In Rheinland-Pfalz fehlende Tausende Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Die Landesregierung hat in ihrem neuen Haushalt zwar fast doppelt so viel Geld wie bislang für die Förderung neuer Sozialwohnungen eingeplant. Doch neue Regeln könnten den sozialen Wohnungsbau ausbremsen. Das SPD-geführte Finanzministerium plant nämlich, die Förderung einzelner Projekte zu kürzen. Das geht aus internen Papieren hervor, die unserer Redaktion vorliegen. Zuerst hatte der SWR darüber berichtet.
Nach Plänen des Finanzministeriums könnten Zuschüsse an Bauherren künftig um bis zu 15 Prozent geringer ausfallen als bisher. Zudem gab es bislang zehn Jahre lang zinsfreie Darlehen, die nun steigen sollen. Anspruch auf öffentlich geförderte Sozialwohnungen haben Menschen, deren Einkommen einen bestimmten Betrag nicht überschreitet, ebenso Studierende oder Auszubildende.
Positiver Trend könnte an Schwung verlieren
Dafür unterstützt das Land Bauprojekte mit Steuergeld. Die Bauherren wiederum verpflichten sich, über 20 bis 30 Jahre lang günstige Mieten zu garantieren. In den vergangenen Jahren sind viele solcher Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausgefallen und zu wenig neue nachgekommen. Experten befürchten nun, dass der zuletzt positive Trend an Schwung verlieren könnte – auch bei Bauvorhaben im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Um sozialen Wohnraum zu schaffen, sind Tilgungszuschüsse enorm wichtig.
Adalbert Fettweiß, Geschäftsführer der Koblenzer Wohnungsbaugesellschaft
Adalbert Fettweiß, Geschäftsführer der Koblenzer Wohnungsbaugesellschaft, sagt: „Für uns als kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die sich um sozial verträgliches Wohnen kümmert, sind die aktuell hohen Baukosten ein Problem. Um sozialen Wohnraum zu schaffen, sind Tilgungszuschüsse enorm wichtig.“ Sie reduzierten auf lange Sicht die Baukosten. Fettweiß erläutert weiter: „Wenn diese Zuschüsse nun reduziert werden, finde ich das schwierig.“ Dadurch würden am Ende nicht nur die Mieter, sondern auch die kommunalen Haushalte belastet.
Ob nun Bauprojekte in Koblenz auf der Kippe stehen, könne er noch nicht sagen. Man müsse das ausrechnen, wenn die Änderungen tatsächlich beschlossen würden. Fettweiß: „Klar ist: In Summe steigen die Bauentstehungskosten – und die müssen gegenfinanziert werden.“
Bauprojekte in Gefahr
„Projekte wie im Trierer Burgunderviertel mit 66 Wohnungen sind durch die neuen Richtlinien gefährdet“, sagt Jan Eitel, Trierer Projektentwickler und Mitinhaber der Immprinzip GmbH, unserer Zeitung. Es sei zwar legitim, die Förderbedingungen zu ändern. „Dafür brauchen wir aber einen Vorlauf, weil solche Bauprojekte über mehrere Jahre geplant werden“, kritisiert Eitel.
Auch die Trierer Wohnungsbau und Treuhand AG (gbt) plante unter den alten Bedingungen 130 Sozialwohnungen auf dem ehemaligen Busdepot der Stadtwerke in Trier-West. „Wenn sich die Förderrichtlinien weiter verschlechtern, müssen wir neu rechnen“, sagt gbt-Vorständin Sybille Jeschonek. Im schlimmsten Fall würde sich das Projekt nicht mehr rentieren. “Für uns wäre das ein richtiger Schlag ins Kontor.„ Auch weitere Projektplaner befürchten den Absprung von Investoren, die ursprünglich unter anderen Bedingungen eingestiegen waren.
Man könne sich auf den Staat nicht mehr verlassen, kritisiert Jeschonek. Die Landesregierung will die Bedingungen quasi von heute auf morgen ändern. Wie das Finanzministerium in Mainz erklärt, sollen die neuen Regeln ab dem neuen Jahr gelten. Allerdings sogar rückwirkend für “bereits gestellte, aber noch nicht bewilligte Anträge„. Dieses Vorgehen sei ein “Vertrauensbruch„ gegenüber den Projektplanern, weil die Verlässlichkeit fehle, sagt der Trierer Projektplaner Eitel. Sollten die neuen Bedingungen sogar für bereits eingereichte Anträge gelten, wäre dies laut Eitel “unanständig und rechtlich fragwürdig„.
