Wenn die Ampelfraktionen heute Pläne für die kommenden fünf Jahre präsentieren, wird weniges wirklich neu sein
Koalitionäre gehen auf Nummer sicher: Kaum neue Pläne für die kommenden fünf Jahre zu erwarten
Die Koalitionsverhandlungen begannen mit einem Lächeln, verliefen nach außen ruhig und enden wohl mit einem Koalitionsvertrag, der wenige Überraschungen birgt. Im Bild zu sehen sind (von links) die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Misbah Khan und Josef Winkler, Malu Dreyer und Roger Lewentz (SPD) sowie Daniela Schmitt und Volker Wissing (FDP).
dpa

Rheinland-Pfalz. Die Folgen der Corona-Pandemie dürften in Rheinland-Pfalz die Legislaturperiode bis 2026 überschatten. Die Ampelkoalition muss Antworten finden, um die Krise von Innenstädten zu stoppen, Bildungsrückstände von Kindern aus sozialen Brennpunkten aufzuholen und die Digitalisierung rascher voranzubringen. Das kostet Geld.

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Genauso wie der Klimawandel und der verfassungswidrige kommunale Finanzausgleich. Finanzministerin Doris Ahnen sitzt aber auf der Sparbüchse und will neu aufgetürmte Schuldenberge abbauen. Wie wollen SPD, Grüne und FDP diesen Spagat meistern? Farbe müssen sie heute bekennen. Dann wollen die Parteien erste Details aus dem Koalitionsvertrag vorstellen.

Vieles bleibt dabei gleich. Vor allem, wenn es um Personal und Zuschnitte geht. Bei der SPD bleibt Malu Dreyer sicher Ministerpräsidentin, Roger Lewentz Innenminister, Doris Ahnen Finanzministerin, Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gesundheitsministerin und Stefanie Hubig wohl auch Bildungsministerin. Nur der blasse Wissenschaftsminister Konrad Wolf wackelt. Gewaltig. Bei der FDP dürfte Herbert Mertin weiter das Justizministerium anführen.

Und sonst? Ein neues Superministerium, das Anne Spiegel leitet, dürfen die Grünen für sich beanspruchen. Neben Energie bekommen die Grünen dabei ein Stück vom Verkehr, genauer: den öffentlichen Nahverkehr. Straßenbau, pikanterweise inklusive der Radwege, könnten demnach im Wirtschaftsministerium bleiben. Führen soll das als Nachfolgerin von Volker Wissing Daniela Schmitt. Der Vorteil einer solchen Lösung: Die FDP könnte Prestigeprojekte wie den A1-Lückenschluss weiter bewerben und Straßenbändchen durchschneiden, wofür die Grünen gar nicht erst die Schere in die Hand nehmen wollen.

Schutz für alte Baumbestände

Als Staatssekretärin könnte Katrin Eder in das grüne Ministerium rücken, die derzeit Verkehrsdezernentin der Landeshauptstadt Mainz ist, nachdem sie zuvor von einigen Medien gar als Ministerin gehandelt worden war. Das hat durchaus Reibungspotenzial: Sie gilt als ausgemachte Kritikerin des ÖPNV-Gesetzes, das die FDP angestoßen hat. Vorantreiben könnten die Grünen in dem Ministerium den Ausbau erneuerbarer Energien wie der Windkraft. Nach Informationen der „Rheinpfalz“ haben sich die Ampelkoalitionäre geeinigt, Windräder zumindest in vorbelasteten Waldgebieten des Pfälzer Waldes zu erlauben. Im Naturreservat würde das beispielsweise in der Nähe von Autobahnen gelten. Im Umkehrschluss sollen Wälder einen besonderen Schutz bekommen, in denen es mindestens 100 Jahre alte Baumbestände gibt. Unklar blieb bis zuletzt, ob die Solarpflicht auf Dächern von Neubauten kommt. Die FDP sperrte sich schon im Wahlkampf gegen die Pflicht, hatte stets auf ein Anreizsystem gesetzt, um Neubauten nicht zu verteuern. Der Haken: Die Europäische Union untersagt Doppelförderung, und der Solarmarkt ist schon jetzt eine Art Subventionsdschungel.

