Gut 66 Millionen Euro gingen im vergangenen Jahr aus der rheinland-pfälzischen Staatskasse an die evangelischen und katholischen Kirchen im Land. Allein das Bistum Trier kassierte gut 20 Millionen Euro. Die Beträge errechnen sich nicht aus der Kirchensteuer, die der Staat einzieht. Vielmehr stammt das Geld für die sogenannten Staatsleistungen von allen Steuerzahlern im Land. Die jahrhundertealte Regelung sorgt deshalb immer wieder für Kritik und Irritationen – zumal die Höhe der Beträge jährlich steigt.
Die Ampel-Bundesregierung hatte sich deshalb in den Koalitionsvertrag geschrieben, die Zahlungen abzuschaffen. Viel passiert ist bislang allerdings nicht. Zwischen Bund, Ländern und Kirchen habe es im vergangenen Jahr zwar einen ersten „Dialog“ gegeben, erklärt die rheinland-pfälzische Staatskanzlei auf Anfrage unserer Zeitung. Weil viele grundsätzliche politische Fragen nicht geklärt worden seien, habe die Ministerpräsidentenkonferenz das Thema aber „zurückgestellt“.
Dreyer: Thema hat keine Priorität
Dabei wurde das Ziel, die jährlichen Staatsleistungen abzuschaffen, schon vor mehr als 100 Jahren in die Weimarer Reichsverfassung geschrieben. Später wurde sie ins Grundgesetz übernommen. Weil aus Sicht des Staates die Zahlungen nicht einfach eingestellt werden können, bräuchte es eine einmalige Abfindungszahlung an die Kirchen. Die Länder müssten einen solchen Betrag mit den Kirchen aushandeln.
Doch auch von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geht derzeit keine Initiative aus, das Thema voranzutreiben. Im Gegenteil: „Die 16 Bundesländer sind sich im vergangenen Jahr einig gewesen, dass das Thema für sie keinerlei Priorität hat und wünschen, dass die Bundesregierung dieses Projekt momentan nicht weiter forciert“, sagte Dreyer unserer Zeitung.
Warum Rheinland-Pfalz besonders viel zahlen muss
Womöglich liegt es daran, dass Rheinland-Pfalz eine besonders hohe Summe zahlen müsste. Nach den großen Ländern Bayern und Baden-Württemberg geht aus Mainz derzeit jährlich die größte Summe an katholische und evangelische Kirchen. Wer den Grund dafür verstehen will, muss weit in die Geschichte zurückblicken. Die Staatsleistungen basieren auf mehr als 200 Jahre alten Vereinbarungen und sind vereinfacht gesagt eine Entschädigung für die Enteignung von Kirchengütern zur Zeit Napoleons.
Weil die deutschen Fürsten in den Kriegen damals linksrheinische Gebiete verloren, wurden sie entschädigt, indem die Kirchen enteignet wurden. Im Gegenzug erklärten sich die Fürsten bereit, etwas zur Finanzierung der Kirchen beizutragen. Die seit damals bestehenden Verpflichtungen seien auf die Bundesländer übergangen, heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministerium. Und auf dem heutigen Gebiet von Rheinland-Pfalz gab es eben besonders viele Enteignungen. Entsprechend hoch sind also nicht nur die jährlichen Zahlungen des Landes an die Kirchen, sondern auch eine mögliche Abfindung.
Steuerzahlerbund kritisiert zögerliche Haltung Dreyers
Weil sich weder auf Landes- oder Bundesebene etwas tut, kommt Kritik vom Bund der Steuerzahler. „Ministerpräsidentin Dreyers ablehnende Haltung zur schnellen Ablösung der Staatsleistungen ist eine einzige Enttäuschung“, sagte Geschäftsführer René Quante unserer Zeitung. Es gehe um einen klaren Verfassungsauftrag, der seit vielen Jahrzehnten von der Politik ignoriert werde. „Das Land Rheinland-Pfalz könnte schon längst viel Steuergeld einsparen, hätten vergangene Regierungen ihren Job erledigt“, so Quante.
Seit Jahrhunderten zahlt das Land Steuergeld an die Kirchen, um sie für Enteignungen zu entschädigen. Dieser Auftrag ist längst erfüllt – die Landesregierung sollte die Zahlungen einstellen, kommentiert Landeskorrespondent Sebastian Stein.Kommentar zu rheinland-pfälzischen Staatsleistungen: Land sollte Kirchen kein Steuergeld mehr zahlen
Und was sagen die Kirchen? Von dort wird ebenfalls kein Druck ausgehen, ein Ende für die Staatsleistungen zu finden. In Zeiten sinkenden Kirchensteuereinnahmen würde durch die Abschaffung eine wichtige finanzielle Säule wegbrechen. Im Bistum Trier etwa machen die Staatsleistungen allerdings „nur“ knapp fünf Prozent des Haushalts aus. Hauptsächlich steckt das Bistum die gut 20 Millionen in Pfarreien und geistliches Personal.