Einst krisengeschüttelt begeistert die westfranzösische Stadt Nantes heute ihre Gäste mit fantastischen Kunstobjekten und faszinierenden Maschinen
In der Heimatstadt von Jules Verne: Spaziergang voller Überraschungen
Der Elefant von Nantes, inspiriert durch Jules Vernes Roman „Das Dampfhaus“, ist zum neuen Wahrzeichen der Stadt geworden. Majestätisch in seinen Bewegungen, beeindruckend durch seine Größe, technisch unglaublich, ist er ein Muss für jeden Aufenthalt in Nantes. Foto: David Gallard/Le Voyage a Nantes
Jörg Niebergall

Einst krisengeschüttelt, begeistert die westfranzösische Stadt Nantes heute ihre Gäste mit fantastischen Kunstobjekten und faszinierenden Maschinen

War Jules Verne einfach zur falschen Zeit am richtigen Platz? Wer heute nach Nantes in die Geburtsstadt des großen französischen Schriftstellers kommt, dem sind das Schaffen und die Zukunftsgedanken von Jules Verne („20.000 Meilen unter dem Meer“, „Reise um die Erde in 80 Tagen“ und „Die geheimnisvolle Insel“) allgegenwärtig – als Skulptur schon als gerade einmal Zehnjähriger, der auf einer Bank sitzend, verschmitzt in Richtung Ile de Nantes schaut, voller Ideen und Tatendrang.

Der zwölf Meter hohe Elefant von Nantes, sozusagen das Aushängeschild der Gallerie „Les Machine de l’île“ lässt sich auch vom alten Jules-Verne-Museum gut erkennen. Les Machines de l’île sind ein völlig neuartiges Kunstprojekt, das dem Ideenreichtum von François Delarozière und Pierre Orefice zu verdanken ist. Auf dem bemerkenswerten Gelände der ehemaligen Werften begegnen sich die imaginären Welten von Jules Verne, das mechanische Universum von Leonardo da Vinci und die industrielle Vergangenheit der Stadt Nantes.

Seltsame Maschinen bevölkern die Ile de Nantes. Diese außergewöhnlichen Gebilde entstehen unter den Händen der Konstrukteure der Künstlergruppe La Machine. Unter den Augen des Publikums und zwischen den Exemplaren der Machines de l’île erwachen sie zum Leben. Ihr Kommen und Gehen zwischen Konstruktionswerkstatt und Galerie bringt das Treiben im Herzen der ehemaligen Dubigeon-Werft in Schwung. Sie schenken dieser Insel eine geheimnisvolle Realität – wie zu den Zeiten, als von hier Schiffe zu Reisen in alle Welt vom Stapel gelassen wurden.

Die Skulptur des jungen Jules Verne blickt verschmitzt und voller Tatendrang in Richtung Ile de Nantes. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Die beiden Ideengeber haben sich dazu entschieden, den gesamten Entstehungsprozess zu zeigen, angefangen bei den ersten Entwürfen von François Delarozière. Die Materialien sind roh, die Mechanismen sichtbar. Die Gesten der Konstrukteure sind an allen Skulpturen zu sehen, ob aus Eisen oder Holz. Der Blick in den laufenden Betrieb der Werkstatt von La Machine ergänzt dieses neue, spielerische und pädagogische Besuchsspektakel.

Die Maschinenbediener stehen im Dienst der Maschinen, die sie in Bewegung setzen und denen sie so Leben einhauchen. Dabei erläutern sie die Funktionsweise und die Geschichte des Projekts. Der Besuch wird von den Vorführungen und dem Erwecken der Maschinen begleitet, die sich in Tiere oder Monster verwandeln. Deshalb richtet sich die Welt der Machines an alle Generationen und ist dabei ideal für Familien- und Gruppenausflüge. Der Übergang zwischen der Erwachsenen- und der Kinderwelt ist fließend. Die Eltern sind nicht nur besorgte Aufpasser ihrer Kinder, sondern machen die Reise mit und entdecken hinter dem Tier die Funktionsweise der Maschine.

