EM-Kolumne
Flegel oder Fußball-Star

Man muss ihn nicht mögen. Sein pfauenhaftes Verhalten. Sein Zahnpasta-Lächeln. Seine Selbstherrlichkeit. Viele mögen ihn nicht. In fast allen Stadien, durch die er wie ein Zirkuspferd galoppiert, wird er ausgepfiffen, jeder misslungene Trick hämisch beklatscht. Aber irgendwie muss man ihn mögen.

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Man muss ihn nicht mögen. Sein pfauenhaftes Verhalten. Sein Zahnpasta-Lächeln. Seine Selbstherrlichkeit. Viele mögen ihn nicht. In fast allen Stadien, durch die er wie ein Zirkuspferd galoppiert, wird er ausgepfiffen, jeder misslungene Trick hämisch beklatscht. Aber irgendwie muss man ihn mögen. Die kindliche und kindische Theatralik. Das Drama, das er schon ums Schuhebinden macht. Es gibt wohl nur wenige Profifußballer, die in der Halbzeit eines EM-Spiels die Frisur wechseln. Cristiano Ronaldo hat dies getan, in der Pause des Vorrundenspiels gegen Holland.

Man könnte nun getrost von einem Größenwahnsinnigen sprechen, einem Flegel ohne Bodenhaftung, der sein grenzenloses Talent gnadenlos verschleudert. Unrecht hätte man mit dem ersten Teil der Beurteilung nicht, mit dem zweiten jedoch umso mehr. Ronaldo trainiert wie ein Besessener, schießt Freistöße, wenn die Kollegen längst in der Kabine sind – ob er das nun aus Selbstverliebtheit tut, um seinen Astral-Körper weiter zu stählen oder aus Erfolgshunger, sei dahingestellt. Jedenfalls kann der 27-Jährige nun endgültig zu einem Star reifen, der seine größten Erfolge auf dem Fußballplatz feiert. Und nicht auf dem Boulevard.

In den Spielen gegen Holland und Tschechien hat Ronaldo, so schien es zumindest, den Erfolg der Mannschaft über sein gewaltiges Ego gestellt. Er hat, anders als bei großen Turnieren zuvor, nie aufgegeben, seine Mitspieler mitgerissen – und die entscheidenden Tore gemacht. Zwar noch nicht gegen die wirklich Großen, aber immerhin hat Ronaldo jetzt mal die Chance dazu.

Ob er sie nutzen wird, hängt zum einen vom „Rest“ der Seleccao ab, die immer mehr zur Einheit wird, zum anderen von Ronaldo selbst. Wird er, der für Real Madrid 112 Tore in 101 Ligaspielen schoss, der bei Manchester United in sechs Spielzeiten 84 Mal traf und 2008 die Champions League gewann, nicht nur für sich, sondern für sein Land spielen, kann es etwas werden mit der Krönung des CR7. Falls nicht, gibt es genügend Gründe, ihn weiterhin nicht zu mögen.

E-Mail an den Autor: jochen.dick@rhein-zeitung.net

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