Die Aufräumarbeiten beim Deutschen Fußball-Bund nach dem sportlichen Offenbarungseid, Teil zwei, haben begonnen. Endlich tut sich was! Es ist allerdings bezeichnend, dass Oliver Bierhoff den unausweichlichen Schritt gewählt und sich sozusagen selbst die Kündigung ausgesprochen hat. Beim DFB, das steht zu vermuten, hätten sie bei ihrem die Realitäten verkennenden Hang zum Althergebrachten wohl auch diesmal den Zeitpunkt verpasst, klare Kante zu zeigen.
Wenn es darum geht, an inneren Zwängen festzuhalten, sich an die gewohnten, oftmals verkrusteten Strukturen regelrecht zu klammern, hat es der größte Sportfachverband der Welt zu wahrer Meisterschaft gebracht. Und Bierhoffs Fehler war es, genau diesen Zwängen und Strukturen zu folgen, ja sie noch zu erhärten.
Der Neuanfang kommt zu spät
Schon nach der verkorksten WM 2018 hätte es eines Neuanfangs bedurft. Wichtige Zeit, um neue und notwendige Impulse zu setzen, wurde vertan. Die Trennung von Joachim Löw nach der EM 2021 war schließlich unausweichlich. Und da, wie beim DFB üblich, alles in der Familie bleiben muss, erkor der Verband in Hansi Flick einen verdienten Co-Trainer zum neuen Chef-Coach. Weil es so am bequemsten ist.
Sport-Redakteur Klaus Reimann
Nur einmal in den vergangenen Jahrzehnten sah sich der DFB gezwungen, seine Komfortzone zu verlassen. Der gar nicht so traditionsbewusste Schwabe Jürgen Klinsmann drehte den Verband nach seinem Amtsantritt 2004 auf links. Beinahe wäre es zu viel des frischen Winds im muffigen DFB gewesen, Klinsmann stand vor der WM im eigenen Land auf der Kippe. Doch das Turnier geriet zum vollen Erfolg, nicht zuletzt weil Klinsmann mit seinem erfrischenden Offensivfußball die Massen hinter sich gebracht hatte.
Die Gegenwart wurde vernachlässigt
Der energiegeladene, vor Ideen sprühende Oliver Bierhoff hatte eben jenen Klinsmann gegen viele Widerstände seinerzeit ins Amt gehoben. Gemeinsam begründeten sie eine neue Ära, die Klinsmanns Taktik-Hirn Joachim Löw 2014 mit dem WM-Titel krönen sollte.
Doch im Erfolg werden die größten Fehler begangen. So auch beim DFB. Fortan lief alles im Weiter-so-Modus. Ermattung statt Esprit. Bierhoff indes fand ein neues Projekt, das er gegen alle Widerstände durchzuboxen gedachte. Die DFB-Akademie in Frankfurt, Impulsgeber für den Fußball der Zukunft, ist sein Verdienst. Nur um die Gegenwart kümmerte sich niemand mehr. Das Ergebnis ist bekannt.
Nun braucht es neue Ideengeber, neue Impulse. Der DFB muss sich endlich bewegen. Und das gern schnell. Ein Sportdirektor für die A-Mannschaft muss her. Einer, der die Richtung vorgibt. Hier zählen keine Namen, hier zählen Kreativität und Durchsetzungsvermögen. Wenn jedem Anfang tatsächlich ein Zauber innewohnt, dann ist es für den DFB jetzt an der Zeit, mit dem Zaubern anzufangen.
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