Rheinland-Pfalz
„Hass lebt bis heute fort“: Landtagspräsident Hering will Kultur des Erinnerns in Parlamenten weiterentwickeln
Holocaust-Gedenktag - Berlin
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin.
Christoph Soeder. picture alliance/dpa/Christoph S

Landtage, Bundestag und Bundesrat sind in Deutschland häufig für Erinnerungsarbeit an die Verbrechen der NS-Zeit verantwortlich. Angesichts aktueller antisemitischer Tendenzen genüge es nicht, zurückzublicken, sagt der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD). Er fordert eine Kultur des Erinnerns, die auch emotionale Zugänge und Begegnungen schafft - Gedenken im Hier und Heute.

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Für eine Weiterentwicklung der parlamentarischen Erinnerungs- und Gedenkarbeit im Kontext des Holocaust setzt sich der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags, Hendrik Hering, ein. Der SPD-Politiker fordert „eine Kultur des Erinnerns“, die nicht nur historische Fakten vermittelt, sondern auch emotionale Zugänge und Begegnungen schafft, wie Hering in einer Rede bei der jüngsten Konferenz der deutschen Parlamentspräsidien (Landesparlamente, Bundestag, Bundesrat) in Berlin sagte. Dort stellte Hering ein Grundsatzpapier vor, das nun in einer Arbeitsgruppe unter Federführung von Rheinland-Pfalz weiter ausgearbeitet werden soll, wie es in einer Pressemitteilung des Mainzer Landtags heißt.

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Bei der jüngsten Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente, des Deutschen Bundestages und des Bundesrates in Berlin hat der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering ein Grundsatzpapier über die Zukunft der parlamentarischen Erinnerungs- und Gedenkarbeit im Kontext der Shoah vorgestellt.
André Kuper/Landtag Rheinland-Pfalz. André Kuper/Landtag Rheinland-Pf

Angesichts des zunehmenden israelbezogenen Antisemitismus plädierte Hering dafür, nicht nur zurückzublicken. „Wir sollten stärker auch nach vorn blicken, wie wir künftig zusammenleben wollen und wie wir den Antisemitismus bekämpfen können.“ Dazu, so Hering, sollten im Rahmen der Shoah-Gedenkarbeit Orte gegenwärtigen jüdischen Lebens stärker in den Fokus gerückt werden. „Denn wir wissen oftmals viel zu wenig über die jüdischen Menschen um uns herum, die genauso Deutsche sind, wie wir es sind.“

„Sie gehören zu uns“

Juden würden im deutschen Diskurs viel zu oft als „die anderen“, das Judentum als „das andere“ wahrgenommen, darauf reduziert, Opfer des Nationalsozialismus zu sein oder die israelische Bevölkerung. „Aber die Jüdinnen und Juden in Deutschland, sind nicht die anderen, sie gehören zu uns, sie sind Teil des gesellschaftlichen ‚Wir‘“, wird Hering zitiert. Das müsse man künftig viel stärker und viel selbstverständlicher leben, denn gegen die Entmenschlichung helfe nur die direkte und unmittelbare Menschlichkeit miteinander.

Zuletzt hat die Zahl der antisemitischen Taten in Rheinland-Pfalz zugenommen – laut jüngsten Verfassungsschutzberichts von 46 im Jahr 2022 auf 171 im Jahr 2023. Die Anzahl sei wie im gesamten Bundesgebiet stark gestiegen, sagte Elmar May, Leiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (wir berichteten). Nach dem 7. Oktober gab es laut May 46 Versammlungen mit pro-palästinensischem Hintergrund im Bundesland. Im Vergleich zur gesamten Republik sei das „relativ wenig“.

Parlamente sollen ihre Reichweite nutzen

Auch angesichts solcher aktueller Entwicklungen betonte Hendrik Hering, dass wir Deutsche die historische Verantwortung hätten, dass sich der Zivilisationsbruch der Nazis niemals wiederholen dürfe. Dies gelte für die Zivilgesellschaft, aber auch für die politisch Verantwortlichen. „Gerade die Parlamente können zu diesem Zweck ihre Reichweiten und ihre Stellung im demokratischen System nutzen, damit diese Pflicht zum Erinnern auch in der Fläche gesehen und angenommen wird“, so Hering laut Pressemitteilung.

Es gebe viel zu tun: „Bei aller Kritik, die man am Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza äußern kann, vielleicht sogar äußern muss, ist es doch so, dass sie oftmals nur Vorwand für kaum bis nicht verschleierten Antisemitismus darstellt.“ Der Hass, der in der NS-Zeit zum millionenfachen Mord führte, lebe heute noch fort. “Deswegen kann und darf es kein Vergessen geben“, sagte Hering. tim, bas

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