Der Elefant von Nantes ist so zum neuen Wahrzeichen der Stadt geworden und begeistert Groß und Klein. Majestätisch in seinen Bewegungen, beeindruckend durch seine Größe, technisch unglaublich, ist er ein Muss für jeden Aufenthalt in Nantes. Der Elefant wurde von Jules Vernes Roman „Das Dampfhaus“ inspiriert, der 1880 veröffentlicht wurde. Inmitten der Eisenbahnrevolution erfindet Jules Verne ein außergewöhnliches Fahrzeug für den Radscha von Bhutan. Das „Steam House“ besteht aus einem riesigen Dampfelefanten, der zwei komfortable Waggons zieht. Und wer den „Ritt“ auf dem Elefanten verpasst hat, der findet im Karussell der Meereswelten eine Alternative. Das Karussell führt über 3 Ebenen langsam aus der Tiefe an die Meeresoberfläche: Ganz unten bewegt man sich mit einem riesigen Spinnenkrebs durch den Meeresboden, indem man sich in eines der fantastischen Erkundungsfahrzeuge begibt.

Ende der 1980er-Jahre befand sich Nantes in einer Krise. Die Hafenaktivitäten, die Nantes fast fünf Jahrhunderte lang berühmt gemacht hatten, verlagerten sich nach Saint-Nazaire, das viel leichter zu erreichen ist als die Häfen innerhalb der Stadtmauern von Nantes. Die Werft wurde 1987 endgültig geschlossen. Die Stadt war auf der Suche nach einer neuen Identität und einem Wirtschaftsmotor, mit Industriebrachen soweit das Auge reicht. Die neue Stadtverwaltung, die ab 1988 die Geschicke der Stadt lenkte, entschied sich für die Kultur und das, was bald als kreative Industrien bezeichnet werden sollte, um immer mehr Einwohner anzuziehen – auch von der Nähe zum Meer und von den (damals) erschwinglichen Wohnungen.

Zu entdecken gibt es in der Stadt jede Menge. Zum Beispiel die Cathédrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul, die sich mit ihrer Fassade perfekt in das komplette Stadtbild einfügt. Seit 549 steht die Kirche bereits an jenem Ort. Zwar wurde sie immer wieder erneuert und erst 1434 zu einer echten gotischen Kathedrale umgewandelt, dennoch spürt man die lange Geschichte des Bauwerks schon beim ersten Schritt hinein.

Das Musée des Beaux-Arts de Nantes ist wohl eins der „jüngsten“ Kunstmuseen in ganz Frankreich, denn erst 2017 wurde es als Musée d’Arts de Nantes komplett neu eröffnet. Heute zeigt es die Kunst vom 13. Jahrhundert bis heute.

Die Passage Pommeraye, 1843 eröffnet, ist die wohl schönste Einkaufspassage der Stadt. Sie verbindet heute die beiden Straßen Rue Santeuil und Rue de la Fosse. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Die Passage Pommeraye ist die wohl schönste Einkaufspassage der Stadt. Sie ist so fotogen, dass sie unbedingt zu den schönsten Sehenswürdigkeiten in Nantes gezählt werden muss. Die Passage wird auch immer wieder gern als Filmkulisse verwendet.

Eine Keksfabrik hat es ebenfalls in die Liste der Sehenswürdigkeiten in Nantes geschafft. Vielleicht ist es der fotogenste Fabrikturm in ganz Europa. „LU“ steht eigentlich für Lefève-Util, ein Unternehmen, das die berühmten bretonischen Kekse mitten in Nantes hergestellt hat. Die Fabrik selbst gibt es hier zwar nicht mehr, aber in dem ehemaligen Keks-Gebäude ist heute ein cooler Kunst- und Szenetreff entstanden.

Und wenn man gerade über Süßigkeiten nachdenkt: Ein Besuch in Nantes ohne Crêpes und Galettes geht nicht. Die besten Versionen von beiden gibt’s im Coin des Crêpes. Die Tradition besagt, dass man zunächst einen herzhaften Galettes isst und danach noch einen süßen Crêpe hinterherschiebt, eine Flasche Cidre inklusive.

Nur eine kleine Fährfahrt von Nantes entfernt, liegt das kleine Örtchen Trentemoult. Dieses erreicht man mit dem „Navibus“, der alle 15 bis 20 Minuten vom Gare Maritime fährt und seine Fahrgäste in nur 10 Minuten auf die andere Seite der Loire bringt. Und dann? Dann schlendert man einfach durch Trentemoult und lässt sich von pastellfarbenen Häusern verzaubern.

