Fußball: 5:1 gegen Schottland verleiht Flügel - Mit Schwung in die nächsten Spiele
Idealer Gegner für optimalen EM-Auftakt – Jetzt den Schwung vom 5:1 mitnehmen
Euro2024: Deutschland-Schottland
Jubel vor begeisterter Kulisse (von links): die deutschen Nationalspieler Maximilian Mittelstädt, Jamal Musiala und Kai Havertz. Foto: Christian Charisius/dpa
Christian Charisius. dpa

München. Wenn es um das Spiel-taktische geht, dann haftet Julian Nagelsmann oftmals die Attitüde des Dozenten an. Aber der noch junge deutsche Bundestrainer weiß natürlich um die psychologische Komponente eines Fußballspiels.

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Erst recht, wenn Druck auf dem Kessel ist und die Pflicht zum Erfolg in einer bestimmten Partie alles Spielerische zu unterdrücken droht. Das ist dann nicht mehr die Zeit des Belehrens. „Dann möchte ich den Spielern mit einer gewissen Lockerheit auch vermitteln, dass ich an sie glaube. Dann will ich ihnen Energie geben“, erklärte der 36-jährige Bundestrainer zu später Stunde im Pressesaal der Münchner Arena, wie er versucht habe, vor dem EM-Auftaktspiel gegen Schottland positiv Einfluss zu nehmen auf seine Spieler.

Mannschaft zeigt viel Intensität

Nun, der Versuch war rundum gelungen, was sich an diesem ereignisreichen Abend nicht nur im Ergebnis widerspiegelte. 5:1, so kann ein Heim-Turnier beginnen. Doch auch mit der Art und Weise, wie dieser für die richtige Einstimmung auf die EM enorm wichtige Erfolg zustande kam, durfte der Bundestrainer zufrieden sein. Die Mannschaft hatte den Glauben, den ihr Coach in sie gesetzt hat, mit einer konzentrierten Leistung, mit viel Intensität und nicht zuletzt mit spielerischem Schwung vollauf gerechtfertigt.

Dabei half es natürlich, dass von Beginn an alles in die richtige Richtung lief. Hatten die Schotten anfänglich „nur“ Respekt vor der DFB-Auswahl, so erstarrten sie nach 20 Minuten und einem schnellen 2:0 für das deutsche Team förmlich in Ehrfurcht. Und die DFB-Auswahl hatte im weiteren Verlauf im besten Wortsinne leichtes Spiel.

Fünf verschiedene Torschützen

Fußballerisch taugte Schottland somit nur bedingt als Prüfstein und als Antwort auf die Frage, ob die Qualität des deutschen Kaders für eine erfolgreiche Heim-EM taugt. Nagelsmann war es egal. Es war für ihn der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt. Fünf Tore, fünf verschiedene Torschützen, viel Einsatzzeit für die Spieler hinter der Stammelf – und nicht zuletzt in Florian Wirtz und Jamal Musiala zwei zu großen Hoffnungen Anlass gebende junge Spieler, die mit dem 1:0 (10., Wirtz) und 2:0 (19., Musiala) nicht nur beim Toreschießen vorangingen. Neben dem umsichtigen Ilkay Gündogan prägte das Kreativ-Duo das deutsche Spiel. Sogar die Fragen kamen für den Bundestrainer an diesem Abend zum richtigen Zeitpunkt. Das Nachhaken, ob Wirtz/Musiala das Zeug dazu hätten, bei dieser EM in die Fußstapfen der Sympathieträger der Heim-WM 2006, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski, zu treten, parierte Nagelsmann mit seinem Credo vom starken Kollektiv und einem ebensolchen Teamgeist. Nur so viel: „Beide haben auch unglaublich viel mit nach hinten gearbeitet.“ Das will der Bundestrainer von seinen „Zauberern“, wie er sie nennt, sehen. Ansonsten blieb er seiner Linie treu: „Ich will hier keinen Akteur herausheben. Die Gemeinschaft hat das Spiel gewonnen und dafür gesorgt, dass Fußball-Deutschland jetzt vielleicht noch mehr an uns glaubt, als das zuvor der Fall war“, so der Coach.

Realistisch bleiben

Da war sie wieder, die geradezu magische Psychologie eines erstaunlich reibungslos verlaufenen Abends, der auf der anderen Seite zu einem realistischen Blick auf die Dinge gemahnte. Das Positive, die Intensität mitnehmen und ansonsten den Ball flach halten – so in etwa sah sie aus, die Handlungsanleitung im deutschen Team für die nächsten Turniertage. „Dieser Sieg war nur ein erster Schritt. Aber ein guter“, resümierte Nagelsmann.

Auch wenn es sich für ihn verbietet – als neutraler Beobachter darf man an dieser Stelle durchaus mal ein Wort zu Musiala verlieren. Bei der WM in Katar 2022 in einem allzeit fragilen Team mit dem in ihn gesetzten Erwartungen als 19-Jähriger hoffnungslos überfordert, könnte dieses Turnier zu seiner ganz großen Bühne werden. 33 Pässe gespielt, 33 kamen an. Bei seinen Dribblings degradierte der Bayern-Spieler die schottischen Akteure zu Statisten, sein Tor zum 2:0 war das Ergebnis spielerischer Leichtigkeit – des Teams in der Vorarbeit und seiner eigenen bei der Vollendung.

Der Gemeinschaftsgedanke zählt

Auf dem Rasen ein beim Gegner gefürchteter Individualist, im Team einer unter vielen – auch Musiala hat den Gemeinschaftsgedanken bestens verinnerlicht. „Diesen Turnierstart haben wir uns gewünscht. Wir werden versuchen, uns von Spiel zu Spiel zu verbessern“, meinte der Dribbelkönig, der noch viel vor hat bei dieser EM. Und dann ließ sich der Bundestrainer doch noch einen Satz zu Musiala entlocken. „Bei ihm siehst du Dinge, die er macht, die gibst du ihm nicht vor, sondern die kann er einfach“, meinte Nagelsmann – im angedeuteten Dozenten-Duktus.

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