Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt man nach, dass sie bei ihren letzten Wahlkämpfen allein mit dem Motto „Sie kennen mich“ angetreten und – je nach Interpretation – erfolgreich gewesen sei. Diese Maxime könnte auch der rheinland-pfälzische CDU-Parteichef Christian Baldauf für sich in Anspruch nehmen. Sie kennen mich. Aber – anders als die ehemalige CDU-Chefin – zieht der 56-jährige Pfälzer genau die gegenteilige Schlussfolgerung: Baldauf tritt zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl den geordneten Rückzug an.
Am Dienstag gab der Jurist, der schon mehr als 20 Jahre in der Landespolitik dabei ist, bekannt, den Parteivorsitz beim Parteitag am 21. September abzugeben – und Landtagsfraktionschef sowie CDU-Generalsekretär Gordon Schnieder als seinen Nachfolger vorzuschlagen. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026 soll in Frankenthal dagegen noch nicht bestimmt werden.
Mehr als 30 Jahre in der Opposition
Baldauf weiß selbst um seine „Kanten und Schwächen“, nennt selbst Flapsigkeit als eine solche. Kritiker werfen dem 56-Jährigen vor, er sei chaotisch, zu sprunghaft, er denke nicht strategisch. Baldauf hat noch ein weiteres, entscheidendes Manko: Er konnte die CDU nach mehr als 30 Jahren nicht aus der Opposition im Bundesland führen. Bei der Landtagswahl 2021 erzielte die Partei, die bei der Europawahl und Kommunalwahl am 9. Juni wieder mit Abstand stärkste Kraft wurde, mit dem Spitzenkandidaten Baldauf 27,7 Prozent. Vorn lag am Ende, wieder einmal, die SPD. Mit 35,7 Prozent – und mit einer triumphierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
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Die verlorene Wahl wurde mit einem Vertrauensverlust gegenüber seiner Person, sowohl in der Partei als auch in der Fraktion, begleitet, stellt der CDU-Landeschef am Dienstag in Mainz fest. Er habe sich seit der Wahlniederlage vor drei Jahren viele Gedanken gemacht – und die Frage gestellt, ob er es noch einmal probieren möchte oder nicht. Er möchte nicht.
Baldauf will, dass sich das CDU-Resultat beim nächsten Mal ändert, will, dass die CDU auch bei einer Landtagswahl auf Platz eins einläuft. Deshalb sei es „ganz entscheidend, dass wir jetzt die Weichen stellen, die uns die beste Ausgangsposition für die Wahl 2026 bieten“. Die beste Ausgangsposition, „das Beste für die Partei“, sieht der Pfälzer mit einer Neuaufstellung mit Gordon Schnieder an der Spitze. Der 48-jährige Eifeler soll ihm beim Delegiertentreffen – das, so will es der Zufall, in Baldaufs Heimat Frankenthal stattfinden soll – als Parteichef nachfolgen.
„Jetzt die Weichen stellen“
Zieht die Partei mit, wäre der 48-Jährige nicht nur Fraktions-, sondern auch Landesvorsitzender – und damit der neue starke Mann in der rheinland-pfälzischen CDU. Aus Parteikreisen heißt es, dass dann am Spitzenkandidaten Schnieder kein Weg mehr vorbeiführen werde. Baldauf betont, dass die Spitzenkandidatenfrage beim Parteitag im Herbst nicht entschieden werde. Den Fahrplan hierfür müsse der neue Vorsitzende machen.
Klar ist aber: Wird Schnieder zum Vorsitzenden gewählt, ist er definitiv der logische Herausforderer von Ministerpräsidentin Dreyer – oder von einem anderen SPD-Spitzenkandidaten. Schnieder selbst sagt am Dienstag: Wenn eine Person zwei Ämter innehabe und vereine, denke man „zumindest ernsthaft darüber nach“. Ein klares Dementi klingt anders. Dennoch lässt sich der Christdemokrat damit eine Hintertür offen.
