Berlin – Ob die Geschichte stimmt? Von dem Mädchen aus Ost-Berlin, in das sich der junge Udo Lindenberg verliebte und von dem er sich um Mitternacht trennen musste, weil das Tagesvisum ablief. Lindenberg erzählt die Geschichte immer wieder anders.
„Wir mussten bis '89 warten, bis die Liebe wieder aufflammte im Geheimen“, sagte er kürzlich. Vorher habe er sie nur in Moskau treffen können. Angeblich hat er sie auch zur Premiere des Lindenberg-Musicals „Hinterm Horizont“ am Donnerstag (13. Januar) in Berlin eingeladen. Aber sie wolle lieber anonym bleiben und später kommen.
Wahr oder unwahr, Dichtung und Wahrheit, wie die Veranstalter frei nach Goethe schreiben: Auf der Musical-Bühnen fast genau am früheren Verlauf der Mauer findet die Liebesgeschichte vom „Mädchen aus Ost- Berlin“ nun eine endgültige Form, wenn auch mehr für die Fans und weniger für die Geschichtsbücher des Deutschrocks.
Ein riesiger Hut dominiert die Bühne im Theater am Potsdamer Platz, wenn „das Musical mit Hits von Udo Lindenberg“ startet. Der 64-jährige Lindenberg wird nicht in die Mikrofone nuscheln. Sein junges Alter Ego heißt Serkan Kaya. Der Schauspieler und Sänger trägt Hut und Sonnenbrille, aber sonst ähnelt er Lindenberg weniger. Er muss versuchen, Musik und Bewegung halbwegs panikmäßig-authentisch rüberzubringen.
Die Story dreht sich um Lindenbergs Auftritt 1983 bei einem Propagandakongress im Palast der Republik, Stasi-Observationen und Schikanen, das berühmte Mädchen und die Fans in Ost-Berlin, die damals vor den Absperrgittern festgehalten wurden, während drinnen staatstreue Jugendliche brav klatschten und sich FDJ-Chef Egon Krenz mit dem Auftritt Lindenbergs schmückte. Die eigentlich Hauptrolle ist den Liedern aus einigen Jahrzehnten Lindenberg und Panikorchester zugedacht.
So reiht sich das Musical ein in die Reihe von Zweitverwertungsstücken erfolgreicher Bands wie Abba („Mamma Mia“), Queen („We will rock you“) oder Lindenbergs Namensvetter Udo Jürgens („Ich war noch niemals in New York“). Hauptsache, es findet sich eine Story, in der sich die populären Hits irgendwie unterbringen lassen. Autor ist in diesem Fall der Erfolgs-Schriftsteller Thomas Brussig („Sonnenallee“). Und so sieht Lindenberg das Musical auch als Chance zur Aufklärung über historische und politische Zusammenhänge der deutschen Geschichte.
„Wir behandeln das auf unsere Weise locker und leicht, so weit man das locker sehen kann“, sagte er vor einigen Tagen bei der Vorstellung eines ARD-Dokumentarfilms über seinen Auftritt in Ost- Berlin und die Observation durch die Stasi. „Mit der Folter, das haben wir ja damals gar nicht gewusst“, fügt er hinzu. „Sonst wären wir damals nicht mit einem lachenden, sondern mehr mit zwei weinenden Augen rübergefahren.“ dpa