Das zweite grüne Ministerium, das Integration, Frauen, Familien und Jugend unter einem Dach vereint, behalten die Grünen wohl. Sonderlich beliebt ist es in der Partei nicht, weil wenig Geld drin steckt, das großes Gestalten ermöglicht, und Abschiebungen stets ein Reizthema für die grünen Vorfeldorganisationen bleiben. So pochte die FDP auf sehr konsequente Rückführungen. Die Verhandlungen mussten mehrfach unterbrochen werden.

Anführen könnte das Ministerium die Mainzer Landtagsabgeordnete Katharina Binz, die das erste grüne Direktmandat in der rheinland-pfälzischen Geschichte einheimsen konnte. Ex-Grünen-Spitzenkandidat Daniel Köbler würde dann als Abgeordneter nachrücken, der Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit bliebe ihm erspart. Ebenfalls gehandelt als Ministerin wird Pia Schellhammer. Für Binz spricht neben dem offensichtlichen Erfolg beim Wähler auch ihre inhaltliche Stärke. Vor ihrer Babypause wirkte sie in jeder Sitzung des Integrationsausschusses – auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdebatte – perfekt vorbereitet. So stützte sie die damals strauchelnde Ministerin Spiegel und ermöglichte deren Aufstieg überhaupt erst.

Wer wird „Mister Breitband“?

Kernthema der kommenden Legislaturperiode sollte – darin waren sich die Koalitionäre rasch einig – die Digitalisierung werden. Dabei gab es nicht wenige Vorschläge, wo genau sie angesiedelt werden sollte. Ein weiteres Digitalisierungskabinett – das machte Innenminister Lewentz schon am Wahlabend klar – würde nicht ausreichen. Charmant wirkte eine Lösung, die das Thema personifiziert. Früh machten Gerüchte von einem „Digitalstaatssekretär“ die Runde. Auch diese Zeitung brachte den Namen Daniel Stich ins Spiel. Der bleibt aber dem Vernehmen nach Generalsekretär der SPD. „Mister Breitband“ könnte nun sein Namensgenosse Randolf Stich werden. Der Staatssekretär im Innenministerium war allerdings schon in den vergangenen Jahren für den Glasfaserausbau zuständig. Ein echtes Symbol wäre die Personalie demnach nicht. Doch reine Symbole will sich die Koalition wohl nicht leisten.

Auffällig ist, dass die SPD-Häuser nahezu alle in ihrem Zuschnitt unverändert bleiben. Das hat pragmatische und finanzielle Gründe. Ministerialinsider sprechen davon, dass der Umbau eines Hauses bis zu eineinhalb Jahre dauern kann. Selbst Kleinigkeiten wie das Ändern der Namenskürzel verschlingen Kapazität, die für inhaltliche Projekte fehlt. Inmitten der Pandemie ist das auch angesichts des Spardiktats kaum zu rechtfertigen.

Die Genossen basteln eigentlich nur an einem Haus: dem Wissenschaftsministerium. Die Behörde war 2015 aus machtstrategischen Überlegungen aus dem Bildungsministerium herausgeschnitten worden. Minister Wolf (damals parteilos, inzwischen SPD) konnte politisch kaum positive Akzente setzen. Die Hochschulreform wurde zu einem Dauerstreitthema. Einmal pro Jahr durfte der jeweilige Staatssekretär die defizitären Finanzen der Universitätsmedizin in Mainz rechtfertigen. Impulse gingen vom Ministerium kaum aus. Ausgerechnet der mächtige SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer scheint es sich zur persönlichen Agenda gemacht zu haben, dies zu ändern. Der Pfälzer verhandelte die Bereiche Wissenschaft und Wirtschaft, soll den Bereich Innovation und Wissenstransfer im Haus ansiedeln wollen. Damit würde aus dem Hochschulverwaltungshaus ein Zukunftsministerium. Wer das Amt übernimmt, ist bisher nicht ansatzweise durchgedrungen. Nur Wolf soll aus dem Rennen sein.

Von Carsten Zillmann und Florian Schlecht

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