Von unserem Landeskorrespondenten Dietmar Brück/dpa
Auf einmal ging alles ganz schnell: Am Donnerstagnachmittag haben sich SPD, FDP und Grüne auf einen Koalitionsvertrag und eine Kabinettsliste geeinigt. Dem gingen mehrstündige Verhandlungen im Mainzer Gästehaus der Landesregierung voraus. Am Freitag sollen die Ergebnisse offiziell präsentiert werden. Danach werden die Grünen per Urabstimmung über den Vertrag befinden, die Liberalen während eines Sonderparteitags und die SPD bei einem Kleinen Parteitag. Erst danach ist sicher, ob es erstmals eine Ampelregierung in Rheinland-Pfalz geben wird.
Das alte Bildungsministerium wird jetzt verkleinert
Doch der entscheidende Schritt für das Zustandekommen einer neuen Landesregierung ist in der Regel der Koalitionsvertrag. Um diesen war wochenlang gerungen worden. Für Aufsehen sorgte, dass im Vergleich zur alten rot-grünen Landesregierung ein zusätzliches Ministerium gebildet wird, wie unsere Zeitung herausfand. Das Haus geht an die SPD und umfasst Hochschule, Wissenschaft und Kultur. Damit wird das alte Bildungsministerium verkleinert. Die Sozialdemokraten konnten aber zusätzlich die frühkindliche Bildung an sich ziehen.
Ein Erfolg für die Grünen ist, dass sie die Integrationspolitik (im Familienministerium) und auch die Energiepolitik (im Umweltministerium) behalten. Die Liberalen bekommen neben Justiz auch ein kraftvolles Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Der künftige Ressortchef Volker Wissing (FDP) wird zudem den Weinbau und die konventionelle Landwirtschaft verantworten.
Die Ampelkoalition stellt am Freitag in Mainz ihren Entwurf des Koalitionsvertrages vor. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Hier die rheinland-pfälzische Kabinettsliste im Überblick: Die SPD erhält das Innenministerium und das Bildungsministerium, das Sozialministerium und das Finanzministerium. Zudem verantworten die Genossen ein neues Hochschulministerium. Sie kommen also auf fünf Häuser. Damit geht Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf eine Forderung der sozialdemokratischen Fraktion ein. Im Gegenzug müssen die Genossen das Justizministerium an die Liberalen abgeben. Zudem erhält die FDP das Wirtschafts- und Verkehrsministerium, ein echter Verhandlungserfolg für die Liberalen. Die Grünen behalten das Umweltministerium und führen das Familien- und Integrationsministerium. Die SPD hat also insgesamt ein Ressort mehr als FDP und Grüne zusammen.
Die Ampelkoalition stellt in Mainz den Koalitionsvertrag vor.
Die Ministerliste steht noch nicht fest, aber ein paar Positionen sind schon sicher. Hier dürfte sich nichts mehr ändern: Der Stellvertreter von Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) wird Volker Wissing (FDP). SPD-Parteichef Roger Lewentz bleibt Innenminister. Doris Ahnen (SPD) wird auch weiterhin als Ressortchefin die Finanzen und den Haushalt im Auge behalten. Das Sozialministerium geht erneut an Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Finanzstaatssekretär und Hahn-Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro (SPD) hat wohl die Möglichkeit, als Staatssekretär in das neue Hochschulministerium zu wechseln. Vera Reiß (SPD) hat erneut das klassische Bildungsministerium angeboten bekommen.
Die alte und neue Umweltministerin heißt Ulrike Höfken (Grüne). Wer das grüne Familien- und Integrationsministerium übernimmt, steht noch nicht fest. Die bisherige Amtsinhaberin Irene Alt (Grüne) steht in der Kritik. Sollte sie sich zurückziehen, dürfte Fraktionsvize Anne Spiegel (Grüne) zum Zuge kommen. Will Alt weitermachen, dürfte sie möglicherweise doch wieder das Haus führen.
Die Verhandlungen haben ergeben: Es wird ein komplett neues Ministerium gebildet.
