enorm wertvoll. So haben es die Projektpartner in dem mit Millionen Euro an öffentlichen Fördergeldern ausgestatteten Reallabor der Energiewende bei einer Infoveranstaltung am 19. Mai in der Eifelstadt einmütig versichert. Doch wie teuer erkauft – also in Euro und Cent – waren diese Ergebnisse aus Sicht des Steuerzahlers? Das ist gar nicht so einfach zu klären. Es gelingt nach und nach.
Der Bund hat die Fördermittel für das deutschlandweit erste Reallabor der Energiewende unter dem Titel „SmartQuart“ im Jahr 2019 bewilligt. Das Gesamtprojektvolumen war mit 60 Millionen Euro angegeben (bei einer Laufzeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2025), zu 60 Prozent geschultert von den Projektpartnern aus Kommunen und Wirtschaft, zu 40 Prozent über Mittel des Bundeswirtschaftsministeriums. Förderfähig waren nur die Anteile aus dem Segment „Forschung & Entwicklung“ (F&E). Wenn alle neun Partner im dreiteiligen Gesamtprojekt bis zum Ende dieses Jahres alle bereitstehenden Fördermittel voll und ganz abrufen würden, könnten es 17,4 Millionen Euro werden.

EON: Erkenntnisse aus Kaisersesch sind sehr wertvoll
Die Partner im Wasserstoff-Modellprojekt SmartQuart kamen jetzt zu einer Infoveranstaltung nach Kaisersesch. Wurde in der Eifel vor allem Fördergeld verpulvert oder richtig viel erreicht in puncto Energiewende?
Hydrogenious LOHC Technologies: Bislang 1,38 Millionen Euro Fördergeld abgerufen
Doch was haben die fünf am Kaisersescher Wasserstoffquartier beteiligten Verbundpartner – der Energieversorger EON, die Hydrogenious LOHC Technologies GmbH, die Verbandsgemeindeverwaltung Kaisersesch, die gridX GmbH und die Viessmann Holding International GmbH – bisher für das Teilprojekt in Kaisersesch abgerufen?
EON hat nach eigenen Angaben für Kaisersesch bislang rund 1 Million Euro an Fördermitteln abgerufen, die VG-Verwaltung Kaisersesch rund 500.000 Euro. Das Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Hydrogenious LOHC Technologies aus Erlangen teilt auf Anfrage per Mail mit: „Wir haben unser Teilprojekt – unabhängig von der Wasserstoffquelle – wie geplant umgesetzt und dafür bislang 1,38 Millionen Euro an Fördergeldern abgerufen.“
Der für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Frank Erik Walter fügt hinzu: „Die Förderung deckt allerdings nur einen Teil unserer Gesamtkosten und ist an strenge Bedingungen geknüpft, welche wir umfassend erfüllen.“ Hydrogenious LOHC hat, erläutert Walter schriftlich, „eine Anlage zur chemischen Bindung (Hydrierung) von Wasserstoff an ein flüssiges organisches Trägermedium (Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC) gebaut und betreibt diese wie geplant seit März 2025“. Er hebt hervor: „Im Rahmen des Regelbetriebs in dieser Reallabor-Umgebung gewinnen wir wertvolle Daten für kommende Projekte und können das hydrierte LOHC an Abnehmer aus dem Forschungsbereich liefern.“

Erkenntnisse für Umstellung von Erdgas auf 100 Prozent Wasserstoff gewonnen
Im Gesamtprojekt SmartQuart sind dem Heizungsbauer Viessmann rund 1,6 Millionen Euro für die Entwicklung und Erprobung wasserstofffähiger Endgeräte bewilligt worden. Das ist einem öffentlich zugänglichen Förderkatalog zu entnehmen (www.enargus.de), auf den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hinweist. Wie viel von dieser Summe bislang für das Teilprojekt in Kaisersesch abgerufen wurde? Eine Antwort von Viessmann auf eine entsprechende RZ-Anfrage steht noch aus.
Allerdings lieferte das Unternehmen nach eigenen Angaben eine erprobtermaßen funktionierende Wasserstoffheizung, die Wärmeenergie fürs VG-Verwaltungsgebäude und elektrische Energie fürs Stromnetz produziert. Das Heizen mit Wasserstoff ist wirtschaftlich jedoch nicht sinnvoll – im Vergleich zu einer Versorgung über Wärmepumpen. Das wurde auch bei der Infoveranstaltung am 19. Mai in Kaisersesch deutlich. Doch Alexander Dauensteiner von Viessmann unterstrich eben den hohen Erkenntnisgewinn im Kaisersescher Wasserstoffquartier. Hier konnte man unter realen Bedingungen „erproben, wie die Umstellung von Erdgas auf 100 Prozent Wasserstoff funktioniert“.