Brisant ist auch, dass es bei der zuständigen Investitions- und Strukturbank (ISB) offenbar einen Bearbeitungsstau bei den Anträgen gibt. Investoren warten oft monatelang auf die Bestätigung. Von 172 Förderanträgen sind in diesem Jahr erst 110 bewilligt worden, wie die ISB auf Anfrage mitteilt. Von den im vergangenen Jahr 263 eingereichten Förderanträgen wurden laut ISB 152 bewilligt. “Der deutliche Anstieg der Förderanträge war so nicht erwartet worden„, erklärt die Bank. Es gebe allerdings auch Anträge, die nicht bearbeitet werden könnten, weil sie nicht vollständig vorlägen.
Kommende Woche fällt die Entscheidung
Eine Resthoffnung für bereits weit entwickelte Projekte besteht offenbar noch. Derzeit würden die Vorschriften “nochmals überarbeitet und finalisiert„, erklärt das Finanzministerium. Kommende Woche soll es Klarheit geben. Projektentwickler wie Eitel befürchten aber nicht nur Probleme für laufende Bauvorhaben. “Dass die Landesregierung bei der Förderung jetzt auf die Bremse tritt, halte ich für widersinnig. Das zarte Pflänzchen des sozialen Wohnungsbaus braucht genau das Gegenteil.„
Ich halte es für vollkommen verfehlt, eine solche Geschichte ausgerechnet jetzt anzustoßen. Es fehlen ohnehin Tausende Sozialwohnungen.
Franz Obst, Landesvorsitzender des rheinland-pfälzischen Mieterbunds
So sieht es auch der rheinland-pfälzische Mieterbund. “Ich halte es für vollkommen verfehlt, eine solche Geschichte ausgerechnet jetzt anzustoßen. Es fehlen ohnehin Tausende Sozialwohnungen„, sagt der Landesvorsitzende Franz Obst unserer Zeitung. Man wisse, dass es erhebliche Schwierigkeiten beim Wohnungsbau gebe.
“Jetzt die Zuschüsse zu kürzen, ist das absolut falsche Signal„, so der Koblenzer. Es stelle sich die Frage, wer dann überhaupt noch in sozialen Wohnungsbau investieren wolle. “Leidtragende sind am Ende die Mieter, die auf dringend benötigten sozialen Wohnraum angewiesen sind„, so Obst.
In den vergangenen Monaten wollten immer mehr Immobilienfirmen in den bis dahin gut geförderten sozialen Wohnungsbau einsteigen, weil der freie Wohnungsmarkt zum Erliegen kam. Insider vermuten, das Finanzministerium wolle mit schlechteren Bedingungen nun diese Nachfrage drosseln. Investoren dürften von den neuen Bedingungen abgeschreckt werden, weil der soziale Wohnungsbau so deutlich unrentabler wird.
Mieten dürfen künftig steigen
Das Finanzministerium hingegen verteidigt die Pläne. Von Kürzungen wolle man nicht sprechen. Der Anstieg der Zinsen mache “maßvolle Anpassungen erforderlich, um möglichst viele Wohnungen fördern zu können„, heißt es. Die niedrigeren Zuschüsse von Landesseite sollen die Bauherren indes durch höhere Mieten ausgleichen. Bis zu 8,90 Euro dürfte der Quadratmeter nach den neuen Regeln kosten. Das sind 80 Cent mehr als bislang. “Unsere Berechnungen zeigen, dass die höheren Mieten die neuen Förderkonditionen nicht kompensieren„, sagt jedoch Eitel.
Kritik kommt auch von der Opposition im Landtag. Das Ahnen-Ministerium schlage den völlig falschen Weg ein, sagt die wohnungspolitische Sprecherin der CDU, Karina Wächter. So könnte es bald noch weniger Sozialwohnungen im Land geben. Es dürfe aber nicht sein, “dass der Lohn harter Arbeit, die Rente am Ende eines arbeitsreichen Lebens oder die Unterstützung von Eltern und Staat zum Studium nicht für eine Wohnung reichen„, so Wächter.
Der BSW-Landesvorsitzende Alexander Ulrich wirft der sozialdemokratisch geführten Landesregierung gar “Verrat" vor, weil sie sich vom Wahlversprechen verabschiede und bei denen spare, die Hilfe besonders nötig hätten. Sozialverbände kritisieren seit Langem, dass die Zahl der Sozialwohnungen im Land kontinuierlich sinkt. Berechnungen zufolge fehlen im Land mittlerweile 28.000 Sozialwohnungen. Wie viele es derzeit in Rheinland-Pfalz gibt und in fünf Jahren geben soll, kann die zuständige ISB wegen Personalproblemen und IT-Umstellung auf Anfrage nicht beantworten.