Malu Dreyers Entscheidung, das Amt der Ministerpräsidentin in die Hände von Arbeitsminister Alexander Schweitzer zu legen, löst ein Personalkarussell aus – die Spekulationen, wer Schweitzer im Arbeits- und Sozialministerium nachfolgen könnte, schießen ins Kraut. Wohl in der nächsten Woche, so hört man, könnte eine Entscheidung fallen, die Machtmaschine SPD arbeitet im Hintergrund. Als gesichert gilt, dass es eine Frau werden soll – Geschlechterproporz wird groß geschrieben in der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Besonders ein Name fällt dabei immer häufiger: Tanja Machalet. Die Bundestagsabgeordnete aus dem Westerwald gilt als absolut qualifiziert für den Job. „Spannende Personalie“, raunt es in Regierungskreisen.
Vor wenigen Wochen 50 geworden, passt sie auch vom Alter her in die neue Generation des sozialdemokratischen Spitzenpersonals – Schweitzer ist schon 50, die designierte Landesparteichefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, ebenfalls eine Westerwälderin, noch 49. Man kennt sich schon lange, seit Juso-Zeiten.
Machalet ist bereits Beisitzerin im Landesvorstand. Und hat einen tadellosen Ruf: 2021 entriss sie auf Anhieb der CDU den als tiefschwarz geltenden Wahlkreis Montabaur und zog als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete in den Reichstag ein.
Erfahrung in der Staatskanzlei
Das war der – vorläufige – Höhepunkt einer sozialdemokratischen Bilderbuchkarriere: Von 1999 bis 2003 war sie stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende, von 2006 bis 2011 arbeitete sie dann als Referentin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz unter Kurt Beck. 2011 zog sie in den Mainzer Landtag ein, wirkte dort unter anderem als haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. MdL blieb sie bis 2021. Dann Berlin.
Nun wieder Mainz? Das zur Neubesetzung stehende Schweitzer-Ministerium in seinem derzeitigen Zuschnitt wirkt wie für sie gemacht. Machalet wäre schnell in den zu beackernden Themen des Ministeriums drin, was wichtig ist, sagen Beobachter: Arbeit, Soziales, Transformation, Digitalisierung. Machalet absolvierte nach dem Abi am Mons-Tabor-Gymnasium (1993) zunächst eine Banklehre, studierte dann Volkswirtschaftslehre (unter anderem in Trier) und promovierte 2007. Titel ihrer Doktorarbeit: „Bildungsabschlüsse am internationalen Arbeitsmarkt“. Im Bundestag ist sie Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Geboren am 1. Mai
Insbesondere mit den Gewerkschaften gilt sie als bestens vernetzt – deren Wirken für Arbeitnehmerrechte ist eine Herzensangelegenheit der Westerwälderin. Als Stipendiatin der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung sagte sie einmal: „Schon mein Vater war Betriebsrat, geboren wurde ich am 1. Mai!“ Sie setzt sich für Betriebsratsgründungen und mehr Tarifverträge ein. „Betriebliche Mitbestimmung ist ein Grundpfeiler der Demokratie, diese zu verteidigen ist im Moment das Wichtigste.“ Bei Arbeitgebern ist sie folgerichtig nicht ganz so beliebt. Aber in Mainz ist ja auch nicht das Wirtschafts-, sondern das Arbeitsministerium neu zu besetzen.
Die Pendelstrecke würde sich für die zweifache Familienmutter jedenfalls dramatisch verkürzen. Aber genügt das, um das attraktive Bundestagsmandat abzugeben? Eine knifflige Entscheidung – allerdings dürfte in Berlin insbesondere in der SPD-Fraktion die Furcht vor der nächsten Bundestagswahl, die planmäßig 2025 stattfinden soll, fast hörbar sein. Werden aktuelle Umfragen tatsächlich zu Wahlergebnissen, dürften etliche Mandate verloren gehen. Und ob im Westerwald noch einmal ein Direktmandat zu holen ist – gegen den Bundestrend – auf jeden Fall schwierig.
Machalet: Kein Kommentar
Was sagt Machalet selbst zu den Spekulationen um ihre Person? Sie fühle sich geehrt durch das Interesse, meint sie auf Anfrage unserer Zeitung. Darüber hinaus aber will sie keinerlei Stellung beziehen.
