Typisches Start-up also, nur eben nicht mit Hightech, sondern mit Äpfeln, Birnen und Quitten. Die hat er auf den familieneigenen Streuobstwiesen geerntet, gewaschen, gehäckselt und gepresst. Die alte Presse war ein Zufallsfund, tat aber ihre Dienste. Nun musste der erste eigene Apfelsaft nur noch abgefüllt werden. Eine Geschäftsidee war geboren ...
Bis zu 200.000 Liter Saft
„Ich wollte mich immer schon selbstständig machen“, erzählt der heute 25-Jährige. Vor allem die Mund-zu-Mund-Propaganda hat dazu beigetragen, dass dies zunächst im kleinen Rahmen funktioniert hat. Bis zum vergangenen Jahr aber musste er noch als gelernter Gas- und Wasserinstallateur seine Brötchen verdienen – neben der Mosterei. Mittlerweile hat er den Sprung in den Getränkeverkauf komplett gewagt, pachtete Räume in einem alten Bauernhof in Dachsenhausen, wo er nun seine Maschinen stehen und ein größeres Lager zur Verfügung hat. Immerhin bringt er pro Jahr zwischen 60.000 und 200.000 Liter Saft an den Mann und die Frau – je nach Obsternte und Laune der Natur.
Einen eigenen Saftladen betreibt der Selfmademan und Einzelkämpfer nicht. Seine Produkte sind jedoch bei regionalen Bäckern, Dorfläden, im Landhandel, in Tankstellen und bei einigen Rewe- und Edeka-Märkten im Rhein-Lahn-Kreis erhältlich. Immer mehr heimische Gastronomen sind ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Und Kindergärten, die er direkt beliefert. Im Angebot sind Apfelsaft oder Apfel- mit Birnen-, Quitten- und Kirschsaft gemischt. Auch weißen Traubensaft verkauft Philipp Diehl. Wer vorher probieren und ihn persönlich kennenlernen will, sollte vorher anrufen – der Mann ist beschäftigt.
Alte Apfelsorten pflanzt er nach
Denn er kümmert sich ja selbst um das eigene Obst. Pflegt die Bäume, pflanzt nach, erntet, presst, füllt ab. Kein Konzentrat. Direktsaft. Zu 100 Prozent. Und regional. Nur Trauben- und Kirschsaft kauft er dazu. In den Streuobstwiesen wird nicht gespritzt, sein Obst ist also biologisch, wenn auch nicht zertifiziert. Braucht er nicht, die Leute glauben es ihm auch so. Und sie schmecken die Natur, die vielen gesunden Inhaltsstoffe, die in den Säften stecken. Die Nährwerte, klarer Fall, sind auf jeder Packung ausgewiesen.
Außerdem hat sich Philipp zum Ziel gesetzt, möglichst viele alte Sorten nachzupflanzen. Den Klassiker Rheinischer Bohnapfel etwa, vollsaftig mit etwas herbem Geschmack, oder den Roten Trierer Weinapfel, saftig und säuerlich, ideal für Most. Die Rheinische Schafsnase ist ein historischer Winterapfel mit hohem Ertrag und großen Früchten; ebenso wie Schöner aus Nordhausen mit seinem weinsäuerlichen Geschmack. Der Erbachhofer Mostapfel hingegen ist ein Herbstapfel mit festem, würzigen Fruchtfleisch, ein typisches Streuobstgewächs mit hervorragenden Qualitäten fürs Saftmachen.
Es sind Sorten, die selten geworden sind, selbst auf dem Land. Gegenüber dem Supermarktangebot aber sind sie aromatischer, dank ihrer vielen Inhaltsstoffe gehaltvoller und gesünder. Eine wertvolle Ressource. Zu lange vernachlässigt. Sie zu rekultivieren ist also durchaus auch ökologisches Vorgehen. Obwohl Philipp Diehl von sich selbst sagt, er sei kein „Öko“, doch der Saft, der schmecke aus diesen Äpfeln einfach besser. Und das merkt er am Ab- und Umsatz des Geschäfts.
Seine Säfte gibt's übrigens nicht in Flaschen, sondern in 3- oder 5-Liter-Boxen mit geschmacksneutralen PE-Beuteln drin. Die Vorteile: Niedrigere Abfülltemperaturen, womit die Vitamine erhalten bleiben; längere Haltbarkeit (geöffnet circa drei Monate, ungeöffnet etwa zwei Jahre, je nach Obstqualität), auch nach dem Öffnen ist eine Kühlung nicht zwingend erforderlich, außerdem platzsparende Lagerung. Und auch hier schreibt sich Diehl den Öko-Gedanken auf die Internetseite: Die Kartonagen sind wiederverwendbar, die Beutel recycelbar und die CO2-Bilanz sei besser.
Mit der Obstkelter zu den Bauern
Doch allein mit dem Saftverkauf könnte Philipp Diehl finanziell nicht durchhalten. Vor drei Jahren hat er eine mobile Kelter gekauft, seitdem ist er vor allem in den Monaten September bis November bei Obstbauern zwischen Euskirchen und Olpe, Wiesbaden, Koblenz und Mülheim-Kärlich im Einsatz. Wie gesagt: waschen, häckseln, pressen und abfüllen. Ab einer Menge von einer Tonne Früchten lohnt sich für ihn das Geschäft. Wer aber zum Beispiel im Garten kleinere Mengen an Äpfeln, Birnen oder Quitten hat und seinen eigenen Saft herstellen will, der kann sich ebenfalls bei Diehl melden, das Obst nach Dachsenhausen bringen, ab 50 Kilogramm, und selbst beim Saftmachen helfen.
Apfelglühwein auf Christmärkten
Auch neue Absatzwege hat sich Philipp Diehl eröffnet: Auf der ein oder anderen Kirmes, wie zum Beispiel in Miehlen, schenkt er Apfelwein-Cola aus. Und im vergangenen Jahr war er erstmals bei einigen Weihnachtsmärkten mit eigenem Apfelglühwein und Apfelpunsch für Kinder dabei. Das kam spitzenmäßig an. Deshalb hat er drei Hütten gekauft und sich bereits für rund 30 Christmärkte in diesem Jahr angemeldet. Dort kann man ihn dann persönlich kennenlernen und die Früchte aus der Region mal ganz anders probieren. Süßer die Äpfel nie schmecken ...
Mosterei Philipp Diehl, Winterwerber Straße 11, 56357 Gemmerich, Telefon 0171/587 25 00, E-Mail info@mosterei-diehl.de, Internet www.mosterei-diehl.de