Rheinland-Pfalz
Global Player bestätigt Interesse an Investment: Riesiges Rechenzentrum bei Nierstein soll tatsächlich kommen
Rechenzentrum Biere seit zehn Jahren in Betrieb
Ein Gang mit Servern in einem Rechenzentrum der Deutschen Telekom AG in Biere, Sachsen-Anhalt.
Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa

Ein japanischer Großkonzern will im Rhein-Selz-Park bei Nierstein (Rheinhessen) viel Geld in die Hand nehmen, um ein Rechenzentrum zu bauen und zu betreiben. Ein Rechenzentrum mit beachtlicher Leistung. Kommt es zur Investition, wäre es die zweite große Unternehmensansiedlung in Rheinhessen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

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Es soll tatsächlich kommen: Das weltweit agierende Unternehmen NTT Data möchte im rheinhessischen Nierstein (Landkreis Mainz-Bingen, weniger als 10.000 Einwohner) ein riesiges Rechenzentrum bauen und betreiben. NTT Data hat gemeinsam mit der Stadt Nierstein und der Verbandsgemeinde Rhein-Selz ein Bauleitverfahren für die Errichtung eines Rechenzentrum-Campus auf einem ehemaligen Kasernengelände der US-Army mit rund 70 Hektar, dem Rhein-Selz-Park, gestartet – an dessen Ende könnte ein gültiger Bebauungsplan stehen. Derzeit liefen die Vorplanungen. Das teilte NTT Data beziehungsweise Global Data Centers, ein Geschäftsbereich von NTT Data, am Donnerstag in Frankfurt mit.

Der mit Abstand größte Standort in Deutschland

Der erste Teil des Rechenzentrum-Campus könnte, so schätzen Experten, in fünf, sechs Jahren stehen. Er soll aus mehreren Gebäuden bestehen. Zur Leistungszahl sagte Günter Eggers, Sprecher bei NTT Data: „Wir möchten in Nierstein möglichst groß bauen. Wir reden über ein Rechenzentrum mit einer IT-Leistung in einer dreistelligen Megawatt-Zahl. Wenn das Rechenzentrum so kommt, wird es zu den größten in Deutschland gehören.“

NTT Data ist eine auf Beratung und IT-Dienstleistungen spezialisierte Tochter des Tokioter Telekommunikationsriesen Nippon Telegraph and Telephone (NTT). Global Data Centers wiederum ist der für die Planung, den Bau und den Betrieb von Rechenzentren verantwortliche Geschäftsbereich von NTT Data. Der Gesamtkonzern NTT erzielt nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 97 Milliarden US-Dollar, hat weltweit über 330.000 Mitarbeiter, investiert 3,6 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung.

NTT Data betreibt nach eigenen Angaben über 150 Rechenzentren auf vier Kontinenten und in über 20 Ländern. Zumeist handelt es sich nach Unternehmensangaben um sogenannte Colocation-Rechenzentren. Das heißt, dass ein Gebäude samt Stromversorgung, Kühlung und anderer nötiger Infrastruktur an Kunden vermietet wird – unter Zusicherung einer gewissen IT-Leistung. Das eigentliche Innenleben, wie zum Beispiel Server, bringt dann der jeweilige Kunde ein.

Nachfrage nach Rechenleistung stark gestiegen

Die Nachfrage nach Rechenzentren und -leistung ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – und dürfte auch hierzulande weiter steigen. Denn einerseits gibt es in Deutschland in Sachen Digitalisierung Nachholbedarf, andererseits wird etwa Künstliche Intelligenz (KI) künftig viele Geschäfts- und Lebensbereiche prägen. Hierfür müssen neue Rechenleistungskapazitäten geschaffen werden.

Der Bedarf für leistungsfähige Rechenzentren ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, und er steigt weiter. Wir gehen davon aus, dass sich die Nachfrage allein in Europa in den nächsten drei bis fünf Jahren verdoppeln wird.

Günter Eggers, Sprecher bei NTT Data

Das geplante Projekt bei Nierstein befindet sich aktuell in einer sehr frühen Planungsphase, wie NTT Data betonte. Wie der Rechenzentrum-Campus am Ende konkret aussehen könnte, das konkrete Investitionsvolumen sowie der genaue Zeitplan müssten erst noch ermittelt werden. Es seien noch viele Fragen zu klären – zum Beispiel die nach dem langfristig verfügbaren Strom vor Ort, der eine wichtige Voraussetzung für ein solches Projekt ist. Wie viel Strom am Standort einmal verfügbar sein wird, ist bisher nicht klar.

Eggers bestätigte aber, dass es bereits eine vertragliche Vereinbarung – eine Art Kaufvorvertrag – gibt. Man arbeite eng mit den Partnern und Behörden vor Ort zusammen.

Entwicklungspläne für Rhein-Selz-Park scheiterten bislang

Das ehemalige US-Militärgelände liegt nach dem Abzug der Amerikaner im Jahr 2009 seit Jahren brach. 2014 hatte der Mainzer Geschäftsmann Wolfram Richter das Areal gekauft, um es zu entwickeln. Für den Rhein-Selz-Park gab es viele Entwicklungspläne, bislang scheiterten sie allerdings alle.

Fest steht: Kommt es zur Investition, wobei man eher über Milliarden als Millionen sprechen dürfte, wäre es die zweite große Unternehmensansiedlung in Rheinhessen. Denn der US-Pharmakonzern Eli Lily baut in Alzey (Kreis Alzey-Worms, rund 20.000 Einwohner) für 2,3 Milliarden Euro eine neue Produktionsstätte für Medikamente zur Behandlung von Diabetes und Adipositas. Es sollen dort rund 1.000 Arbeitsplätze entstehen.

Für Nierstein und ganz Rheinhessen wäre das Rechenzentrum ein Coup. Mit einer solchen Ansiedlung würde reichlich Geld in die Kassen der bislang eher durch den Weinbau bekannten Kleinstadt fließen.

Was bedeuten Megawatt als Leistungsbeschreibung?

Die Größe eines Rechenzentrums wird üblicherweise in Form der gesicherten IT-Leistung angegeben. Damit ist die maximale elektrische Leistung in Megawatt gemeint, mit der die IT-Komponenten im jeweiligen Rechenzentrum sicher versorgt und zuverlässig gekühlt werden können. Bei Neubauprojekten wird mitunter auch die gesamte, am jeweiligen Standort verfügbare elektrische Anschlussleistung angegeben. Dieser Wert ist meist deutlich größer als die gesicherte IT-Leistung. Wie die German Datacenter Association unserer Zeitung vor einiger Zeit mitteilte, wären 500 Megawatt, selbst wenn es sich „nur“ um die gesamte dort verfügbare elektrische Anschlussleistung handeln sollte, „ein bemerkenswert großer Wert“. bas

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