Nein, auf ganzer Linie gescheitert ist der groß angelegte Wasserstoff-Feldversuch in Eifelstadt Kaisersesch keineswegs. Aber weit davon entfernt ist er auch nicht. So lesen sich, etwas überspitzt formuliert, die Antworten aus dem zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (inzwischen: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) auf eine mehrteilige Anfrage des auch für den Kreis Cochem-Zell zuständigen CDU-Bundestagsabgeordneten Marlon Bröhr. Warum der Elektrolyseur, der in der Eifel grünen Wasserstoff hätte herstellen sollen, nie ans Laufen kam, geht aus diesen Antworten hervor. Und es wird deutlich: Als die Projektverantwortlichen am 18. Oktober 2022 den Spaten in die Hand nahmen, um öffentlichkeitswirksam zu zeigen, dass es nun in diesem „Reallabor der Energiewende“ so richtig rundgeht, müssen die massiven Probleme mit dem Herzstück der Anlage längst bekannt gewesen sein.
Für die Monate Februar und März dieses Jahres kamen dem Energieversorger EON zufolge insgesamt 1200 Kilogramm grüner Wasserstoff ins Kaisersescher Reallabor der Energiewende – per Sattelzug. Der 1-Megawatt-Elektrolyseur, der das Herzstück des Modellprojekts werden und grünen Wasserstoffe in der Eifelstadt produzieren sollte, kam wegen technischer Probleme nie ans Laufen. Zweimal kam das Gas sogar aus Österreich nach Kaisersesch. Seit Ende März konnte man für die Lieferungen dann auf einen Elektrolyseur in Ludwigshafen zurückgreifen. So teilte es EON im April mit.

Grüner Wasserstoff für Kaisersesch kommt per Sattelzug
Im Jahr 2019 erhielt die VG Kaiseresch den Zuschlag für ein bundesweit bedeutsames Wasserstoff-Modellprojekt namens SmartQuart. Es läuft alles andere als flüssig.
Ministerium: Von Juni an braucht es keine Wasserstofflieferungen mehr
„Ein wesentliches Projektziel im Quartier Kaisersesch war die Erprobung der errichteten Wasserstoffinfrastruktur“, antworte der damalige Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Philipp Nimmermann, mit Datum vom 5. Mai auf eine Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Marlon Bröhr. „Um diese innerhalb der Laufzeit umsetzen zu können, wurde auf kurzfristige Wasserstofflieferungen aus Trailern zurückgegriffen.“
Zu dieser Infrastruktur zählten beispielsweise eine 1,4 Kilometer lange Pipeline, eine weitere Anbindung zu einem Kaisersescher Spezialisten für Blockheizkraftwerke und eine Wasserstoffheizung für das Verwaltungsgebäude der VG. Um diese unter realen Bedingungen testen zu können, brauchte es eben Wasserstoff aus Trailern. Am 3. Februar ging das Wasserstoff-Reallabor in den Regelbetrieb. „Die Erprobung wird im Mai 2025 abgeschlossen sein, sodass ab diesem Zeitpunkt die Wasserstofflieferung über Trailer eingestellt wird“, teilte Nimmermann Bröhr auf dessen Anfrage hin schriftlich mit.

Mehr als 22 Monate lang versucht, den Elektrolyseur in Gang zu bringen
Wenn es gut läuft, werden es also bloß etwas mehr als vier Monate Regelbetrieb im Reallabor? Das hätte alles ganz anders laufen sollen. Beteiligte Partner und Zuwendungsempfänger im Kaisersescher SmartQuart-Konsortium sind die VG, der Energieversorger EON, die Gesellschaft Hydrogenious LOHC Technologies aus Erlangen und der Heizungsbauer Viessmann. Auch das macht die Antwort auf Bröhrs Anfrage deutlich. Anfang 2022 wurde der besagte Elektrolyseur geliefert und aufgestellt – auf Kosten von EON, also ohne Fördermittel. Dem Hersteller gelang es „trotz umfassender Nacharbeiten“ nicht, die Anlage, die Wasser mittels elektrischer Energie in seine Bestandteile – Wasserstoff und Sauerstoff – zerlegt, in Gang zu bringen.
Mehr als 22 Monate lang hätten die Projektpartner in Kooperation mit dem Hersteller versucht, die technischen Mängel, die nicht von den Projektpartnern verursacht worden seien, zu beheben, vor allem Dichtigkeitsprobleme. „Im Oktober 2024 gab das Konsortium bekannt, dass die Mängel nicht behoben werden konnten. Es wurde daher entschieden, vom Kauf des Elektrolyseurs zurückzutreten“, teilte Nimmermann Bröhr mit. Also EON trat zurück von dem ohne Steuergeld getätigten Kauf. „Da die Förderung des Reallabors nur noch bis zum 31. Dezember 2025 läuft, wurde auf eine Ersatzbeschaffung für den Elektrolyseur verzichtet“, antwortet Nimmermann dem CDU-Bundestagsabgeordneten auf eine andere Frage zum Kaisersescher „SmartQuart“.