Freilich ist Machalets Name nicht der einzige, der derzeit genannt wird, wenn es um die Schweitzer-Nachfolge geht. Als aussichtsreich gilt auch ihre Bundestagskollegin Verena Hubertz (wir berichteten ausführlich). Die 36-jährige Unternehmerin aus Trier ist das Nachwuchstalent der SPD im Land. Neben ihren Qualifikationen würde ihr Aufrücken in die Landesregierung auch den Regionalproporz bewahren – durch Dreyers Ausscheiden wäre der Westen des Landes ansonsten unterrepräsentiert.
In Mainz brodelt es heftig in der Gerüchteküche: Dreyer geht, Schweitzer kommt – aber wer wird neuer Minister? Oder neue Ministerin? Oder Staatssekretär? Das Stühlerücken ist bereits in vollem Gange, unter rheinland-pfälzischen Genossen wird heftig diskutiert.Die Gerüchteküche brodelt: Wer folgt auf Dreyer-Nachfolger Alexander Schweitzer?
Das allerdings spricht auch kaum gegen Machalet – wenn man vernachlässigt, dass mit dem Andernacher Clemens Hoch der Gesundheitsminister aus dem Norden kommt. Hubertz allerdings hat keine Erfahrung in der (Landes-)Verwaltung – das ist bei Machalet anders. Ein Übergang wäre leichter für die SPD Rheinland-Pfalz. Ein Sozialdemokrat ist außerdem überzeugt, dass Hubertz in Berlin glücklich sei, demnach keine Ambitionen hat, in Mainz ein Amt zu übernehmen.
Auch DGB-Landeschefin wird genannt
Die „Rheinpfalz“ brachte zudem einen weiteren Namen ins Spiel: Susanne Wingertszahn. Die DGB-Landeschefin wäre eine exotische Wahl – und würde die Landesregierung auf einen Schlag näher an die Gewerkschaften führen. In Regierungskreisen heißt es allerdings, dass Wingertszahn im politischen Gefecht mit der Opposition nicht die Richtige sein könnte. Eher unwahrscheinlich, dass es so kommt. Wingertszahn selbst sagt auf Anfrage: „Ich beteilige mich nicht an Spekulationen, das steht mir auch als DGB-Vorsitzende nicht zu.“
Egal, wie es letztlich kommt – das Karussell dreht sich weiter. Auch in der zweiten Reihe dürfte mindestens eine Nachbesetzung notwendig werden. Mainzer Kreise sind sich relativ sicher, dass Alexander Schweitzer seinen Staatssekretär und Vertrauten Fedor Ruhose mit in die Staatskanzlei nimmt und dort als Chef des Hauses installiert. Wer ihm wiederum im Ministerium nachfolgt, hängt auch stark von der neuen Hausspitze ab. Vielleicht also Machalets erste Spitzenpersonalentscheidung.
AfD-Klage gegen Dreyer erledigt sich nicht durch Amtsverzicht
Die von der AfD beim rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof erhobene Klage gegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und die Landesregierung erledigt sich durch den geplanten Machtwechsel am 10. Juli nicht. Das teilt ein Sprecher des Verfassungsgerichtshofs in Koblenz auf Anfrage unserer Zeitung mit. Außerdem betont der Sprecher: „Es bestand und besteht keine Notwendigkeit, in diesem Verfahren eine Entscheidung bis zum 10. Juli 2024 zu treffen.“ Wann eine Entscheidung ergehen wird, lasse sich derzeit noch nicht abschätzen.
Die AfD hatte vor Wochen eine Klage gegen die Ministerpräsidentin und ihre Landesregierung erhoben. Sie wirft der Regierungschefin vor, ihre Neutralitätspflicht verletzt zu haben (wir berichteten). Die Sozialdemokratin hatte über das offizielle Internetportal der Staatskanzlei zur Demonstration „Zeichen gegen rechts – Kein Platz für Nazis“ am 18. Januar in Mainz aufgerufen. Dreyer nahm im Winter mit Kabinettsmitgliedern an der Kundgebung in der Landeshauptstadt teil und sprach auch vor den Demonstranten. bas