„Ich will die Lage gar nicht schönreden“, betonte Arne Rössel bei der Präsentation der Zahlen per Videokonferenz. Dennoch wollte der IHK-Hauptgeschäftsführer sehr wohl auch positive Signale senden, die vor allem die Arbeitnehmer betreffen. Denn immerhin betonen 65 Prozent der Befragten, dass sie ihren Personalstamm halten wollen. Weitere neun Prozent signalisieren sogar, dass sie Neueinstellungen planen. Pessimismus sieht also anders aus. Dabei geben die Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Anlass, wenig zuversichtlich nach vorn zu schauen. Aktuell geht der DIHK davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufendenden Jahr um rund zehn Prozent zurückgehen wird.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es bereits seit dem vergangenen Jahr deutliche Zeichen einer Konjunkturabkühlung gab. Das wirkte sich Anfang 2020 auf den IHK-Geschäftsklimaindex aus, der im Vergleich zum Vorjahr von 120 auf 110 Punkte sank. Dann kam Corona, und der Index sank weiter auf 79 Punkte ab. Das entspricht in etwa der Entwicklung der Krisenjahre 2008 und 2009. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Noch nie ging die Kurve so steil und so schnell abwärts. „Hätten wir die Umfrage vier Wochen früher gemacht, hätte es wohl schlechter ausgesehen“, so Hauptgeschäftsführer Rössel weiter.
Immerhin gibt es inzwischen hoffnungsvoll stimmende Signale: So ist – mit Blick auf den Flughafen Hahn – der Handel mit China wieder angelaufen. Es gibt nur einen Haken: Für die rheinland-pfälzische Wirtschaft steht das Reich der Mitte in der Rangliste der wichtigsten Handelspartner nur auf dem siebten Rang. Die unangefochtene Nummer eins sind die Vereinigten Staaten gefolgt von Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Diese Länder erholen sich zu langsam.
Es bleibt die Frage, ob die von der IHK ermittelten Werte repräsentativ sind. Die Antwort lautet eindeutig ja. Immerhin haben sich 341 Unternehmen aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz mit insgesamt 53.000 Beschäftigten beteiligt. Das entspricht einer Rücklaufquote von 21,1 Prozent – das ist vergleichsweise viel, doch reicht die Beteiligung nicht aus, die Ergebnisse der Befragung auf Städte, Gemeinden und Kreise herunterzubrechen. Beim Blick auf die lokalen Entwicklungen musste es deshalb bei allgemeinen Aussagen bleiben. „Die Corona-Pandemie hinterlässt tiefe Bremsspuren durch die Branchen hindurch“, bilanzierte Fabian Göttlich. Der Geschäftsführer Interessenvertretung bei der IHK Koblenz nannte jedoch eine Ausnahme: Die Baubranche erweist sich in diesen schwierigen Zeiten als Fels in der Brandung, viele Betriebe sind sehr gut ausgelastet. Das schlägt sich auch in der Statistik wieder. Aktuell bewerten 59 Prozent der Unternehmer in dieser Branche ihre Geschäftslage mit gut und besser, weitere 27 sind zufrieden oder stellen eine konstante Geschäftsentwicklung fest. Der Anteil der Betriebe, in der die Situation deutlich schlechter ist als vor Corona, liegt bei nur 14 Prozent.
Auch in vielen Produktionsbetrieben läuft es besser als gedacht. Immerhin geht aus 30 Prozent der Rückläufer in diesem Bereich hervor, dass die aktuelle Lage gut und besser ist. Weitere 35 Prozent gehen von einer befriedigenden Entwicklung aus. Unter dem Strich bleibt ein Anteil von weiteren 35 Prozent, die eine schlechtere Geschäftslage nennen. Ähnlich sieht es bei den Dienstleistern aus: 42 Prozent der befragten Betriebe, die sich gemeldet haben, gehen von einer zufriedenstellenden Geschäftslage, weitere 24 Prozent vergebend sogar die Note „gut“.
Eindeutiger Verlierer ist dagegen der Handel, was angesichts der temporären Schließungen und der strengen Auflagen nicht weiter verwundert. 48 Prozent der Betriebe, die der IHK antworteten, nennen eine schlechtere Situation. Allerdings lässt die Umfrage auch den Schluss zu, dass viele Händler flexibel auf die Krise reagiert haben: Immerhin bewerten 22 Prozent der Befragten ihre aktuelle Lage mit „gut“ und weitere 30 Prozent mit befriedigend.
Ist die Welt also in Ordnung? Dass die Umfrage nicht geeignet ist, um solche Schlüsse zu ziehen, weiß man auch bei der IHK Koblenz. Und so war die Sonderlage in Hotellerie und Gastronomie ebenfalls ein großes Thema. Arne Rössel ist davon überzeugt, dass das Überleben vieler Betriebe von der Flexibilität der Kommunen abhängig ist – etwa bei Regelungen für die Außenbewirtschaftung.
Bleibt der Blick in die Zukunft. Und der sieht nicht erfreulich aus, weil gut die Hälfte der Betriebe perspektivisch mit einer schlechteren Entwicklung rechnet. Denn die Angst vor einer zweiten Coronawelle ist groß. Nicht umsonst bewerten 79 der Befragten die weitere Entwicklung der Pandemie als größtes Geschäftsrisiko. Auch ist die Sorge um den Inlandsabsatz groß, von dem die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen leben. Nicht umsonst bewerteten 66 Prozent der Befragten diesen Bereich als Hauptrisiko. Dagegen spielt das Thema Fachkräftemangel anders als in den Vorjahren derzeit nur eine untergeordnete Rolle. Der Anteil der Betriebe, die dieses Thema als Hauptrisiko sehen, sank um 31 auf nur noch 27 Prozent.