RZ-Podiumsdiskussion
Wie den langen Weg aus dem Fluttrauma meistern?
Nur zögerlich wagten sich die Besucher der RZ-Podiumsdiskussion an die Infostände der Hilfsorganisationen, um sich über psychologische Beratungs- und Unterstützungsangebote zu informieren. Für die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen nicht ungewöhnlich. Zugleich nutzten viele von ihnen die Gelegenheit, um sich über das Angebot auszutauschen.
Christian Koniecki

Wie mit den traumatischen Erlebnissen der Ahrflut umgehen? Dieser Frage widmete sich die jüngste Podiumsdiskussion unserer Zeitung. Bei der Veranstaltung stellten auch Hilfsinitiativen ihre Unterstützungsangebote vor.

„Die Bewältigung der Fluttraumata wird uns noch lange beschäftigen. Die psychosoziale Betreuung wird ein Dauerthema bleiben“, als Detlef Placzek, Opferbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz diese Sätze ausspricht, ist es ganz still im großen Saal des Dümpelfelder DüNaLü. Mehr als drei Jahre sind seit der Flutkatastrophe vergangen. Der Wiederaufbau der zerstörten Häuser und Infrastruktur im Ahrtal ist vielerorts angelaufen oder gar schon erfolgreich abgeschlossen.

Hilfsangebote im Fokus der fünften Podiumsdiskussion

Was vielerorts bei all diesem Bestreben nach Neuanfang und Normalisierung nach Jahren des flutbedingten Ausnahmezustands auf der Strecke geblieben ist, ist der seelische Wiederaufbau. Wie mit dem Erlebten umgehen? Wie die die flutbedingten Traumata verarbeiten? Anlass genug für die Rhein-Zeitung, sich diesem wichtigen Thema im Rahmen der Podiumsdiskussionsreihe „Aufbruch Ahr“ zu widmen. Gemeinsam mit Gesprächspartnern und Hilfsorganisatoren sollten Veranstaltungsbesucher Wege finden, wie sie Erlebnisse aus den Tagen der Flutkatastrophe und damit verbundene Sorgen, Nöte und Ängste auf- und verarbeiten können.

Die nüchterne Bilanz des Opferbeauftragten zu diesem Thema lässt die Besucher der Veranstaltung aufhorchen. Nachdenklich nehmen sie seine Worte zur Kenntnis, blicken sich teils unsicher um oder nicken einander zustimmend zu. In der Tat: Bis alle erlittenen Fluttraumata und Erlebnisse einmal verarbeitet sind, ist es noch ein langer Weg, der zudem oftmals mit einem schweren Schritt beginnt: Sich einzugestehen, dass man selbst Hilfe braucht und dass es notwendig ist, sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen.

„Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine normale Reaktion des Körpers auf eine unnormale Situation.“
Jörg Meyrer, Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius Ahrweiler

„Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine normale Reaktion des Körpers auf eine unnormale Situation.“ Nahezu Erleichterung verströmen die Worte im Publikum, die Pfarrer Jörg Meyrer zu diesem Thema sagt und damit ausspricht, was viele Flutbetroffene sich vermutlich wünschen: Das Ende der Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen. Niemand sollte sich schämen müssen, psychologische Hilfe anzunehmen, ist denn auch der Tenor, der die Veranstaltung im Weiteren bestimmt.

Bieten Unterstützung bei der Gründung von Selbsthilfegruppen und geben Interessierten auch einen Überblick über bereits vorhandene Gruppenangebote im Ahrtal: Yannic Sander (links) und Moritz Schlenbäcker von der Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe "WeKiss".
Claudia Voß

Dass es allerdings gar nicht so einfach ist, die alten Denk- und Handlungsmuster abzulegen, wird sichtbar, als die Diskussionsrunde mit der Einladung an alle Besucher schließt, sich im Nachgang über bestehende Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. Verhalten ist die Reaktion der Besucher auf diese Ermutigung. Nur zögerlich wagen sich einige von ihnen an die mit bunten Flyern und Infomaterialien ausgelegten Stände von „Fortuna Hilft Mensch und Tier“, der Bad Neuenahrer „Waschbar“, des Caritas Familienbüros, der Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe „WeKiss“ sowie von ASB, der Telefonseelsorge Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Johanniter Fluthilfe im Ahrtal und bei den Maltesern. Mit scheuem Blick gehen andere Besucher an den Tischen vorbei, bevor sie gen Ausgang strömen.

Nehmen mit ihrem kunsttherapeutischen Angebot zur Verarbeitung von Fluttraumata nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene und ganze Familien in den Blick (von links): Bianca Ferber, Natalie Reuscher und Sarah Uessem vom Verein "Fortuna hilft".
Claudia Voß

Enttäuschung macht sich bei den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen jedoch angesichts dieser Besucherreaktionen nicht breit. Vielmehr seien das normale Reaktionen, wie Bianca Ferber vom Bad Homburger Verein „Fortuna hilft“ erklärt und zuversichtlich betont: „Aber wenn man auf die Menschen zugeht, dann ist das Interesse da.“ Seit der Flutkatastrophe bietet der Verein im Ahrtal kunsttherapeutische Angebote an. „Zunächst nur für Kinder und Jugendliche, aber weil das Interesse so hoch war, nun auch für Erwachsene“, so Ferber.

Insgesamt gebe es im Ahrtal auch derzeit noch einen hohen Bedarf an Hilfsangeboten, ist auch Moritz Schlenbäcker, pädagogischer Mitarbeiter der Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe „WeKiss“ überzeugt. Ob überall genügend Angebote und insbesondere Selbsthilfegruppen verfügbar seien, diese Frage lässt Schlenbäcker kurz stocken. Nachdenklich sagt er: „Im Bereich der Selbsthilfegruppen gibt es bestimmt genügend, allerdings nicht immer dort, wo sie von Betroffenen gebraucht werden.“

Kontaktdaten zu Hilfsangeboten für Flutbetroffene

Psychologische Unterstützungs- und Hilfsangebote für Flutbetroffene bieten unter anderem:

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