Koblenz
Kommentar zu unterhaltsamen Viertelfinalspielen: Mit den Göttern im Bunde
Argentiniens Lionel Messi jubelt nach seinem Tor zum 1:0 im WM-Viertelfinale gegen die Niederlande.
dpa / Tom Weller

Politische Aktionen bei der Fußball-WM in Katar? Fehlanzeige. Spätestens seit den K.o.-Spielen steht der Sport im Vordergrund. Und der hat eine Menge zu bieten, wie die Viertelfinalspiele eindrucksvoll gezeigt haben.

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Argentiniens Lionel Messi jubelt nach seinem Tor zum 1:0 im WM-Viertelfinale gegen die Niederlande.
dpa / Tom Weller

Sport, Macht, Politik – das war der Dreiklang, der beim Turnier in Katar lange den Takt vorgegeben hat. Vollmundig angekündigt, wollten Verbände und Spieler ob der Versäumnisse des Turnier-Gastgebers in Bezug auf die Menschenrechte eindrucksvoll klarstellen, dass Sport per se nicht unpolitisch ist. Doch wo eigentlich machtvoll demonstriert werden sollte, machte sich zunehmend Ohnmacht breit.

Sport-Redakteur Klaus Reimann

RZ

Als sich die Polit-Amateure dann endgültig der Macht der Fifa gebeugt hatten, war das auch das Ende aller politischen Botschaften, von denen die meisten ohnehin nie verkündet wurden. Gebetsmühlenartig versicherte die Fußballfamilie fortan, keineswegs empathielos zu sein und nie die widrigen Umstände rund um das Turnier zu vergessen – aber jetzt habe der Sport Vorrang. In erster Linie gehe es in Katar um Fußball, hieß es.

Emotional und dramatisch

So betrachtet, spielt die Politik seit Beginn der K.o.-Partien bei dieser WM keine Rolle mehr. Aber was kann einem dieses Turnier sportlich bieten, fragten sich viele. Der Gastgeber war früh völlig überfordert ausgeschieden, auf den Rängen taten sich größere Lücken auf als in Katars Abwehr. Doch wer wenig erwartet, bekommt oftmals viel. So auch bei dieser WM, die mit allesamt mitreißenden Viertelfinalspielen dem heftig angegangenen Gastgeber und dem noch stärker kritisierten Weltverband das Gefühl geben muss, letztlich doch mit den Fußballgöttern im Bunde zu sein. So in der Art dürfte es Fifa-Boss Gianni Infantino sehen, der die Welt der Götter bekanntlich als sein Zuhause betrachtet.

Sind wir also einfach mal politisch unkorrekt und reden über den Fußball, der bereits in diesen Viertelfinals sein ganzes Repertoire an Emotionen und dramatischen Zuspitzungen ausgeschöpft zu haben scheint. Mit Leidenschaft und Hingabe ihr Herz auf dem Rasen lassende Marokkaner haben Afrika und der arabischen Welt ein Ansehen verschafft, wie es die Politik und die Weltwirtschaft nie vermochten. Die Halbfinal-Teilnahme der „Löwen vom Atlas“ ist sozusagen die einzig verbliebene bissig-politische Botschaft, zu der dieses Turnier noch fähig war und ist.

Der Sport stellt nun die Fragen

Sporthistorisch bemühen sich die Franzosen, Geschichte zu schreiben. Nach Brasilien 1962 könnte die „Équipe Tricolore“ das erste Team sein, das seinen WM-Titel verteidigt. Das Viertelfinalspiel gegen England war das bis dato fußballerisch beste dieses Turniers. Dabei erreichte es nicht die Dramatik der beiden Freitagspiele, in denen sich die Kroaten gegen Top-Favorit Brasilien durchsetzten und Argentinien in einem epischen Gelbe-Karten-Abnutzungskampf die Niederlande aus dem Turnier warf.

Krönt Lionel Messi seine Karriere? Setzt Marokko seinen Lauf fort und verteidigt sich ins Finale? Ist Kroatien die wahre Turniermannschaft? Der Sport stellt in Katar nun die Fragen. Und nur er allein hat auch die Antworten. Alles andere ist in der Wüste Katars versandet.

E-Mail an den Autor: klaus.reimann@rhein-zeitung.net

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