Nach den Corona-Jahren fordern die Industrie- und Handelskammern einen Aufbruch für die Zentren
Für attraktivere Innenstädte: Wie Unternehmer der IHK Koblenz das Bummeln retten wollen
Einzelhandel
Wer zum Shopping in die Stadt geht, bekommt oft nicht die besten Preise. Unternehmer der IHK Koblenz setzten dagegen ganz auf Service und Einkaufserlebnisse.
Markus Scholz. dpa

Für Ladeninhaberin Hildegard Kaefer sind Einzelhändler Hochleistungssportler. Selbst, wenn sie ein Geschäft erfolgreich aufgebaut oder weitergeführt haben, also in der Sprache des Sports einen ersten wichtigen Titel gewonnen haben, müssten sie weitermachen. Jeder Tag eines Einzelhändlers sei ein Kampf um die Kunden und um die Ware. Wie wollen Unternehmer rund um Koblenz diesen Kampf mit und nach Corona führen?

Lesezeit 3 Minuten

Einzelhandel
Wer zum Shopping in die Stadt geht, bekommt oft nicht die besten Preise. Unternehmer der IHK Koblenz setzten dagegen ganz auf Service und Einkaufserlebnisse.
Markus Scholz. dpa

Hildegard Kaefer, Inhaberin des Porzellanfachgeschäfts Kaefer in Sohren und Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz sagt: „Man muss trainieren, trainieren und noch mal trainieren.“

Mit dem Geschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Arne Rössel, und dem handelspolitischen Sprecher der Gemeinschaft, Tim Wiedemann, fordert Kaefer nach den Corona-Ausnahmejahren einen Aufbruch für die Innenstädte.

Lieferkettenprobleme erschweren Handel

Fachkräftemangel, Konkurrenz durch den Onlinehandel, zu viel Bürokratie: Diese Probleme habe es schon vor der Pandemie gegeben, berichtet die Vizepräsidentin der IHK Koblenz.

Nun seien der Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, steigende Energie- und Personalkosten (Mindestlohnerhöhung) dazugekommen. Kaefer sagt: „Das ist ein ungesunder und wenig schmackhafter Cocktail für die Innenstadtentwicklung.“ Dennoch sieht die Geschäftsfrau für die Stadtzentren eine Zukunft, schließlich „wollen die Menschen Begegnungen“, ist sie überzeugt.

Das ist ein ungesunder und wenig schmackhafter Cocktail für die Innenstadtentwicklung.

Hildegard Kaefer, IHK Koblenz, über steigende Kosten und unterbrochene Lieferketten

Die Fachgeschäftsinhaberin ruft alle wichtigen Akteure, etwa die Einzelhändler, die Gewerbevereine, die Immobilieninhaber sowie die Kommunal- und Landespolitik, dazu auf zusammenzukommen.

Klar sei: Eine attraktive Innenstadt müsse die Menschen zum Verweilen einladen. Kaefer sagt: „Die Menschen fahren nicht in die Stadt, um nur einkaufen zu gehen. Sie wollen einen schönen Tag erleben.“

Stadtbesuch als besonderes Erlebnis

Deshalb brauche es einladende Cafés, schmucke Sitzmöglichkeiten, Springbrunnen, Blütenpracht. Hildegard Kaefer erklärt: „Der Besuch in der Stadt muss alle Sinne ansprechen, dann kaufe ich auch etwas ein.“

Tim Wiedemann betont, dass die erforderlichen Maßnahmen für den Aufbruch der Zentren bereits vorhanden seien: „Die Konzepte sind da, sie müssen jetzt umgesetzt werden.“ Kaefer sieht dabei auch die Politik in der Pflicht. Sie fordert: „Wir brauchen weniger Verwaltung und mehr Gestaltung.“ Es sei die Aufgabe der Politik, Bürokratie abzubauen.

Der Besuch in Geschäften der Innenstadt  - hier der Koblenzer Münzplatz - soll zum "Zuhause auf Zeit" werden, wenn es nach der IHK geht.
Picture Alliance/dpa

Kaefer sieht aber auch ihre Kollegen in der Verantwortung. Der Geschäftsbesuch „muss zum Zuhause auf Zeit werden“. Die Kunden müssten sich in einem Laden wohlfühlen. Sie spricht sich für offene, freundlich gestaltete Geschäfte aus, die nicht vollgestopft seien, vielmehr dazu einlüden, sich neue Ideen abzuholen.

In ihrem Porzellanhaus gestalte sie die Tische und Verkaufsfläche ständig neu. Wenn Kunden nach einem Einkauf 14 Tage später wiederkommen, „haben sie ein ganz neues Erlebnis“, erzählt Kaefer.

Onlinehandel als übermächtiger Gegner

Die Geschäftsinhaberin räumt ein, dass man gegen die Preise und Schnelligkeit des Onlinehandels nicht ankomme. Deshalb sei es wichtig, dass die Händler mehr zum Dienstleister würden.

„Wir müssen beraten, beraten, beraten. Und den Menschen zuhören.“ Im Moment gebe es „so viele Belastungen, so viel Druck“. Da würden bereits ein offenes Ohr und ein Ort „zum Runterkommen“ helfen. Kaefer: „Wenn der Kunde froh das Geschäft verlässt, kommt er wieder.“

Jede Innenstadt ist anders

Arne Rössel betont, dass die rheinland-pfälzischen Innenstädte alle unterschiedlich seien. Alle hätten aber gemeinsam, dass die jeweiligen Akteure vor Ort sie gestalteten. Es gelte, die Partner zu stärken und ins Gespräch zu bringen, so der Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.

An die Adresse der Landespolitik adressiert er die Forderung, auch die Mittelzentren finanziell zu fördern. Außerdem sollten die örtlichen Gewerbevereine und Wirtschaftsförderungen gestärkt werden.

Arne Rössel, Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz und Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz
Picture Alliance/dpa/IHK Koblenz

Beim Thema verkaufsoffene Sonntage drängten Rössel und Wiedemann auf Verlässlichkeit vonseiten der Politik. Kommunen sollten die Möglichkeit haben, vier verkaufsoffene Sonntage ohne Anlassbezug zu genehmigen.

Zurzeit sei es so, dass eine Kommune einen solchen Tag genehmige, während die zweite ihn nicht erlaube. „Wir brauchen Planungs- und Rechtssicherheit“, so Tim Wiedemann. Arne Rössel verweist auf ein Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts. Das hatte kürzlich drei verkaufsoffene Sonntage in Berlin für rechtens erklärt.

Individuelle Entscheidungen zur Maske

Dass viele der Corona-Beschränkungen auslaufen, begrüßen die IHKs. Wie die Unternehmen mit der Frage der wegfallenden Maskenpflicht umgehen, müssten sie selbst entscheiden. Hildegard Kaefer berichtet, dass sie mit ihren Mitarbeitern entschieden hätte, im Geschäft weiter Maske zu tragen: „Ich glaube, dass unsere Gäste weiter gern die Maske tragen werden.“

Top-News aus der Region