Der Fachkräftemangel beginnt schon bei den unbesetzten Ausbildungsverhältnissen. Ende 2021 gab es in Rheinland-Pfalz 61.932 eingetragene Ausbildungsverhältnisse, davon 33.288 in IHK-Berufen. Doch die Zahlen könnten höher sein. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist ungebrochen groß. Trotzdem bleiben jedes Jahr unzählige Ausbildungsstellen unbesetzt: einerseits wegen der kontinuierlich rückgängigen Geburtenjahrgänge, andererseits aber auch, weil mittlerweile viele Jugendliche verstärkt in schulischen Angeboten verbleiben oder akademische Wege zum Berufseintritt suchen. In der Folge werden viele berufsbildende Schulen zunehmend zu Berufsfachschulen und sehen ihren Kernauftrag nicht mehr als Partner in der dualen Ausbildung. Zudem steigt die Zahl der Studienabbrecher.
Auch Unternehmen sind gefordert, Bestehendes zu überdenken
Mit verstärkter Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, der MINT-Förderung oder dem Abbau berufsfachschulischer Angebote kann die Zahl der Ausbildungsverhältnisse gesteigert werden. Mit der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber vor allem mit der erleichterten Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland in unseren Arbeitsmarkt können wir die negativen Folgen des demografischen Wandels abmildern.
Die Bundesregierung plant nun für Ende des Jahres die Novellierung des FEG (Fachkräfteeinwanderungsgesetz) auf den Weg zu bringen. Die Wirtschaft erwartet schnelle und bürokratiearme Lösungen bei der Rekrutierung und Arbeitsplatzsuche. Zudem müssen der Spracherwerb erleichtert und Prozesse effizienter gestaltet werden – Aspekte, die das von den IHKs und der Landesregierung getragene „Welcome Center“ aus Erfahrung bestätigen kann.
Auch Unternehmen sind gefordert, Bestehendes zu überdenken und ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Als IHK unterstützen wir Unternehmen auf vielfältige Art und Weise: mit Kampagnen wie „Durchstarter“ zur Sensibilisierung von künftigen Azubis bei Einzelberatungen in den Betrieben, mit Initiativen wie „Fit in die Ausbildung“, „Night of Talents“ oder mit Veranstaltungen wie dem HRcamp und unserer Kontaktmesse für ukrainische Geflüchtete am 19. November. Doch ohne die Politik geht es nicht. Im Dialog mit den Vertretern aus der Bundes- und Landespolitik setzen wir uns auch in Zukunft für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen ein.
Unsere Gastautorin Susanne Szczesny-Oßing ist Vorsitzende des Vorstands der EWM AG. Das Unternehmen mit Sitz in Mündersbach (Westerwaldkreis) ist für Lichtbogen-Schweißtechnik Deutschlands größter Hersteller und auch international einer der wichtigsten Anbieter. Susanne Szczesny-Oßing greift zurück auf ein vielfältiges Netzwerk in Industrie und Wirtschaft. So ist sie Vertreterin der Wirtschaft im Rat der Technologie des Landes Rheinland-Pfalz und Präsidentin des Deutschen Verbandes für Schweiß- und Fügetechnik (DVS). Seit 2017 ist Szczesny-Oßing Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz.