Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) eröffnet Regierungserklärung mit Thema Umweltschutz - Land bis 2035 klimaneutral?
In Mainz regiert jetzt „Klima-Malu“: Land bis 2035 klimaneutral?
Rund 80 Minuten lang stellte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz die Schwerpunkte ihrer künftigen Arbeit vor. Die Opposition durfte nur leise grummeln – die Debatte folgt am heutigen Donnerstag. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. Die oberste Klimaschützerin des Landes sitzt in der Mainzer Staatskanzlei. Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Sozialdemokratin, eröffnete ihre dritte Amtszeit mit einer Regierungserklärung und die wiederum mit dem Herzensthema des grünen Koalitionspartners: Klimaschutz. Der wird bei „Klima-Malu“ gewissermaßen zur Chefsache. „Der Klima- und Umweltschutz fordert unsere ganze Kraft“, sagte die 60-Jährige. Menschen seien gut darin, „langfristige Entwicklungen beiseitezuschieben“, solange sie nicht „am eigenen Leibe“ zu spüren seien: „Das tun wir aber inzwischen.“ Deshalb peilt Dreyer mit ihren Partnern, den Grünen und der FDP, große Projekte an: „Wir wollen Rheinland-Pfalz in einem Korridor von 2035 bis spätestens 2040 klimaneutral machen.“

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Dreyer referierte ausführlich die wohl konkretesten Passagen des Koalitionsvertrags. Bis 2030 soll die Stromerzeugung durch Windenergie verdoppelt werden. Bei der Fotovoltaik lautet das Ziel sogar Verdreifachung. Letztlich soll der Bruttostromverbrauch im Land komplett aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Konkret plant die Ampelkoalition dazu (unter anderem) ein Verbot von Industrieneubauten und Parkplätzen, auf denen mehr als 50 Autos Platz finden, ohne Fotovoltaikanlagen. Der Landesentwicklungsplan wird bis Mitte 2022 verändert. Das bedeutet auch, dass anschließend Windräder näher an Wohngebieten gebaut werden können. Die bisherigen Mindestabstände von Windrädern zur nächsten Wohnsiedlung werden verkürzt – von bislang 1100 Metern auf 900 Meter bei neuen Anlagen, beim sogenannten Repowering auf bis zu 720 Meter. Die – jetzt zur Verhandlung stehenden – strikteren Regeln nach dem ersten Koalitionsvertrag der Ampelregierung aus dem Jahr 2016 waren auf Drängen der FDP festgelegt worden, die diesmal von den Grünen die Rolle des kleinsten Koalitionspartners übernommen hat.

Hinsichtlich windhöffiger Standorte in Wäldern setzte Dreyer eine Spitze in Richtung der CDU, die diese vor allem für den Pfälzerwald strikt ablehnt. Der Wald sei in der Klimakrise „Betroffener und Verbündeter“ zugleich. Der Zielkonflikt sei ihr bewusst, aber: „Wer den Wald schützen will und nichts gegen den Klimawandel tut, der wird den Wald verlieren.“ Gleichwohl schloss Dreyer Windkraftanlagen in „alten Waldbeständen“, dem Biosphärenreservat im Pfälzerwald oder im Welterbebereich des Oberen Mittelrheintales aus. Koordinierend soll im Bereich Klimaschutz der „Zukunftsrat für nachhaltige Entwicklung“ sein, der in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Geleitet wird er von der Berliner Soziologieprofessorin Jutta Allmendinger.

Für derlei Konstruktionen hat der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler kein Verständnis. „Zukunftsrat, Gigabitkompetenzzentrum, Transformationsrat, Transformationsagentur, Energieagentur“, zählte Joachim Streit auf. „Ich würde es mir als Minister nicht nehmen lassen, meine Arbeit durch Koordinatoren oder Stabsstellen anderer Art bestimmen zu lassen. Wäre ich Minister, wüsste ich selbst, was ich möchte.“ Beim Klimaschutz vermisse er vom Land, die Menschen einzubinden, die freitags auf den Straßen bei Demonstrationen mitgelaufen seien. „Die Meinung der jungen Leute fehlt mir da komplett.“ CDU-Oppositionsführer Christian Baldauf sprach von einer „mutlosen Regierungserklärung“, die jedes Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt stelle. „Frau Dreyer hat auch zugegeben, im Wahlkampf die Unwahrheit gesagt zu haben, als sie bis Ende des Jahres 2021 schnelles WLAN an allen Schulen versprochen hat. Nun soll es plötzlich bis Ende des Schuljahres 2021/22 dauern.“ Michael Frisch (AfD) monierte: „Diese Ampelregierung steht nicht für Aufbruch und Zukunftschancen, sondern für die Fortsetzung einer schon in der Vergangenheit erfolglosen Politik.“

Dreyers Ritt durch den Koalitionsvertrag brachte wenige echte Neuigkeiten hervor. Allerdings wird es im Jahr 2022 einen Einzelhaushalt und nicht – wie üblich – einen Doppelhaushalt geben. Hintergrund ist die anstehende Reform des Kommunalen Finanzausgleichs. Nachdem der Verfassungsgerichtshof den für verfassungswidrig befunden hatte, muss er bis 2023 neu aufgelegt werden. Dem trägt das neue Prozedere Rechnung. Spannend dürfte in dieser Hinsicht auch sein, ob die Koalitionäre schon im kommenden Jahr wieder die Regeln der Schuldenbremse einhalten werden.

Heute werden die sechs Landtagsfraktionen auf die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin antworten. Den Landtag erwartet damit eine Mammutdebatte. Weil Dreyer (gerundet) 80 Minuten lang sprach, steht den Fraktionen eine Grundredezeit von ebenfalls 80 Minuten zu. Dazu kommt bei CDU, AfD und Freien Wählern ein Oppositionszuschlag. Das Plenum trifft sich um 9.30 Uhr. Theoretisch kann sich der Schlagabtausch mehr als acht Stunden lang ziehen.

Von unserem landespolitischen Korrespondenten Carsten Zillmann

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