Bad Kreuznach
Hauptquartier: Kaiser Wilhelm II. residierte in Kreuznach

Paul von Hindenburg mit Familie beim Nachmittagskaffee in der heutigen Kreisverwaltung, Salinenstraße 47 (von links): sein Adjutant und Schwiegersohn Rittmeister Christian von Pentz, Tochter Annemarie von Pentz, Gertrud von Hindenburg und die Tochter Irmengard von Brockhusen.

Stadtarchiv Bad Kreuznach

Als in den ersten Tagen des Kriegsjahrs 1917 eine Handvoll verschwiegener Militärs die Kurstadt auf der Suche nach Quartieren und Wohnungen durchkämmen, ahnen die Kreuznacher nicht, dass ihr Städtchen bald zum Mittelpunkt des Kriegsgeschehens wird.

Auf der Pfingstwiese feiert Bad Kreuznach heute seinen Jahrmarkt. Im Kriegswinter 1917 wurden hier den Generälen des Großen Hauptquartiers Panzer vorgeführt. Die erlaubten seinerzeit nur Schrittgeschwindigkeit. Viele führende Militärs waren skeptisch, ob sich die Technik durchsetzt.

Stadtarchiv Bad Kreuznach

Von unserem Redakteur Armin Schuck

Villenbesitzer und Hoteliers werden höflich gebeten, doch ihre Räume zur Verfügung zu stellen. Dies abzulehnen, ist seinerzeit angesichts der weitverbreiteten vaterländischen Gesinnung undenkbar – und hätte ohnehin nur eine sofortige Beschlagnahme zur Folge.

Wenige Tage später haben der Chef der Obersten Heeresleitung, Paul von Hindenburg, und der Erste Generalquartiermeister General Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff Posten an der Nahe bezogen. Die beiden sind in der luxuriösen Villa Imhoff einquartiert. Kreuznach ist endgültig Großes Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Diese Ehre wurde auch Koblenz schon zuteil, zu Kriegsbeginn, von 16. bis 30. August 1914.

Paul von Hindenburg mit Familie beim Nachmittagskaffee in der heutigen Kreisverwaltung, Salinenstraße 47 (von links): sein Adjutant und Schwiegersohn Rittmeister Christian von Pentz, Tochter Annemarie von Pentz, Gertrud von Hindenburg und die Tochter Irmengard von Brockhusen.

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Hindenburg kennt Kreuznach, den Bad-Titel erhält die Stadt erst 1924, bereits. Er hat die Kurstadt schon als junger Offizier besucht, ebenso der Kaiser. Der hat im nagelneuen Kurhaus, erst im Jahr 1913 eröffnet, eine standesgemäße Bleibe gefunden. Eine verstärkte Betondecke wird eingezogen, der Keller zum Bunker umgebaut. Das benachbarte Hotel Oranienhof wird zum Generalstabsgebäude. Hier brennen fortan Tag und Nacht die Lichter. Das Kriegsgeschehen und zunehmend auch die Politik des Deutschen Reichs werden ab sofort von der Nahe aus entscheidend beeinflusst. Die Bad Kreuznacher sind dabei aber allenfalls Zaungäste.

Der Kurpark wird zur Sperrzone. Fortan prägen Uniformen und Wachen vor allen irgendwie einigermaßen bedeutsamen Gebäuden das Stadtbild. Und bedeutsam ist in diesen Tagen jedes größere Haus, das entweder eine Militäreinrichtung oder Quartiere für die zahllosen Soldaten bietet. Kabelbündel quellen aus den Häusern und durchziehen die Straßen: Es sind die Fernmeldeleitungen zu den Truppen an der Front.

Während im Kurpark deutsche Spitzenmilitärs am Sieg arbeiten, müssen diese russischen Kriegsgefangenen die Straßen der Kurstadt sauber halten.

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Es zeigt sich, dass die Kurstadt mit ihren Hotels, Pensionen und Fremdenzimmern bestens als Hauptquartier geeignet ist: Im vierten Jahr des großen Kriegs stehen die meisten Fremdenzimmer ohnehin leer. Es ist zwar bis heute nicht untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen seinerzeit das Große Hauptquartier auf die Kurstadt hat. Allerdings dürften viele Kreuznacher Geschäfte und Dienstleister davon außerordentlich profitiert haben. Ganze Hundertschaften meist adliger Offiziere sind unterzubringen, zu beköstigen und zu unterhalten, dazu noch viel mehr Mannschaftsdienstgrade.

Das Kurviertel erhält elektrische Straßenbeleuchtung, eine Sensation. Allerdings kann der gewöhnliche Kreuznacher diese Pracht nur erahnen. Denn das Kurviertel wird für die Zivilbevölkerung vollständig gesperrt. In das hermetisch abgeriegelte Kreuznach gelangt von außen ohnehin nur noch, wer gültige Papiere und einen triftigen Grund vorweisen kann. Die Hügel ringsum werden mit Abwehrgeschützen befestigt.

Nur wenige Meter vom Großen Hauptquartier im Kurpark entfernt pulsiert in Bad Kreuznach auch im Kriegsjahr 1917 auf dem Bismarckplatz, dem heutigen Kornmarkt, das Leben. Fotos: Stadtarchiv Bad Kreuznach

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Dennoch kommt es immer wieder zu Begegnungen mit den wichtigsten Persönlichkeiten des Reichs. Hindenburg, der sich häufig bei Spaziergängen zeigt, wird ein sehr höflicher Umgang mit den Kreuznachern attestiert. Er habe stets jeden Gruß freundlich erwidert, wird man ihm noch Jahrzehnte später nachsagen. Anders General Ludendorff. Der gilt als Workaholic und verbissener Soldat, der Zivilisten auch schon mal barsch anfährt, warum sie denn in Kriegszeiten nicht in Uniform dem Vaterland dienen.

An den Anblick der zahlreichen Generäle hat man sich an der Nahe rasch gewöhnt. Auch militärische Laien erkennen die hohen Herren von Weitem an ihren roten Streifen längs der tadellos gebügelten Hosennaht. Der Volksmund hat dafür seine eigene respektlose Bezeichnung: „Himbeerhosen“.

Im Januar 1918 vernichtet ein verheerendes Hochwasser große Teile der Kreuznacher Infrastruktur. Die Vermutung liegt nahe, dass vor allem deshalb das Große Hauptquartier am 8. März 1918 in das Hotel Britannique ins belgische Spa verlegt wird, wo es bis zum Kriegsende bleibt. Allerdings sollen die Generäle den Kaiser schon vor dem Hochwasser um diese Verlegung gebeten haben, um noch näher an der Front zu sein.

Bad Kreuznach erlebt anschließend nur noch einen schier endlosen Zug von der Front heimkehrender Soldaten. Der Krieg ist verloren. Rund 17 Millionen Menschen haben ihn mit ihrem Leben bezahlt. Armin Schuck

Literatur: „Bad Kreuznach als Sitz des Großen Hauptquartiers im Ersten Weltkrieg“ von Elke Schowalter 1967, in Band 10 der Heimatkundlichen Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach, 1981; Martin Senner, „Geschichten aus Kreuznachs Geschichte“, Band 8, Verlag Matthias Ess.

Rhein-Zeitung, 12. Mai 2014

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