Die acht Nationalteams, darunter auch das deutsche, die sich verabredet hatten, gemeinsam ein Signal zu setzen, indem ihre Kapitäne in Katar die „One-Love“-Binde als Zeichen für Vielfalt tragen, hat der Mut verlassen. Und natürlich darf man versuchen, das zu verstehen. Der Einsatz ist hoch, für manchen vielleicht zu hoch. Die Ankündigung der Fifa, Träger der Binde noch vor dem Anpfiff mit Gelben Karten zu bestrafen, war offenbar zuletzt verschärft worden. Die Drohung, gegebenenfalls auch Punkte abzuziehen, stand ebenfalls im Raum. Und zeigte Wirkung.
Eine Autokratie ohne Hemmungen
Natürlich erzählt auch diese Geschichte viel über den Fußball-Weltverband und dessen Selbstverständnis. Statt Dienstleister der Mitgliedsländer ist die Fifa unter dem zunehmend verwirrten Sport-Despoten Gianni Infantino eher genau das Gegenteil – eine Autokratie, in ihrem Handeln ohne jede Hemmung. Eine Institution, die ihre Verbände erpresst, als wäre es das Normalste der Welt. Und nichts anderes als Erpressung ist das unglaubliche Vorgehen gegen den DFB und dessen Mitstreiter.
Nun gehören zu einer gelungenen Erpressung immer zwei Parteien, der Erpresser und die Erpressten selbst. Dass Deutschland, England, Frankreich, Wales, die Niederlande, Dänemark, Belgien und die Schweiz ihre leidenschaftlich geplante One-Love-Binden-Verabredung beim ersten kräftigen Gegenwind einkassierten, mag man aus sportlicher Sicht nachvollziehen. Warum die acht Verbände, gerade so, als würden sie den Weltverband nicht kennen, auf diesen Gegenwind nicht vorbereitet waren, schon wieder nicht. Und am wenigsten ist zu erklären, wo diese Demut vor Infantino und dessen Schergen herrührt. Und warum sich acht europäische und wichtige Fußball-Nationen gemeinsam viel kleiner machen, als sie es in Wirklichkeit sind.
Eine verpasste Chance
Selbstredend wäre es nicht einfach gewesen, mit Leidenschaft, Konsequenz und Überzeugung zu einer guten Sache zu stehen, die die Fifa mit allen Mitteln verhindern will.
Und doch wäre es die Chance gewesen auf das stärkste Zeichen überhaupt, gerichtet auch in die Zukunft: Wir lassen uns nicht beugen, und sei der Druck noch so groß. Wir lassen uns nicht unterjochen von einem Mann und seinen willfährigen Helfern, die der Welt den Fußball stehlen.
Dieser Mut hätte weit mehr Begeisterung und Respekt verdient als die sportliche Leistung des noch zu ermittelnden Weltmeisters in der Wüste von Katar.