„Die Bewältigung der Fluttraumata wird uns noch lange beschäftigen. Die psychosoziale Betreuung wird ein Dauerthema bleiben“, als Detlef Placzek, Opferbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz diese Sätze ausspricht, ist es ganz still im großen Saal des Dümpelfelder DüNaLü. Mehr als drei Jahre sind seit der Flutkatastrophe vergangen. Der Wiederaufbau der zerstörten Häuser und Infrastruktur im Ahrtal ist vielerorts angelaufen oder gar schon erfolgreich abgeschlossen.
Hilfsangebote im Fokus der fünften Podiumsdiskussion
Was vielerorts bei all diesem Bestreben nach Neuanfang und Normalisierung nach Jahren des flutbedingten Ausnahmezustands auf der Strecke geblieben ist, ist der seelische Wiederaufbau. Wie mit dem Erlebten umgehen? Wie die die flutbedingten Traumata verarbeiten? Anlass genug für die Rhein-Zeitung, sich diesem wichtigen Thema im Rahmen der Podiumsdiskussionsreihe „Aufbruch Ahr“ zu widmen. Gemeinsam mit Gesprächspartnern und Hilfsorganisatoren sollten Veranstaltungsbesucher Wege finden, wie sie Erlebnisse aus den Tagen der Flutkatastrophe und damit verbundene Sorgen, Nöte und Ängste auf- und verarbeiten können.
Die nüchterne Bilanz des Opferbeauftragten zu diesem Thema lässt die Besucher der Veranstaltung aufhorchen. Nachdenklich nehmen sie seine Worte zur Kenntnis, blicken sich teils unsicher um oder nicken einander zustimmend zu. In der Tat: Bis alle erlittenen Fluttraumata und Erlebnisse einmal verarbeitet sind, ist es noch ein langer Weg, der zudem oftmals mit einem schweren Schritt beginnt: Sich einzugestehen, dass man selbst Hilfe braucht und dass es notwendig ist, sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen.
„Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine normale Reaktion des Körpers auf eine unnormale Situation.“
Jörg Meyrer, Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius Ahrweiler
„Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine normale Reaktion des Körpers auf eine unnormale Situation.“ Nahezu Erleichterung verströmen die Worte im Publikum, die Pfarrer Jörg Meyrer zu diesem Thema sagt und damit ausspricht, was viele Flutbetroffene sich vermutlich wünschen: Das Ende der Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen. Niemand sollte sich schämen müssen, psychologische Hilfe anzunehmen, ist denn auch der Tenor, der die Veranstaltung im Weiteren bestimmt.
Dass es allerdings gar nicht so einfach ist, die alten Denk- und Handlungsmuster abzulegen, wird sichtbar, als die Diskussionsrunde mit der Einladung an alle Besucher schließt, sich im Nachgang über bestehende Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. Verhalten ist die Reaktion der Besucher auf diese Ermutigung. Nur zögerlich wagen sich einige von ihnen an die mit bunten Flyern und Infomaterialien ausgelegten Stände von „Fortuna Hilft Mensch und Tier“, der Bad Neuenahrer „Waschbar“, des Caritas Familienbüros, der Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe „WeKiss“ sowie von ASB, der Telefonseelsorge Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Johanniter Fluthilfe im Ahrtal und bei den Maltesern. Mit scheuem Blick gehen andere Besucher an den Tischen vorbei, bevor sie gen Ausgang strömen.
Enttäuschung macht sich bei den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen jedoch angesichts dieser Besucherreaktionen nicht breit. Vielmehr seien das normale Reaktionen, wie Bianca Ferber vom Bad Homburger Verein „Fortuna hilft“ erklärt und zuversichtlich betont: „Aber wenn man auf die Menschen zugeht, dann ist das Interesse da.“ Seit der Flutkatastrophe bietet der Verein im Ahrtal kunsttherapeutische Angebote an. „Zunächst nur für Kinder und Jugendliche, aber weil das Interesse so hoch war, nun auch für Erwachsene“, so Ferber.
Insgesamt gebe es im Ahrtal auch derzeit noch einen hohen Bedarf an Hilfsangeboten, ist auch Moritz Schlenbäcker, pädagogischer Mitarbeiter der Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe „WeKiss“ überzeugt. Ob überall genügend Angebote und insbesondere Selbsthilfegruppen verfügbar seien, diese Frage lässt Schlenbäcker kurz stocken. Nachdenklich sagt er: „Im Bereich der Selbsthilfegruppen gibt es bestimmt genügend, allerdings nicht immer dort, wo sie von Betroffenen gebraucht werden.“
Kontaktdaten zu Hilfsangeboten für Flutbetroffene
Psychologische Unterstützungs- und Hilfsangebote für Flutbetroffene bieten unter anderem:
- das Traumahilfezentrum im Ahrtal
- der Verein „Fortuna Hilft Tier und Mensch“
- die Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe „WeKiss“
- das Caritas Familienbüro und die Waschbar Bad Neuenahr
- der ASB
- die Telefonseelsorge Bad Neuenahr-Ahrweiler
- die Johanniter Fluthilfe im Ahrtal
- die Malteser (ebenfalls Waschbar)
- Soulfit