22 Monate lang vergeblich am Elektrolyseur gearbeitet
Im Kaisersescher Reallabor der Energiewende ist in den vergangenen Jahren viel schiefgelaufen. Ein Wasserstoffquartier in der Eifel hat keine wirtschaftliche Zukunft. Kommunal- und Bundespolitiker wollen Antworten.
Intelligente Vernetzung dezentraler Energiequellen
Das Unternehmen gridX mit Sitz in Aachen hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, verschiedene dezentrale Energieressourcen intelligent miteinander zu vernetzen. Für die „Entwicklung und Implementierung eines intelligenten Quartiersbetriebssystems inklusive übergreifender Vernetzung“ ist der Gesellschaft, die auch ein Büro in München hat, vom Bund eine Gesamtfördersumme von rund 2,1 Millionen Euro bewilligt worden. So ist es dem erwähnten Förderkatalog zu entnehmen. Jedoch bezieht sich diese Summe allem Anschein nach auf alle drei smarten Quartiere, also auf Kaisersesch, Bedburg und Essen. Wie viel von diesem Geld bislang tatsächlich abgerufen wurde und ob sich die Summe nach Quartieren aufdröseln lässt – dazu läuft noch eine Nachfrage.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie teilte auf Anfrage am Dienstag dieser Woche mit, auf die Projektarbeiten im Wasserstoffquartier Kaisersesch, in dem die erwähnten fünf Konsortialpartner zusammenwirken, könnten alles in allem circa 5 Millionen Euro an Fördergeldern entfallen, verteilt auf die sechsjährige Gesamtlaufzeit des Projekts. „Der Mittelabfluss dieser Partner liegt für deren Anteil an den Arbeiten in Kaisersesch bei circa 68 Prozent“, teilt das Ministerium mit. „Das entspricht einem aktuellen Mittelabfluss für diesen Standort in Höhe von circa 3,4 Millionen Euro.“

Blaupause für Kommunen und Privathaushalte: Europaweit einmaliges Wasserstoffprojekt startet in Kaisersesch
Grüner Wasserstoff gilt als Champagner der Energiewende. Nur 2 Prozent des Energieträgers der Zukunft stammt bislang aus erneuerbarer Energie. Ein europaweit einmaliges Projekt in Kaisersesch in der Eifel könnte aus dem Champagner einen bezahlbaren Sekt machen.
EON: Elektrolyseur wurde erst Ende Mai 2023 aufgestellt
Den Elektrolyseur, der das Wasserstoffquartier in Kaisersesch mit grünem Wasserstoff hätte versorgen sollen, hat das Energieunternehmen EON nach eigenen Angaben selbst bezahlt. Er „wurde am 31.05.2023 geliefert und aufgestellt“, teilt EON auf Nachfrage mit. Heißt: Beim Spatenstich in Kaisersesch am 18. Oktober 2022 waren die technischen Probleme, die dazu führen sollten, dass der Elektrolyseur nie in Betrieb ging, noch gar nicht absehbar – anders als es zuvor zu lesen war. Öffentlich verlangte der Kaisersesch VG-Bürgermeister am 19. Mai von unserer Zeitung eine Korrektur dieses Fehlers. Allein: Es war kein Fehler unserer Zeitung. „Anfang 2022“ sei der Elektrolyseur „geliefert und aufgestellt“ worden. So antwortete Philipp Nimmermann, damals Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Anfang Mai auf eine schriftliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Marlon Bröhr. Ein Tipp- oder sonstiger Kommunikationsfehler? Jedenfalls keiner, den unsere Zeitung zu verantworten hätte.