So viel ist sicher: Die Regelung des Fahrzeugverkehrs durch die Cochemer Altstadt wird weiterhin ein Zankapfel bleiben. Maßgeblich dazu beigetragen hat am vergangenen Donnerstagabend eine Mehrheit des Stadtrats. Sie entsprach nämlich nicht einfach dem bei einer Einwohnerversammlung Anfang März geäußerten Bürgerwillen, die aktuelle saisonale Sperrung zu bestimmten Tageszeiten bestehen zu lassen und sie bloß um eine Stunde, von 18 auf 19 Uhr, zu verlängern. Stattdessen beschlossen zehn Ratsmitglieder, diese um eine Stunde verlängerte saisonale Sperrung ganzjährig gelten zu lassen. Zwar stimmten auch sieben Ratsmitglieder gegen eine Ausdehnung der Regelung aufs ganze Jahr, doch drei Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme.
Dass SPD-Ratsmitglied Frederik Eiden kurz nach der Beschlussfassung stocksauer ist, bekommen selbst die Zuhörer mit, die im Sitzungssaal des historischen Rathauses hinter ihm Platz genommen haben. Kopfschüttelnd sitzt Eiden am Ratstisch und wiederholt stakkatoartig den Satz „Ich fasse es nicht!“. Seine Fraktionskollegen schauen sich über den Tisch hinweg entgeistert bis ratlos an.
„Die Zeit ist anscheinend noch nicht reif dafür.“
Der CBG-Fraktionsvorsitzende Thomas Heimes zu den ursprünglichen Überlegungen, aus der Cochemer Altstadt eine Fußgängerzone zu machen.
Dabei hatten die Beratungen zu dem auch von vielen Zuhörern mit Spannung erwarteten Tagesordnungspunkt harmlos begonnen: Da ursprünglich ein Antrag der Cochemer Bürger-Gemeinschaft (CBG) Auslöser für die Beratungen im Stadtrat gewesen war, erteilte Stadtbürgermeister Walter Schmitz deren Fraktionsvorsitzendem das Wort. Thomas Heimes führte aus, bei der Bürgerversammlung Anfang März zur Verkehrsregelung in der Altstadt habe sich gezeigt, „dass der Schritt Fußgängerzone offenbar zu weit geht“. Er fügte hinzu: „Die Zeit ist anscheinend noch nicht reif dafür.“
Deshalb wolle die CBG ihren Antrag abändern: Die Cochemer Altstadt, also vor allem Pater-Martin-Straße, Marktplatz und untere Oberbachstraße, solle künftig morgens von 7 bis 8 Uhr gesperrt sein, damit Schüler sicher zu den Schulen am Schlossberg gelangen. Des Weiteren solle die bisherige Sperrzeit für den Verkehr von 11 bis 18 Uhr ausgeweitet werden, und zwar bis 19 Uhr. Diese Sperrungsregelung solle jedoch ganzjährig gelten, nicht nur während der Tourismussaison zwischen Karfreitag und Anfang November. Denn die Geschichte mit den hochgeklappten Bürgersteigen in Cochem zur Winterzeit funktioniere offensichtlich nicht.
SPD-Fraktion versteht die Welt nicht mehr
Eine punktuelle Wintersperrung zu bestimmten Veranstaltungen, beispielsweise dem Weihnachtsmarkt, bringe ebenfalls nur Mehrbelastungen für Bewohner der Alt- und Oberstadt mit sich. Warum? Weil viele einfach mal gucken fahren würden, ob die Stadt nun gesperrt sei oder nicht. Wegen der besseren Planbarkeit sollten die Sperrzeiten Heimes zufolge das ganze Jahr über gelten.
An dieser Stelle verstanden die Mitglieder SPD-Fraktion die Welt nicht mehr. Schließlich habe es bei der erwähnten Bürgerversammlung im Kapuzinerkloster Probeabstimmungen über mögliche Sperrzeiten gegeben. „Das Votum der Bürgersammlung ist eindeutig gewesen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Bernd Gilberg. Die Leute hätten sich mehrheitlich lediglich eine Verlängerung der saisonalen Sperrung in den Abendstunden bis 19 Uhr gewünscht – und flexible Sperrungen im Winter, wenn Veranstaltungen sind. Man solle es doch damit in diesem Jahr einmal probieren „und hinzufügen, dass wir uns schleunigst um ein Verkehrskonzept kümmern“.
