Oft sah das erfüllte Versprechen dann so aus: Nach der Ausbildung gab es einen Facharbeiter*innenlohn, dann der Aufstieg zum Vorarbeiter oder Meister und vielleicht sogar eine Aufgabe im Management. Auf den kleinen Fernseher folgte ein größerer und dann einer in Farbe. Aus dem Audi 50 wurde ein Jetta und dann ein Passat. Ein Haus wurde ge- oder bei den Eltern angebaut. Und mindestens einmal im Jahr ging es für zwei Wochen in Urlaub nach Italien. Man schmiedete Pläne für die Zeit in der Rente.
In der Vorstellung der nachfolgenden Generation ist das Versprechen gewiss anders gestaltet: Aus dem VW kann gern ein elektrisches Lastenrad werden, der TV sollte schon smart sein, plus Tablet. Die Internetverbindung soll schnell sein. Und statt Italien bereist man gern auch mal fernere Länder. Und man ist froh, eine ausreichend große und bezahlbare Wohnung zur Miete zu finden. Allein, dass das Versprechen eingelöst wird, ist mehr als ungewiss.
Was Gewerkschaften unter Guter Arbeit verstehen
Die Inhalte des Aufstiegsversprechens, das sind am Ende die Dinge, die Gewerkschaften unter Guter Arbeit verstehen. Darum verhandeln wir Gewerkschaften Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden. Die Menschen sollen anständige Löhne erhalten und gute Arbeitsbedingungen haben, die nicht krank machen.
Junge Menschen sollen in guter Ausbildung für das Berufsleben qualifiziert werden. Sie sollen – egal, ob beim gemeinsamen Abendbrot oder über WhatsApp – ihren Eltern und Freunden sagen, dass sie stolz sind, bald Anlagetechnikerin für Heizung-Klima-Sanitär zu sein.
Die Dinge, die wir Gewerkschaften unter Guter Arbeit verstehen, sind aber leider auch Dinge, für die wir weiter hart streiten müssen: Immer weniger Beschäftigte profitieren von Tarifverträgen. Anfang des Jahrtausends waren noch rund 72 Prozent aller Beschäftigten hier in Rheinland-Pfalz in tarifgebundenen Unternehmen beschäftigt. Heute sind es nur noch knapp über 50 Prozent. Tarifabschlüsse waren damals großes Thema in der Tagesschau, weil es die Menschen überwiegend betraf. Heute wird die Debatte von Aussagen beherrscht, die gute Tariflöhne als Problem darstellen.
Sicherheit gegen Verunsicherung
Was machen Kinder, wenn das, was ihnen versprochen wurde, nicht eingehalten wird? Sie werden bockig. Und was machen Erwachsene, wenn sie das Gefühl haben, dass die Politik ihre Versprechen nicht einhält? Sie wählen Populisten. Selbst wenn das diejenigen sind, die zwar das Blaue vom Himmel versprechen und am Ende doch nur dafür sorgen wollen, dass es braun wird. Der fehlende Glaube an die Chance auf Aufstieg und Wohlstand verunsichert die Menschen. Es ist wichtig, dass wir diesem Gefühl etwas Kraftvolles entgegensetzen: Den Menschen Sicherheit zu geben, ist von enormer Bedeutung.
Tarifverträge sind ein solches Signal der Sicherheit. Wer nach Tarif bezahlt wird, hat mehr im Portemonnaie, hat mehr Freizeit und gewinnt Sicherheit. Wenn die Menschen wieder an das Aufstiegsversprechen glauben, haben sie auch Vertrauen in die demokratischen Institutionen.
Als Gesellschaft sollten wir uns das Ziel setzen, dass die Menschen mit der Arbeit, der sie nachgehen, wieder aufsteigen können. Das ist der sicherste Weg, den Populisten das Wasser abzugraben. Versprochen ist versprochen!
Susanne Wingertszahn ist seit November 2021 Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland. Wingertszahn war davor mehr als zwei Jahrzehnte in verschiedenen Funktionen für den DGB in der Bezirksgeschäftsstelle Mainz tätig. Sie studierte Erziehungswissenschaften an den Universitäten Koblenz-Landau und Mainz und schloss ihr Studium mit dem Gutenberg-Stipendium der Stadt Mainz als Auszeichnung ab. Der DGB-Bezirk Rheinland-Pfalz/Saarland ist der Dachverband der acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Landesregierung, Parteien und Verbänden. Der DGB hat in Rheinland-Pfalz und im Saarland mehr als 400.000 Mitglieder. Die neun DGB-Bezirke bilden die landespolitische Lobby der Gewerkschaften.