Das Digitale wandert in die Staatskanzlei
Bis zuletzt haben SPD, FDP und Grüne um Finanzen gerungen, aber auch um heiße Eisen wie die Energiewende, die Landwirtschaftspolitik oder etwa die Mittelstandsförderung. Auch die Breitbandversorgung und die Digitalisierung waren lange strittige Themen. Dieser Bereich soll übrigens in der Staatskanzlei angesiedelt werden.
Derweil zeichnet sich ab, dass SPD-Parteivize Hendrik Hering gute Chancen hat, der neue Parlamentspräsident zu werden. Er würde auf Joachim Mertes (SPD) folgen, der in den Ruhestand geht.
Update 1: Um die Personalie bei den Grünen wird gerungen: Wird Anne Spiegel neue Familienministerin? Es sieht danach aus, als könnte die bisherige Familienministerin Irene Alt ihr das Feld überlassen. Noch ist die Entscheidung nicht final. Pia Schellhammer hat Chancen auf den grünen Fraktionsvorsitz, dazu gibt es allerings noch keinerlei Beschlusslage. Wird Spiegel Ministerin, rückt sie in den Landtag nach.
Update 2: In der neuen Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz übernimmt die FDP ein Superministerium aus Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Die Liberalen stellen künftig auch den Vize-Ministerpräsidenten, wie aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags hervorgeht, der am Freitag in Mainz vorgestellt wurde. Zudem will das Bündnis mehr Geld in den Straßen- und Brückenbau im Land stecken, geplant ist auch eine gezieltere Steuerung beim Ausbau der Windkraft.
Die SPD behält in der Regierung die Ressorts Finanzen, Inneres, Soziales und Arbeit sowie Bildung inklusive der Kitas, hinzu kommt das neue Ministerium Wissenschaft und Kultur. Das Justizressort gibt die SPD an die FDP ab. Die Grünen behalten die Zuständigkeit für Umwelt, hinzu kommt das Thema Energie aus dem bisher grünen Wirtschaftsministerium. Das grüne Integrationsministerium verliert die Zuständigkeit für Kitas und bekommt den Verbraucherschutz hinzu.
Zum Straßen- und Brückenbau heißt es in dem Vertragsentwurf unter anderem: «Die Planung einer Mittelrheinbrücke als Welterbe-verträgliches, kommunales Verkehrsprojekt wird wieder aufgenommen.» Für eine weitere Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim soll eine Machbarkeitsstudie erstellt werden – wenn die Kreise sich finanziell beteiligen.
Sie hat gut lachen: Malu Dreyer ist die alte und voraussichtlich neue Ministerpräsidentin.
Für Landesstraßen und Radwege will das Bündnis 120 Millionen Euro pro Jahr ausgeben – 20 Millionen mehr als die SPD bisher geplant hatte. Der Grundsatz Erhalt vor Neubau gelte aber weiter. Die Koblenzer «Rhein-Zeitung» hatte zuerst über die Mittelrheinbrücke geschrieben, die Mainzer «Allgemeine Zeitung» hatte bereits über die 600 Millionen Euro für Landesstraßen berichtet.
SPD, FDP und Grüne vereinbarten in dem vorgelegten Koalitionsvertrag, «dass bei der Ausweisung von Windkraftanlagen nachgesteuert wird». Dabei sollen die Kommunen zwar ihre Planungshoheit behalten, zugleich aber sollen neue verbindliche Ziele für eine einheitliche Landesplanung aufgestellt werden. Die drei Parteien stellten acht Ausschlusskriterien auf, darunter auch einen Mindestabstand für Windräder zu Siedlungen von einem Kilometer. Die Koalition bekennt sich zum Ausstieg aus der Atomkraft und spricht sich für die Stilllegung grenznaher Atomkraftwerke in Frankreich und Belgien aus.
Vorgesehen hat das neue Regierungsbündnis den Abbau von 2000 Stellen von Landesbediensteten, um weitere Einsparungen im Haushalt zu erreichen. Ministerien und Mittelbehörden müssten «dabei mit gutem Beispiel vorangehen» und auf 600 Stellen verzichten, heißt es in dem Koalitionsvertrag. Die drei Partner bekennen sich zur Einhaltung der gesetzlichen Schuldenbremse mit einem strukturell ausgeglichenen Haushalt bis 2020.
Update 3: Fest steht nun, dass bei den Grünen Anne Spiegel Irene Alt als Ministerin ersetzt.
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