Für solche Momente ist im Politikbetrieb der Begriff Paukenschlag geprägt worden. Malu Dreyer geht – und das, nachdem sie erst kürzlich noch dezidiert ausgeführt hatte, dass man durchaus davon ausgehen könne, dass sie für die noch knapp zwei verbleibenden Jahre der laufenden Wahlperiode im Amt bleiben wolle. Das ist nun Geschichte, und sofort beginnt die Suche nach Gründen. Sie mögen, und darüber verbietet sich jede Spekulation und jede auch nur im entferntesten sachfremde Bemerkung, maßgeblich im Persönlichen liegen. Es gibt wenige Menschen in der Politik, in Rheinland-Pfalz schon gar nicht, die sich selbst gegen manche persönliche Härte so sehr in die Pflicht nehmen und genommen haben wie Malu Dreyer. Dafür gebührt ihr allerhöchster Respekt und tiefe Anerkennung.
Auch ihre politische Bilanz kann sich zwar nicht an jeder, aber doch an vielen Stellen sehen lassen. Dreyer führte den unter ihren Vorgängern, insbesondere Kurt Beck, begonnenen Kurs der Modernisierung der Wirtschaft und Wissenschaft konsequent fort. Rheinland-Pfalz erscheint heute im Konzert der Bundesländer ganz anders als noch vor wenigen Jahren. Auch die trotz aller Turbulenzen der jüngeren Vergangenheit anhaltend tolerante und weltoffene Prägung der Gesellschaft ist ohne die langjährige Sozialpolitikerin nicht vorstellbar.
Dreyer und ihre Partei wirken machtvergessen
Und doch trüben auch einige Makel die Rückschau. Dreyer und ihre Partei machten mehr Fehler, je länger sie regierten. Sie verwechselten auf Zeit verliehene Ämter mit persönlichen Besitzständen. Das zeigte sich am Flughafen Hahn und noch mehr nach der Flut im Ahrtal. Aber nicht nur dort. Zu entrückt, zu machtvergessen wirkte man immer öfter. Das Land und die Stimmung entglitten Dreyer und auch Roger Lewentz keineswegs völlig, aber doch spürbar. Mit der nun verkündeten Doppelrochade an den Spitzen von Partei und Regierung nutzt insbesondere die Ministerpräsidentin nochmals alle Prägekraft, die sie noch hat. Um den Preis, dass dies zumindest für die ihre seit der Europawahl erheblichen Wunden leckende Bundespartei zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kommt. Es steht ohnehin nicht gut um die SPD, die nun mit Dreyer noch eines ihrer trotz allem immer noch prominentesten Zugpferde verliert.
Aber die 63-Jährige hat erkennbar das getan, was sie im Zweifel trotz aller auch in Richtung Berlin gelebten Parteidisziplin immer getan hat: Sie hat zuallererst auf das Land geschaut. Und dafür wurde es allerhöchste Zeit. Nichts zeigt das deutlicher als die bei der politischen Konkurrenz verschiedenster Couleur bereits seit Monaten ins Kraut schießenden Begehrlichkeiten, wer Dreyer beerben oder Teil einer nächsten Regierung in Mainz sein könnte. Das diesbezügliche Spekulieren hat nun ein Ende. Dreyer erweist ihrer Partei damit einen letzten, nicht unwichtigen Dienst. Sie nimmt sich und ihren eigentlichen Nachfolgefavoriten Michael Ebling aus dem Spiel.
Man mag darin eine Niederlage sehen. Oder doch noch einmal Größe. So oder so gebührt Dreyer Respekt auch für diesen Befreiungsschlag. Sie geht am Ende mit Anstand und hinterlässt viel Bleibendes. Ob Alexander Schweitzer, der erklärte Liebling der Partei, wie „die Malu“ zu ihren besten Zeiten der Liebling der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer werden kann, muss sich weisen. Der Landtagswahlkampf 2026 ist eröffnet.