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Schnieder lobt Baldauf in den höchsten Tönen für seine Entscheidung. Man verstehe sich – auch zwischen den Bezirksverbänden, davon gibt es drei im Land – „so gut wie noch nie in der Geschichte der CDU Rheinland-Pfalz, jedenfalls solange ich zurückdenken kann“, lobpreist der General. Das sei Baldaufs Verdienst, er sei ein Brückenbauer, er führe die Menschen zusammen. Sein Vorschlag bedeute ihm viel, erklärt Schnieder. Er bewundere es, wie Christian Baldauf „souverän das Wohl der Fraktion als auch der Partei in den Vordergrund seines Wirkens“ gestellt habe. Es sind sehr wohlige Worte. Vielleicht auch versöhnende Worte für den scheidenden Landeschef.
Heftige interne Querelen
Denn vor eineinhalb Jahren hatte die Landtagsfraktion Baldauf nach internen Querelen vom Fraktionsvorsitz und damit die Partei ins Chaos gestürzt. Einige sprachen im Anschluss vom Putsch einer „Frühstücksrunde“, bei der auch Schnieder dabei war, andere von einem freundschaftlichen Gespräch, bei dem Baldauf der Rückzug als Fraktionschef nahegelegt worden sein soll.
Baldauf bewegten die Zerwürfnisse. Auf die Frage unserer Zeitung, ob er von seinen Fraktionskollegen fair behandelt worden ist oder ob Wunden bei ihm übrig bleiben, hatte er Wochen nach den Querelen geantwortet: „Lassen Sie uns in zehn Jahren da mal drüber reden.“ Der heute amtierende Fraktionsvorsitzende Schnieder, der Baldauf gefolgt war, sagte zu einem späteren Zeitpunkt: „Das war Christian Baldauf und der Partei gegenüber unwürdig.“ Nun würde Schnieder Baldauf erneut beerben. Diesmal allerdings freiwillig.
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Zwei Tage haben die CDU-Abgeordneten über die Lage nach dem angekündigten Rücktritt von Fraktionschef Christian Baldauf beraten. Viel zu verkünden gab es anschließend nicht. Doch wie geht es bei den rheinland-pfälzischen Christdemokraten nun weiter?„Lassen Sie uns in zehn Jahren reden“: Wie geht es bei der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion weiter?
Mit einer Wahl zum Parteichef gelänge dem gebürtigen Trierer ein weiterer steiler Karriereaufstieg. Der Finanzbeamte sitzt seit 2016 im Landtag. Baldauf selbst hob ihn anschließend in höhere Positionen. Schnieder wurde erst Vizefraktionschef, dann vor mehr als zwei Jahren Generalsekretär der Landespartei. Bei der Wahl erhielt Schnieder 96 Prozent – ein beachtliches Ergebnis.
Gesprächspartner anderer Landtagsfraktionen bescheinigen dem 48-Jährigen, ein zuverlässiger Ansprechpartner zu sein. Man könne sich bei ihm auf sein Wort verlassen, heißt es. In der Politik eine enorm wichtige Währung. Und da ist noch etwas, was vor allem bei der SPD und den Grünen von großer Bedeutung ist: die klare Abgrenzung gegenüber der AfD. Die gibt es aus SPD- und Grünen-Sicht mit Schnieder. Die AfD bezeichnete er im Parlament im Dezember als „Resterampe“.
Schnieder: Wir nehmen jeden
Der schnell aufgestiegene Christdemokrat müsste für eine Spitzenkandidatur allerdings Bekanntheit jenseits der Eifel erlangen. Hält der Bundestrend für die CDU an und leistet sich die Partei in Rheinland-Pfalz keine Zerwürfnisse wie in der Vergangenheit, scheint ein Wahlsieg denkbar. Auf die Frage, gegen wen man am liebsten 2026 antritt, antwortet Schnieder: „Wir nehmen jeden.“