Koblenz
Kommentar zur Lage vor dem Spiel gegen Costa Rica: Glauben heißt nicht wissen
Die deutsche Mannschaft hat ein Weiterkommen gegen Costa Rica selbst in der Hand.
picture alliance/dpa | Christian

Die Moral spielt für unseren Sportredakteur Klaus Reimann eine wichtige Rolle vor dem letzten Gruppenspiel der DFB-Elf. Ein Kommentar.

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Die deutsche Mannschaft hat ein Weiterkommen gegen Costa Rica selbst in der Hand.
picture alliance/dpa | Christian

Hilfe, wir sprechen schon wieder über Fußball! Nun ja, bei laufendem Betrieb während einer Fußball-Weltmeisterschaft eine Bemerkung so selbstverständlich wie Compliance-Verstöße bei der Fifa. Doch was ist schon normal bei einem Turnier, das dem Begriff Moral einen nicht für möglich gehaltenen Aufschwung verliehen hat.

Das gilt zumindest für uns ach so moralfeste Europäer. Denn danach bietet Katar ein viel zu geringes Angebot an abendländischer Moral. Worauf wir in unsere Breiten mit einer erhöhten Nachfrage reagieren. Die Folge: Moral nach westlichen Standards wird mit Blick auf das Emirat zu einem teuren Gut. Weniger gut ist, dass Moralfragen hierzulande gern auf dem Altar des Profits geopfert werden – anderes Thema. Wir wollten ja sowieso über Fußball reden.

Sport-Redakteur Klaus Reimann

RZ

Das fällt leicht, seit Ilkay Gündogan dieser Tage eindeutig festgelegt hat: „Die Zeit der Politik ist vorbei!“ Dachten wir uns schon. Hatte sich die DFB-Elf nach dem erfolgreichen Erpressungsversuch der Fifa beim „Binden-Gate“ beim Japan-Spiel doch eher halbherzig zu ihrer „Wir halten den Mund“-Geste entschlossen. In dieser Causa soll große Uneinigkeit im deutschen Kader geherrscht haben. Nun aber ist endgültig Schluss mit Protest. Von wegen Politik – „Geht's raus und spielt's Fußball“ hätte der „Kaiser“ früher befohlen.

Um auf dem Rasen erfolgreicher zu sein als bei ihren inkonsequenten Versuchen als Hobbypolitiker, sollten die DFB-Akteure gegen Costa Rica tunlichst gewinnen. Mit der Einstellung aus dem Spanien-Spiel könnte das klappen – ganz gleich mit welcher Aufstellung. Zumal im deutschen Fußball sozusagen über Nacht eine Lücke geschlossen wurde, die seit dem Rücktritt von Miroslav Klose so breit klaffte wie ein Scheunentor, das wiederum im deutschen Sturm zuletzt kaum noch einer traf. Niclas Füllkrug heißt der Erwecker, und unser aller Erlebnis war sein Treffer zum 1:1 gegen Spanien. „Ein Götze-Moment“, beschied der um Worte nur selten verlegene Thomas Müller. Und erinnerte an die WM 2014, als Mario Götze die DFB-Elf im Finale gegen Argentinien zum Titel ballerte.

Doch wie Kenner wissen, sind unsere Vorzeige-Asse mit einem mageren Punkt aus zwei Spielen gerade dabei, sich in die K.o.-Phase zu mühen. Verständlicherweise mag keiner mehr an die Schande von Kasan erinnert werden. Damals, bei der WM 2018, als eine deutsche Mannschaft derart orientierungslos über den Platz irrte, dass sie sich beim 0:2 gegen Südkorea kurzerhand selbst das Rückflug-Ticket ausstellte – damit sie wusste, wo sie hingehört.

Nein, nach dem Remis gegen Spanien war die Rede von dem Glauben, der wieder zurückgekehrt sei ins Team, das sich plötzlich als große Familie versteht. Doch glauben heißt bekanntlich nicht wissen. Nun, die Spieler haben es gegen Costa Rica selbst in der Hand. Und so lautet unser Aufruf: Jungs, zeigt wenigstens auf dem Platz Moral!

E-Mail an den Autor: klaus.reimann@rhein-zeitung.net

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