Der Kunstparcours „Estuaire Nantes Saint-Nazaire“ zeigt auf 60 Kilometer Strecke entlang der Loire groß dimensionierte Werke, Skulpturen und erstaunliche Architektur – wie dieses scheinbar versinkende Haus. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Und wer noch ein paar Tage mehr Zeit hat: Der Kunstparcours „Estuaire Nantes Saint-Nazaire“ zeigt auf 60 Kilometer Strecke entlang der Loire groß dimensionierte Werke, Skulpturen und erstaunliche Architektur. Im Ganzen sind 33 dauerhafte Werke das ganze Jahr über frei zugänglich, an untypischen Orten oder an besonderen Stellen der Mündung. Eine „Kamin-Villa“, die in 15 Meter Höhe steht, ein – wie man glauben könnte – weich gewordenes Boot, ein Haus in der Loire, das aussieht, als würde es im Wasser versinken, oder eine 120 Meter lange Seeschlange, die kürzlich am Ufer installiert wurde  ...

Jules Verne hätte heute, 119 Jahre nach seinem Tod, bestimmt seine Freude an seiner Geburtsstadt und der Umgebung gehabt. Doch im Alter von 20 Jahren schickte ihn seine Mutter zum Jurastudium nach Paris. Manche erzählen sich auch, dass es dem jungen Mann in der gerade erst vom Sklavenhandel befreiten Stadt nicht mehr gefallen hätte. Aber das wäre ja dann eine ganz andere Geschichte.

Wissenswertes für Reisende

Anreise: Der Flughafen Nantes Atlantique ist der größte internationale Flughafen in Westfrankreich mit zahlreichen Linien- und Billigflugverbindungen. Von deutschen Städten aus gibt es Direktflüge in weniger als zwei Stunden. Mit dem Flughafenshuttle erreichen Sie das Zentrum von Nantes in 20 Minuten. Gut zu wissen: Der Flughafenshuttle ist im Nantes-Pass inbegriffen. Bevor Sie nach Nantes kommen, sollten Sie Ihren Pass Nantes online buchen und bezahlen!

Nantes ist auch mit 26 TGV- und InOui-Verbindungen täglich von Paris in weniger als 2 Stunden erreichbar. Züge der Gesellschaft OuiGo oder Fernbusunternehmen wie Eurolines, Flixbus und BlaBlaBus und Megabus bieten von zahlreichen Städten aus preisgünstige Anreisemöglichkeiten.

Transportmöglichkeiten in Nantes und Umgebung: Der Nantes-Pass bietet 24, 48, 72 Stunden oder sogar 7 Tage lang Zugang zu Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Verkehrsmitteln, Kreuzfahrten, Freizeitaktivitäten und Verkostungen. Wenn Sie mit dem Auto anreisen, lassen Sie Ihr Fahrzeug auf einem der zahlreichen Park-and-Ride-Parkplätze am Stadtrand stehen. Die Stadt können Sie dann nach Lust und Laune zu Fuß, mit den Bussen und Straßenbahnen von Naolib network, mit dem Fahrradtaxi von Happy Moov und mit dem Wasserbus auf Erdre und Loire entdecken. Selbstbedienungs-Mietwagen sind beim Carsharing-Anbieter Marguerite erhältlich.

Le Voyage à Nantes: Jeden Sommer (in diesem Jahr bis zum 8. September) lädt Nantes seine Gäste zu einem Spaziergang voller Überraschungen ein. Unter dem Namen „Voyage à Nantes“ bietet der Stadtraum eine Outdoor-Reise zu ganz unterschiedlichen Events und Objekten zeitgenössischer Kunst. Folgen Sie der grünen Linie durch die Straßen und entdecken Ausstellungen, Installationen und Festivals.

Unser Autor ist geflogen mit der 
Air France von Frankfurt über Paris (CDG) nach Nantes, mit der Lufthansa per Direktflug zurück nach Frankfurt und hat im Zentrum von Nantes im Hotel La Pèrouse gewohnt. Diese Reise wurde unterstützt von der Tourist-Info Nantes „Le Voyage a Nantes“

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