Die meisten Rockfans dürften es schon einmal getan haben. Auch, wenn es unter manchen eingefleischten Fans der härteren Musik durchaus verpönt ist. Aber wenn der große musikalische Held dann tatsächlich die Bühne betritt, verspüren viele letztlich doch den Drang, diesen Moment mit dem Smartphone für die Ewigkeit festzuhalten. Vielleicht auch deshalb, um den Kumpels daheim auf der Couch via Social-Media-Post ein wenig die Zähne lang zu machen.
Aber reißt einen dieser Akt des Filmens nicht aus dem Moment? Und waren Rockshows irgendwie besser, als das Smartphone noch nicht erfunden war? Genau so argumentiert die US-amerikanische Rockband Tool, die auch schon am Ring gespielt hat. Während Konzerten der Band gilt eine strikte „no camera policy“. Und dieser Schritt wird nicht etwa mit einem Verweis aufs Copyright begründet, sondern mit der Erfahrung, dass Kameras nun mal aus dem hier und jetzt reißen – und dadurch das Eintauchen in die Show vereiteln.
Wer kürzer filmt, kann länger tanzen
Wie halten es die Zuschauer bei Rock am Ring mit dem Smarthpone? Wir haben uns am Riesenrad unweit der Rock-am-Ring-Hauptbühne mit Zilda aus Sankt Goar und Jannis aus Koblenz über genau diese Frage unterhalten.
Die 20-Jährige und der 25-Jährige machen seit geraumer Zeit selbst zusammen Musik. So in die Metal-Richtung. Zilda singt und „screamt“, Jannis klampft. Und wie beide im Gespräch mit unserer Zeitung berichten, haben auch sie das Gefühl, dass dieser Tage zu häufig das Handy auf Konzerten gezückt wird. So ein kleiner Clip, das könne man ja mal machen; aber manche packten das Smartphone dann gar nicht mehr weg.
Erlebnisse mit den Freunden teilen
Zilda macht es immer so, dass sie ein kurzes Video zur Erinnerung dreht, sich dann aber ganz dem „Headbangen“ und Tanzen, also ihrer Liebe zur Live-Musik widmet. Jannis verfolgt da eine ähnliche Strategie. Und fügt grinsend an: „Ich kenne aber echt keinen, der sich dann zuhause nochmal die gedrehten Clips anguckt.“ Die Rockfans sind sich einig, dass es vielen beim Drehen dieser Videos teils mehr um Selbstdarstellung als um die Liebe zu den harten Klänge gehe. So nach dem Motto: „Schau mal, was ich hier wieder Tolles erlebe.“
Jannis ist bereits zum fünften Mal am Ring, für die 20-jährige Zilda aus Sankt Goar ist es heute Premiere. Bisher gefällt ihr das Festival sehr gut, wie sie sagt. Ihr absolutes Highlight: die ukrainische Metal-Band Jinjer. Wegen dieser Gruppe hat Zilda selbst angefangen zu singen und zu „screamen“. Die Sängerin von Jinjer, Tatiana Shmailyuk, ist Zildas Vorbild. Diese Frau live auf der Bühne gesehen zu haben, sei berührend und bedeutend gewesen, unterstreicht die 20-Jährige.
Die Älteren sind dagegen
Gefilmt hat sie dabei übrigens nur wenige Sekunden – und ihr Lieblingslied der Band („Pisces“) dann tanzend „voll genossen“. Jannis und Zilda wollen am Wochenende unbedingt noch die Bands Meshuggah, Gojira und Arch Enemy live erleben, Kings of Leon und die Hosen werden sie sich wohl schenken.
Unsere Zeitung hat noch mit weiteren Rockern gesprochen. Sie haben sich ganz klar gegen das Filmen auf Konzerten ausgesprochen und halten diesen „Trend“ für eine „Plage“.
Beide dürften so Ende 40 sein. Ihre Argumente, warum das Handy in der Tasche bleiben sollte: Erstens, weil sowieso „irgendein Depp“ mitfilme, und man sich das Ganze am nächsten Tag dann ja bei YouTube aus dessen Sicht anschauen könne; zweitens, weil man doch „live dabei“ sei, in bester Auflösung („Warum also der kleine Screen?“); drittens, weil sich so schlecht „Pogo“ tanzen lasse. Außerdem sei die „crowd lame“, wenn zu viele Handys gezückt würden.