Reallabor Kaisersesch braucht bisher wenig Wasserstoff
Das Wasserstoff-Reallabor in der Eifel hat ein Problem: Der teure Elektrolyseur, der den Modellversuch mit grünem Wasserstoff speisen sollte, funktioniert nicht. Dabei gibt der Steuerzahler viel Geld für das Prestigeprojekt der Energiewende aus.
Ministerium: Trotz der Misserfolge wichtige Erkenntnisse gewonnen
Trotzdem konnten aus Sicht des Ministeriums „durch das Vorhaben wichtige Erkenntnisse für zukünftige Wasserstoffprojekte gewonnen werden, die ohne eine Bundesförderung und Durchführung des Projekts im Realbetrieb nicht hätten erzielt werden können“. Dies betreffe zum Beispiel die Planung und Genehmigung sowie den „Aufbau der Infrastruktur vor Ort, womit auch Erfahrungen für eine Standardisierung des Genehmigungsprozesses erzielt werden konnten“. Das Kaisersescher Reallabor habe zudem Erkenntnisse zur Befüllung und zum Transport von Wasserstoff über das Leitungssystem, zur Umrüstung und zum Betrieb von Brennstoffzellen sowie zur Umrüstung eines Blockheizkraftwerks zur Nutzung des Wasserstoffs in der Wärmeversorgung geliefert. Auch die Speicherung von Wasserstoff habe erprobt werden können.
Ja, in der Tat, dem Heizungsbauer Viessmann zufolge lieferte die Wasserstoffheizung erfolgreiche Wärmeenergie für das VG-Verwaltungsgebäude und elektrische Energie fürs Stromnetz. Allerdings teilt Staatssekretär Nimmermann in einem der Antwortschreiben an Marlon Bröhr zum „SmartQuart“ Kaisersesch auch mit: „Im Projektverlauf hat sich gezeigt, dass die Wasserstofflösung auch bei Einbindung der Abwärmenutzung unter den aktuellen Rahmenbedingungen ökonomisch im Vergleich zu einer Versorgung über Wärmepumpen nicht sinnvoll ist.“
Ein wirtschaftlicher Betrieb nach Ablauf des Projekts ist unmöglich
Eine zu Beginn des Modellprojekts „geplante Errichtung einer Wasserstofftankstelle konnte ebenso wenig realisiert werden wie die Umrüstung des öffentlichen Nahverkehrs auf Wasserstoff beziehungsweise die Gewinnung weiterer gewerblicher Abnehmer von Wasserstoff“, führt der Staatssekretär aus. Dass Ergebnisse bei Forschungsprojekten aus dem Segment Forschung und Entwicklung (F&E) „nicht vollständig vorhersehbar sind und der Bund über die Förderung anteilig auch das finanzielle Risiko mitträgt, wenn ein Vorhaben nicht erfolgreich abgeschlossen werden“ könne, liege „in der Natur der Sache“, so Nimmermann.
Was also bleibt vom Wasserstoff-Reallabor in Kaisersesch – außer dass die VG nach eigenem Bekunden rund 500.000 Euro an Fördergeld abgerufen und ausgegeben hat und EON rund 1 Million Euro (Stand: Mitte April) abgerufen hat? Wenig bis nichts – diesen Verdacht legt ein Satz Nimmermanns aus den Schreiben an MdB Bröhr nah, der sich direkt an die Feststellung anschließt, dass es nicht gelungen sei, weiter gewerbliche Abnehmer von Wasserstoff für das Projekt zu gewinnen: „Ohne diese Abnehmer ist ein wirtschaftlicher Betrieb nach Ablauf des F&E-Vorhabens (FE steht für ,Forschung und Entwicklung‘) aber nicht möglich.“ Die Wasserstoff-Zukunft in Kaisersesch scheint also schon wieder beendet, ohne je vollends begonnen zu haben.
SmartQuart Kaisersesch: VG-Rat stellt Fragen
Zu Erfolgen, Misserfolgen und Kosten des Wasserstoffquartiers SmartQuart in Kaisersesch haben auch die Mitglieder des Verbandsgemeinderats Kaisersesch so einige Fragen. Dass in dem Areal rund um die Verbandsgemeindeverwaltung nicht alles glattzulaufen schien, war vom Hörensagen her bekannt. Von diesem Hintergrunde hatte die SPD-Fraktion in der Sitzung vom 7. April beantragt, dass Vertreter der Konsortialpartner die Mitglieder des VG-Rats über das Projekt informieren. Diese Information ist der erste Tagesordnungspunkt einer öffentlichen Sitzung, die am Montag, 19. Mai, um 18 Uhr im Konferenzraum der VG-Verwaltung Kaisersesch stattfindet.