Koblenz
Gewinner ohne Pokal: Sven Sabock über die Auftritte von Außenseitern
Sven Sabock
Sven Sabock
Kevin Rühle. MRV

Längst sind die vermeintlich kleinen Nationen bei großen Turnieren nicht mehr nur Punktelieferanten, sondern häufig eine Bereicherung. Siehe Georgien.

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Man muss nicht immer einen Pokal in die Höhe recken, um ein Sieger zu sein. Diese erfreuliche Erkenntnis trifft nicht nur bei dieser Europameisterschaft zu, aber eben auch. Während zahlreiche Fußball-Großmächte sich mehr oder weniger mühsam durch das Turnier schleppen oder schon die Heimreise antreten mussten, hat uns der größte Außenseiter gezeigt, wie sehr sich ein Land hinter einer Mannschaft versammeln kann – und welche Emotionen der Fußball bisweilen freisetzt. Keine Frage, lange bevor das EM-Endspiel in Berlin gespielt ist, können sich die Georgier wie Gewinner fühlen. Daran ändert auch das Aus im Achtelfinale nichts. War es doch eine Sensation, dass sich die Mannschaft von Trainer und Ex-Bayern-Profi Willy Sagnol überhaupt für das Turnier und im Anschluss sogar für die K.o.-Runde qualifizieren konnte. Dass der wackere Außenseiter gegen Spanien in Führung gegangen war und den Turnier-Favoriten zumindest phasenweise ärgern konnte, lässt die Georgier noch ein bisschen stolzer die Heimreise antreten.

Plädoyer für die Erweiterung auf 24 Mannschaften

Wer sich während der Partien die TV-Bilder der Fans genau angesehen hat, wird feststellen, dass wie so häufig im Leben ein Perspektivwechsel den Horizont erweitern kann. Wenn ein Treffer von Stürmerstar Chwischa Kwaratschelia, der bei SSC Neapel unter Vertrag steht, die Menschen zu Tränen rührt, ist das mehr als nur ein bloßer Torjubel. Es zeigt, wie sehr der Fußball die Menschen in einem krisengeplagten Land bewegt – und wie sehr er Emotionen wecken kann. Der Blick in die Gesichter der georgischen Anhänger ist gleichsam auch ein Plädoyer für die Erweiterung der EM auf 24 Mannschaften, die 2016 vollzogen wurde. Die Bedenken der großen Verbände, dass der Wettbewerb verwässert und die Spieler über Gebühr belastet werden, haben sich zerschlagen. Seither bereichern gerade die erfrischenden Auftritte kleinerer Länder wie Island (2016), Wales (2021) oder eben nun Georgien das Turnier.

Die Nations League als Hintertür zur EM

Man darf (und sollte) den europäischen Verband Uefa für die ungebremste Gier nach immer mehr Wettbewerben und Einnahmen auch von durchaus fragwürdigen Geldgebern kritisieren. Die eher unliebsame Nations League erfährt in diesen Tagen indes eine charmante Note: Sie ermöglichte den Georgiern, die in der EM-Quali deutlich gescheitert waren, durch die Hintertür den Sprung nach Deutschland. Was uns zudem viele neuen Namen gelehrt hat: Wir kennen jetzt nicht nur Kwaratschelia, sondern auch den kühnen Torwart Giorgi Mamardashvili. Der 23-Jährige soll sogar beim FC Bayern ein Thema gewesen sein. Ein großes Turnier ist eben immer auch eine große Bühne – und die Georgier haben sie im besten Sinne für sich und ihr Land genutzt.

E-Mail an den Autor: sven.sabock@rhein-zeitung.net

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