HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich fordert im Gastbeitrag die Politik zu mehr Kommunikation mit dem Handwerk auf
Es ist Zeit, zu machen: HwK-Hauptgeschäftsführer fordert Politik zu mehr Kommunikation mit dem Handwerk auf
Weniger Aufträge in der Bauwirtschaft wegen Corona-Krise
Noch arbeitet die Bauwirtschaft Aufträge ab – damit sie nicht in die Krise gerät, muss die Politik ihren Kurs rasch korrigieren, fordert Ralf Hellrich. Die Abstimmung mit dem Handwerk sei dabei wichtig. Foto: Patrick Seeger/dpa
Patrick Seeger. picture alliance/dpa

Nach der jüngsten Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Koblenz ist die Einschätzung zur konjunkturellen Lage im Handwerk positiv. Die Unternehmen sind, durchaus überraschend, noch guter Stimmung. Es ist auch nicht Sache des Handwerks, die Lage schlechter zu reden, als sie ist, es erstaunt aber auch nicht, dass sich in vielen Regionen Deutschlands ein erschwertes Lagebild abzeichnet. Ein Gastbeitrag von HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich.

Weniger Aufträge in der Bauwirtschaft wegen Corona-Krise
Noch arbeitet die Bauwirtschaft Aufträge ab – damit sie nicht in die Krise gerät, muss die Politik ihren Kurs rasch korrigieren, fordert Ralf Hellrich. Die Abstimmung mit dem Handwerk sei dabei wichtig. Foto: Patrick Seeger/dpa
Patrick Seeger. picture alliance/dpa

Das Handwerk folgt konjunkturell regelmäßig der Industrie, und die Lage dort erscheint weitaus dramatischer, als das bei Handwerksbetrieben bisher angekommen ist.

Betrachtet man die einzelnen Handwerkssektoren genauer, so sind dunkle Wolken durchaus auszumachen. Da wäre zuerst die Bauwirtschaft, die eine rasche Eintrübung der Perspektive erlebt. Dabei macht der Auftragseingang Sorge, die derzeit noch etwas gefüllten Auftragsbücher spiegeln die sich abzeichnende Lage nicht wider. Indikatoren wie Baugenehmigungen und Baufinanzierungen zeigen besorgniserregend in Richtung Krise. Nicht überraschend, die Ziele im Wohnungsbau werden deutlich verfehlt, durch hohe Materialpreise, enorme Anforderungen an die energetische Ausstattung der Gebäude und nicht realisierbare Mieten oder Kaufpreiszahlungen auf der Nachfrageseite.

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Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz Foto: Fotostudio Reuther
Fotostudio Reuther

Wirksame bürokratische Entlastung für die Baubetriebe und Bauherren kann durch eine schnelle Entschlackung der einzelnen Bauordnungen der Länder geleistet werden. Digitale Bauanträge, längst überfällig, können für eine Zunahme der Geschwindigkeit sorgen. Die Bauwirtschaft ist ein Schlüsselfaktor im Handwerk, und so ist rasches Handeln unerlässlich. Sicherlich ist es gut, wenn die Politik einen 14-Punkte-Plan fasst, die Bauwirtschaft und den Wohnungsbau zu festigen, aber ohne die Abstimmung mit dem Handwerk und einer deutlichen Erhöhung in der Umsetzungsgeschwindigkeit wird die Kurskorrektur nicht gelingen.

Umsetzung dauert viel zu langsam

Schlechtes Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz. Die Fehler im Gesetzgebungsverfahren waren vermeidbar, die negativen Auswirkungen einer realitätsfernen Ausgestaltung des Gesetzes waren keine handwerklichen, sondern politische Fehler und mangelnder praxisnaher Sachverstand.

Leider wird das Handwerk zwar gehört und sicher auch wertgeschätzt, aber die entsprechende Umsetzung passiert dann nicht oder viel zu langsam. Zu oft stehen dabei der Zeitgeist und das dogmatische Festhalten an Ideologien der Vernunft in einem dynamischen Umfeld entgegen.

Ralf Hellrich ist als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HwK) Koblenz Interessenvertreter für fast 21.000 Handwerksbetriebe.

Die wichtigste Frage über der sich abzeichnenden Krise ist, wann werden wir mit welchem Plan wieder wettbewerbsfähige Energiepreise haben. Die Antwort hat mit der Energiewende, der Umsetzungsgeschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Erhöhung der Energieeffizienz zu tun. Sie hat wenig mit Brückenstrompreis oder Industriestrompreis zu tun. Wer keine Antworten auf die Fragen nach dem „wann“ und „wie“ hat, kann keine Brücke für Strompreise bauen, denn niemand weiß dann, wie lang und wie breit diese sein muss.

Das Handwerk jedenfalls spielt bei der anstehenden Energiewende die zentrale Rolle. Die spezifischen Erfordernisse für die 1 Million Betriebe, ihre rund 5,7 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 350.000 Auszubildenden müssen in dem zu erarbeitenden breiten und maßgeschneiderten Instrumentenmix berücksichtigt werden. Ernsthaft und sofort.

Die Gastautoren im Wirtschaftsteil der Rhein-Zeitung

Wie sehen Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft, aus Kammern und Verbänden, den Gewerkschaften und der Wissenschaft die immer komplexeren und gleichzeitig schneller wirkenden Themen unserer Zeit? Sind schnelle Antworten, die oft aus der Politik kommen oder – auch von den Medien – von der Politik gefordert werden, eigentlich immer das Mittel der Wahl? Mitunter hilft auch der zweite, ausgeruhtere Blick bei einer Einordnung.

Aus diesem Grund finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, seit geraumer Zeit in regelmäßigen Abständen an dieser Stelle Gastbeiträge. Die Redaktion greift inhaltlich bewusst nicht in die Texte ein, sondern spricht lediglich die Themen ab. Die Gastbeiträge werden immer als solche kenntlich gemacht. red

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