„Bei der Bürgerversammlung ist keine Stimme aufgekommen, die gesagt hätte, wir wollen die Sperrung das ganze Jahr haben. Es wäre das völlig falsche Signal, wenn wir jetzt sagen würden, wir machen das ganzjährig.“
SPD-Ratsmitglied Hans Bleck
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Marco Steuer hingegen sprach sich ebenfalls für eine ganzjährig gültige Regelung aus. Der Wunsch nach einer ganzjährigen Verhinderung des Durchgangsverkehrs sei auch bei der Bürgerversammlung geäußert worden. Steuer sagte: „Wir wollen den Bürgern der Ober- und Innenstadt planbare Zeiten bieten.“ Er ergänzte: „Ein besonderes Anliegen ist uns der Schulweg als geschützter Raum.“ Und Schüler gingen nicht nur zwischen 7 und 8 Uhr durch die Stadt, sondern auch am Nachmittag sowie außerhalb der Tourismussaison.

Verkehrsregelung Cochem: Vom Lehrstück zur Lachnummer
Eine Mehrheit im Cochemer Stadtrat will die bisher nur während der Saison geltende Verkehrssperrung der Altstadt aufs ganze Jahr ausweiten. Ohne Not sendet diese Mehrheit ein schlimmes Signal an die Bürger.
SPD-Ratsmitglied Eiden konterte, bei der Bürgerversammlung habe sich eine „überzeugende Mehrheit gegen eine Sperrung über den Winter ausgesprochen“. Aus gutem Grund. Im Winter könne man mitunter sogar nackt über den Marktplatz laufen. „Da ist nichts los.“ Punktuelle Sperrungen bei Veranstaltungen, wie es sie schon gebe, genügten völlig. Hans Bleck bekräftigte: „Bei der Bürgerversammlung ist keine Stimme aufgekommen, die gesagt hätte, wir wollen die Sperrung das ganze Jahr haben. Es wäre das völlig falsche Signal, wenn wir jetzt sagen würden, wir machen das ganzjährig.“ Dann komme niemand mehr zu Bürgerversammlungen, weil es dann heiße: „Die machen ohnehin, was sie wollen.“
Akustische Probleme im hinteren Saaldrittel?
CDU-Ratsmitglied Christian Müller widersprach. Bei der Versammlung habe es mindestens 10 bis 15 Leute gegeben, die sich die Sperrung ganzjährig gewünscht hätte. Nach Ansicht mehrerer Christdemokraten hätten viele Teilnehmende bei der Bürgerversammlung im hinteren Saaldrittel bei den Probeabstimmungen gar keine Stimme abgegeben. Grund: Die Akustik sei dort so schlecht gewesen, dass gar nicht klar gewesen sei, was gerade abgestimmt werde.
In der Tat hätten einige gar nicht abgestimmt, räumte Stadtbürgermeister Walter Schmitz (CDU) ein. Dennoch sei der Mehrheitswille klar erkennbar gewesen: Ausdehnungen der bisher gültigen saisonalen Sperrzeiten abends um eine Stunde, bedarfsgerechte Sperrungen im Winter, ausdrücklich keine ganzjährige Sperrung.
„Die haben gegen den Willen der Bürger gestimmt.“
Ein Zuhörer nach der Sitzung des Cochemer Stadtrats
Trotzdem votierte der Rat – auf Grundlage der Stimmen von CBG und CDU – mehrheitlich dafür, dass die Cochemer Altstadt ganzjährig zwischen 7 und 8 Uhr sowie zwischen 11 und 19 Uhr für den Fahrzeugverkehr gesperrt sein soll. Nach dem Ende der öffentlichen Sitzung sagte einer der Zuhörer vor dem Ratssaal: „Die haben gegen den Willen der Bürger gestimmt.“
Rat folgt weiteren Bürgerwünschen einstimmig
Auf Wünsche aus der Bürgerversammlung von Anfang März eingehend beschloss der Cochemer Stadtrat am Donnerstag jeweils einstimmig Folgendes: Möglichst schnell soll ein Verkehrskonzept für Cochem her, dass das Ziel einer Entlastung verfolgt – samt integriertem Parkleitsystem. Die Beschilderungen sollen so verbessert werden, dass sich das Verkehrsaufkommen in der Altstadt reduziert. Und dies soll auch kontrolliert werden. An der Kelberger Straße sollen ÖPNV-Haltestellen eingerichtet werden. Die Verwaltung soll Möglichkeiten des Anwohnerparkens vor allem in der Kelberger Straße ausloten und sie auf Zweck- und Rechtmäßigkeit hin prüfen. dad